Top Spin 327.06.2008, Benjamin Schmädig
Top Spin 3

Im Test:

Ihr liebt Top Spin 3 (ab 10,71€ bei kaufen)? Und nachdem ihr euch auf den PS3- oder 360-Courts warm gespielt habt, wollt ihr auf Wii den "echten" Tennisschläger schwingen? Vielleicht träumt ihr auch davon, einem Kumpel endlich die Bälle um die Ohren zu schmettern? Eine eurer Hoffnungen kann das erste Wii-Tennis "für Erwachsene" tatsächlich erfüllen. Mit der zweiten lässt es euch im Regen stehen - so wie mit vielen weiteren Erwartungen...

Die Simulationskonsole Wii?

Ich war skeptisch, als Nintendo den Controller seiner damals Revolution genannten Wii vorstellte. Auf eins freute ich mich allerdings: das Abtauchen in realistische Steuerungswelten. Denn erstmals würden virtuelle Alter Egos genau das machen, was ich ihnen buchstäblich zeige. Drei Jahre sind seitdem vergangen - und der japanische Hardwarebauer badet längst im Gewinn seines vermeintlichen Aufstands. Eins hat er allerdings nicht geschafft: Seine Konsole nimmt Eingaben noch immer als moderne Form des Knopfdrückens wahr; echte Bewegungen konnte bisher kein virtueller Athlet nachahmen. Der Grund sind die technischen Einschränkungen von Remote und Nunchuk, wie mir der Produzent von 

Yes, endlich reales Tennis! Oder?
Pam Developments erstem Wii-Tennis erklärt. Bleibt also die Frage, wie die Franzosen mit einem Top Spin, das auch auf der Nintendo-Konsole die Ziffer Drei trägt, realistisches Tennis zum Leben erwecken wollen. Immerhin war es auf PS3 und 360 ihr erklärtes Ziel, eine echte Simulation zu erschaffen...

Schlag zu!

Nein, realistisches Ausholen und Schlagen würde es in der Wii-Umsetzung nicht geben. Das wussten die Entwickler schon vor mehr als einem Jahr. Stattdessen ahmt ihr die Bewegungen eures Tennis-Profis nur vage nach - je besser euer Timing, desto genauer und härter geht der Ball übers Netz. Gezielt wird dabei mit dem Analogstick des Nunchuks, die Schlagbewegung wirkt sich nicht auf die Flugbahn aus. Auch Top Spin imitiert somit lediglich einen kleinen Teil des wirklichen Sports und erinnert damit an Sega Superstar Tennis oder Wii Sports. Im Gegensatz zu Segas Maskottchen-Parade dürft ihr euch hier jedoch nicht für eine vereinfachte Steuerung entscheiden, mit der die Athleten entweder automatisch in Richtung Ball laufen oder mit der ihr per Digikreuz rennt, während ihr ganz klassisch über die Tasten 1 und 2 einen Schlag ausführt. Für alle, die wenig Platz vor dem Fernseher haben, könnte es deshalb eng werden - gerade beim Doppel mit bis zu drei Freunden dürften etliche Wohnzimmer aus allen Nähten platzen! Der Steuerungs-Zwang ist umso ärgerlicher, weil die Strippe zwischen Nunchuk und Remote erstens zu kurz und zweitens ohnehin ständig im Weg ist. Wer damit Schwierigkeiten hat, wird mit Top Spin 3 selbst im Einzelnspiel nicht glücklich.

Risiko

Ich bereite also meinen Aufschlag vor, nehme den Ball mit einem Druck auf die C-Taste auf, werfe ihn per Aufwärts-Bewegung

Lässt man sich auf die Steuerung ein, fühlt man sich fast wie auf dem Centre Court.
der Remote nach oben und ziehe den Controller im richtigen Moment mit Schmackes wieder nach unten. Beim ersten Aufschlag lohnt sich zudem das Halten der B-Taste: Das Timing ist dann zwar kniffliger, der Aufschlag dafür umso kraftvoller - das System haben die Entwickler ihrem Vorgänger entliehen. Wer will, darf außerdem mit einem einfachen Druck auf die A-Taste aufschlagen, schiebt dann aber nur einen schwachen Ball übers Netz.

Ist die Filzkugel einmal im Spiel, bewegt ihr euch mit dem Analogstick, holt mit der Remote aus (möglichst dann, wenn es euer Profi tut), zielt wieder per Analogstick, sobald ihr einen Rumble-Effekt spürt und schlagt schließlich zu (am besten wieder dann, wenn euer Spieler das tut). Je nachdem, wie ihr die Bewegung ausführt - ob gerade, von oben nach unten oder von unten nach oben - löst ihr einen geraden Schlag, einen Slice oder einen Top Spin aus. Bei gleichzeitig gedrückter Z-Taste wird aus einem Slice ein Stop und aus einem Top Spin ein Lob. Eure Schnelligkeit beim Schlagen wirkt sich zudem auf die Geschwindigkeit des Balls aus. Damit decken die Entwickler alle bekannten Möglichkeiten ab,  Risikoschläge gibt es allerdings nur beim Aufschlag.    

Virtueller Star...

Und es fühlt sich richtig gut an! Denn auch wenn es nicht zwingend notwendig ist: Wer sich auf die Steuerung einlässt und sich so zum Ball stellt, wie es ein echter Profi (oder in meinem Fall: ein echter Amateur) tun würde, erlebt ein verdammt glaubwürdiges Tennis-Match - mit kleinen Einschränkungen. Denn tatsächlich erkennt das Spiel nicht jeden als Slice geschlagenen Ball auch als solchen und spielt den gelben Filz gerade übers Netz. Die Ausholbewegung muss zudem sehr zackig ausgeführt werden: Ich habe die Remote mehrmals nur langsam nach hinten bewegt, weil es die Spielsituation zuließ - sie wurde deshalb vom Programm nicht erfasst und als mein Schlag kam, ließen Federer und Co. den Ball tatenlos an sich vorbei springen.

Leider stellen sich die Stars bei einigen Schlägen sehr schusselig an.

... gegen virtuelle Anfänger

Die Gegner zeigen ähnliche Aussetzer; vor allem auf Lobs reagieren sie häufig lächerlich unbeholfen. Da kommt ein hoher Ball schon mal fast direkt auf sie zu und die Profis wanken mit erhobenem Schläger zwar ein Stück in die richtige Richtung, um dann aber im letzten Moment hilflos stehen zu bleiben. Bei Stops schauen sie oft ähnlich blöd aus der Wäsche. Abgesehen davon erinnern die Ballwechsel frappierend an Top Spin 2. Mit den zumindest äußerlich realistisch wirkenden 360- und PS3-Versionen hat diese Fassung wenig zu tun, so dass sich Wii-Sportler trotz der Schweiß treibenden Steuerung eher in der Spielhalle als auf dem Centre Court wähnen.

Tatsächlich fußt diese Fassung in jeder Hinsicht auf dem namentlichen Vorgänger, denn auch die Bewegungen der Athleten sind dieselben wie zuletzt auf 360 und PC. Das gilt nicht nur für gelegentliche Hechtsprünge, sondern auch für ihre Reaktionen nach Punktgewinn oder -verlust. Letztere dürft ihr übrigens über Remote-Bewegungen selbst auslösen. Eine coole Idee, aber die Profis ahmen nicht alle Gesten exakt nach - oft reißen sie z.B. nicht die Arme hoch, obwohl ihr genau das vormacht. Ärgerlich übrigens auch, dass sich sämtliche Spieler in ihren Bewegungen nicht unterscheiden - selbst einen Becker erkennt man nur am Gesicht, einige der restlichen Profis nicht einmal daran.

"Hier gibt es nichts zu sehen!"

Trotz dieser Einschränkungen ist das Mittendrin-Gefühl aber bemerkenswert - umso ernüchterter werdet ihr deshalb feststellen, was dieses Top Spin drumherum zu bieten hat. 

Kennen wir uns? Der Wiedererkennungswert der Profis hält sich in Grenzen.
Nämlich nichts! Jedenfalls nichts Nennenswertes. Ihr erstellt keinen eigenen Charakter, sondern nehmt mit einem der 27 lizenzierten Profis vorlieb und tretet auf gerade mal zehn Plätzen an (viermal mehr gibt es auf 360 und PS3). Die gesamte "Karriere" besteht aus knapp 20 Turnieren mit unterschiedlichen Regeln (nur Tie-Breaks, Männer gegen Frauen, Jeder gegen Jeden) und die Minispiele sind der Rede nicht wert. Ein Jammer: Online herrscht auf Wii nur tote Hose. Gerade das hätte mich zum Dranbleiben motiviert!

Apropos Minispiel: Der Begriff ist eigentlich der falsche Ausdruck, weil es im Grunde gewöhnliche Matches für bis zu vier Spieler sind. Witziger Kniff: Wer ein Match gewinnt, erhält nur einen von neun Punkten, die restlichen Zähler werden auf den Spieler verteilt, die meisten Punkte am Netz oder von der Grundlinie macht, die geringste Laufarbeit leisten muss usw. Richtig zünden kann das Zählersammeln aber nie - am Ende spielt man einfach lieber richtiges Tennis. Wo sind die aus Top Spin 2 bekannten echten Minispiele wie das Treffen bestimmter Ziele hin, wenn die Wii-Variante schon auf diesem Vorgänger basiert? Nicht einmal dessen stimmungsvolle Tennisatmosphäre kann diese Version einfangen; Schuld daran sind vor allem die unspektakulären Courts, die nicht einmal der technisch schwächeren Konsole gerecht werden.   

Fazit

Kein Witz: Ich habe einen Tennisarm. Vom Wii-Spielen - und das ist klasse! Denn wenn man sich auf die Steuerung einlässt, fühlt man sich auf den Centre Courts der Wii beinahe so wie auf dem echten Platz. Nicht deshalb, weil die virtuellen Schläger die eigene Remote so originalgetreu nachahmen, sondern weil die geforderten Controller-Bewegungen ein möglichst reales Verhalten vor dem Bildschirm fördern. Nicht immer reagieren die Gegner so smart, wie sie sollten; nicht immer kommt auch der gewünschte Schlag heraus - wenn er gelingt, ist das Erfolgserlebnis dafür enorm befriedigend! Ein hervorragender Wii-Aufschlag also für Pam Development - und dann? Keine Karriere, keine Minispiele, kein Online-Match; hier wird praktisch nichts geboten! So erfolgreich wie die Entwickler mit dem guten Spielgefühl den Tennisnachwuchs trainieren, so wohl wissend lassen sie ihn daraufhin gegen eine Betonwand klatschen. "Trainieren darfst du, dich wie ein Profi zu fühlen, kommt aber gar nicht in die Tüte!" Dürfte man seinen eigenen Charakter erstellen, dessen Fähigkeiten aufbauen und ihn, wie in den PS3-, 360- und selbst der Vorjahresversion, vom Tennisplatz der lokalen Universität bis zu den Centre Courts in Paris, London oder Melbourne begleiten - Top Spin könnte großes Tennis sein. In dieser Verfassung kapituliert es jedoch unmittelbar nach dem gelungenen Aufschlag. Schade.

Pro

größtenteils glaubwürdige Steuerung,
die zu echtem "Tennisspielen" animiert
Remote-Gesten nach Punktgewinn oder -verlust...

Kontra

sterile Turnierfolge statt Karriere
Gegner reagieren unbeholfen auf Lobs
... die zu selten den vorgemachten Bewegungen gleichen
keine Charaktererstellung, keine Erfahrungspunkte
Spieler und Kulissen wirken steif und stimmungsarm
keine echten Party-Spiele
keine Online-Matches o.ä.

Wertung

Wii

Dank der Steuerung fühlt man sich wie auf dem Tennis-Platz - der mickrige Inhalt motiviert allerdings kaum zum Spielen.

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