Toki Tori 204.04.2013, Jan Wöbbeking
Toki Tori 2

Im Test:

Ein kleines Küken aus Holland stemmt sich gegen den Zeitgeist: Kein Intro, keine Tutorials, kein Hilfesystem. Stattdessen entdeckt der flauschige Held den Wald von Beginn an auf eigene Faust. Nur wer das Verhalten und die Wechselwirkung der knuffigen Bewohner ergründet, kann die teils richtig knackigen Puzzles lösen.

Ohne Worte

Nicht einmal Worte im Spiel vor – vom Titelbildschirm natürlich abgesehen. Auch die Anleitung im Touchscreen-Menü ist so kurz, dass sie bequem in einen Absatz passt: „Der Wald mag friedlich erscheinen, aber unter der Oberfläche brodelt eine finstere Bedrohung. Was geht hier vor? Wie alles andere in Toki Tori 2 (ab 12,35€ bei kaufen) musst du das selbst herausfinden. Die Insel ist voller Kreaturen, die auf deine Aktionen auf instinktive und lustige Weise reagieren. Um voranzukommen, musst du ihr Verhalten studieren und es zu deinem Vorteil nutzen. Wir erklären dir welche Tasten du benutzen musst, und du machst den Rest! A-Knopf: pfeifen, B-Knopf: stampfen“

In den Grundzügen ist Toki Tori 2 ein ähnlich klassischer Plattform-Knobler wie sein Vorgänger. Diesmal grast man allerdings keine Levels ab, sondern erforscht die Welt auf eine freiere Art und Weise. Entwickler Two Tribes bemerkt im hauseigenen Blog, dass man sich vom Metroidvania-Prinzip inspirieren ließ. Diesmal sind weniger tödliche Gegner unterwegs als im Vorgänger. Stattdessen geht es oft darum, entfernte Plattformen zu erreichen, indem ich die Fähigkeiten und Reflexe anderer Waldbewohner ausnutze. Ab und zu schießen auch mysteriöse Rauchsäulen aus dem Boden, die den Weg versperren.

Kleines Küken, große Reise

Zwischen den Rätseln hängen allerlei sammelbare Puzzle-Teile in der Luft.
Zwischen den Rätseln hängen allerlei sammelbare Puzzle-Teile in der Luft.
Da das flauschige Küken noch nicht springen kann, lassen sich nur Leitern und kleine Stufen im Trippelschritt erklimmen. Über große Abgründe gelange ich, indem ich andere Tiere für meine Sache einspanne. Ein Fiepsen lockt die meisten Viecher in der nahen Umgebung an. Also einfach zum Einsiedlerkrebs laufen, mit A „tschiep tschiep“ machen und schon marschiert mir das stieläugige Wesen entgegen. Jetzt muss ich es nur noch zum Abgrund locken und siehe da: Schon kann ich seine breite Behausung als Brücke nutzen und gelange zum nächsten Checkpoint. Liegt die Schlucht nicht vor, sondern hinter dem Krebs, scheuche ich ihn mit einem kräftigen Stampfer von mir weg. Auch die zahlreichen Frösche sind nützlich: Wenn ich ihnen eine kleine Spinne herbeischaffe, stürzen sie sich erfreut auf die Mahlzeit, verschlingen sie mit einem Haps und blähen sich kugelrund auf. Stampfe ich danach auf den Boden, rülpsen sie eine Seifenblase aus, welche mich z.B. über kleine Tümpel trägt.

Keine Angst – das sind nur die grundlegenden Tricks, welche schon in den ersten Minuten erlernt werden. Später kommen noch einige andere Tiere und komplexere Techniken hinzu, welche geschickt miteinander kombiniert werden müssen. Wie sie funktionieren, verrate ich natürlich nicht, aber in dunklen Grotten trifft man z.B. auf Glühwürmer und leuchtende Spinnen, aggressiv attackierende Fledermäuse, Riesenfrösche und sogar leuchtende Portale. Später kann ich ähnlich wie Link ein paar Melodien pfeifen, welche z.B. einen Schnellreise-Vogel herbeirufen. Einfach ein paar Mal lang oder kurz piepsen und er zischt herbei. Bereits erlernte Melodien sind jederzeit auf dem Touchscreen zu sehen. Von Ausnahmen wie die Oberwelt-Karte abgesehen wird der Touchscreen aber kaum benutzt. Wer möchte, kann per Knopfdruck auch komplett auf dem Gamepad weiterspielen – oder auf den TV-Schirm zurückwechseln.

Verwirrende Verknüpfungen

Gefährlicher Marsch: Unter Wasser geht dem Küken schnell die Puste aus.
Hier ist es nur eine Pfütze, doch in tieferen Gewässern geht dem Küken schnell die Puste aus.
In den ersten Stunden sorgten die geschickt kombinierten Rätsel, der knuffige Stil und die beschwingte Musik für viel gute Laune. Ab und zu musste ich ein Weilchen grübeln, aber mit ein paar Experimenten und logischer Kombinationsgabe kam ich immer ans Ziel. Nach etwa drei, vier Stunden schlug der Spaß aber in Frust um, denn dann musste ich mich nicht mehr nur in den Levels, sondern auch auf der wirr gestalteten Oberweltkarte zurechtfinden. So interessant das Erforschen innerhalb kleiner Puzzles wirkt – im großen Ganzen erweist es sich als Fluch. Ich bin teilweise stundenlang durch schon gelöste Abschnitte geirrt, nur um irgendwo doch noch eine neue Abzweigung zu finden. Viele der Rätsel musste ich auf dem Weg natürlich gleich mehrmals abgrasen – öde und ermüdend.

Das Küken entwickelt zwar keine neuen Fähigkeiten, die erlernten Gesetzmäßigkeiten helfen mir aber beim Erschließen neuer Gebiete. An einer Stelle hilft mir z.B. ein großer Vogel zu einer alternativen Abzweigung. Durch den starken Mutterinstinkt krallt er sich bei Sichtkontakt alle kleinen Viecher und verschleppt sie in sein Nest. Ich kann ihn

Die seltsam strukturierte Karte stiftet mehr Verwirrung als Übersicht.
Die seltsam strukturierte Karte stiftet mehr Verwirrung als Übersicht.
entweder als Transportmittel nutzen oder ich mogle mich wie in einem Schleichspiel mit einem Trick an ihm vorbei.

Hinweismangel

Neben den seltsam verknüpften Abschnitten stiftet auch die Rahmenhandlung Verwirrung. Wie erreiche ich die in einer Blase schwebenden entführten Küken? Warum wird im zerstörten Schloss plötzlich meine Figur unsichtbar? Ein Bug oder beabsichtigte Spielmechanik? Ich verstehe, dass die Entwickler komplett auf Text verzichten wollten, doch ein paar simple Hinweissymbole hätten Wunder gewirkt. Eine weitere Eigenheit gibt es bei der Soundausgabe: Ein Teil der Geräusche und Instrumente erklingen nur aus dem Gamepad – andere nur aus dem TV-Bildschirm. Ihr solltet vor dem Spiel also unbedingt überprüfen, ob der kleine Lautsprecher im Controller aktiviert ist. Der Level-Editor aus der Steam-Beta ist auf der Wii U übrigens nicht enthalten, soll laut den Entwicklern aber nachgereicht werden.

Fazit

Die freie Erkundung in Toki Tori 2 ist Fluch und Segen zugleich. In den ersten Stunden hatte ich viel Spaß daran, die Welt auf eigene Faust zu entdecken, das Verhalten der knuffigen Waldbewohner zu studieren und mit Hilfe ihrer Fähigkeiten die Rätsel zu lösen. Im Kleinen sind die meisten Kopfnüsse gut ausbalanciert und clever miteinander kombiniert. Mit ein paar Experimenten kommt man spätestens nach ein paar Minuten auf die Lösung. Sobald alternative Abzweigungen gefunden werden müssen, wird es aber frustrierend. Ich bin mitunter stundenlang durch bereits gelöste Abschnitte geirrt, um endlich einen anderen Weg zu finden. Auch die Oberweltkarte, ihre Verknüpfungen und die Rahmenhandlung erschließen sich nur langsam. Wenn die Entwickler schon komplett auf Text verzichten, hätten sie immerhin ein paar grafische Hinweise oder wenigstens eine intuitivere Bedienung einbauen können. Im Vorgänger gab es zwar auch richtig knackige Kopfnüsse, dort steckte man aber schlimmstenfalls in einem Level fest und musste nicht ahnungslos durch die Welt irren. Wer eine hohe Frusttoleranz besitzt und sich gerne durch offene Spielwelten im Metroidvania-Stil knobelt, sollte aber trotzdem einen Blick riskieren.

Pro

Levels und Spielmechanik komplett selbst erforschen...
meist gut ausbalancierte Rätsel
putzig animierte Wesen
idyllische Musik

Kontra

...dadurch landet man gelegentlich in einer Sackgasse
verwirrende Abzweigungen
undurchsichtige Oberweltkarte
schlichte Kulissen und unscharfer Hintergrund

Wertung

Wii_U

Die kleinen Puzzles überzeugen, das wirre Gesamtkonzept nicht: Versteckte Abzweigungen und ein Mangel an Hinweisen machen das charmante Knobelspiel unnötig sperrig.

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