Ninja Gaiden 3 - Razor's Edge06.02.2013, Mathias Oertel
Ninja Gaiden 3 - Razor's Edge

Im Test:

Vor etwa einem Jahr zeigte der Meistermeuchler Ryu Hayabusa mit Ninja Gaiden 3, welche herben Auswirkungen es haben kann, wenn man eine u.a. für den Schwierigkeitsgrad berüchtigte Serie aufweicht und auf Massentauglichkeit trimmt: Enttäuschende 50% in unserem Test. Die in Deutschland nur als Import erhältliche Wii U-Neuauflage mit dem Untertitel Razor's Edge hat sich einiger Kritikpunkte angenommen. Einsicht als erster Schritt zur Besserung?

Der Schnitt des Regisseurs

Wie jetzt? Ninja Gaiden 3 - Razor's Edge (ab 18,88€ bei kaufen) (NG3RE) hat auf Wii U keine Freigabe bekommen? Das kann doch nicht sein? Auf PlayStation 3 und Xbox 360 ging es doch auch! Werden auf dem Nintendo-System andere Maßstäbe angelegt? Nein! Allerdings hat der erneute Auftritt von Katanaschwinger Ryu Hayabusa einige Änderungen erfahren. Unter anderem ein "Dismemberment"-System,  oder auf Neudeutsch: Körperteile können abgetrennt und Gegner generell zerteilt werden. Und dieses Element hat bereits in den Vorgängern auf der 360 die Aversion der USK-Prüfer auf sich gezogen, so dass eine Verweigerung der Kennzeichnung für den Titel geradezu unausweichlich war.

Und so sehr ich es begrüße, dass Tecmo Koei mit aller Gewalt (im wahrsten Sinne des Wortes) zu beweisen versucht, dass Wii U auch ein System für erwachsene Spieler ist, so unnötig ist in diesem Fall das "Auf den Putz hauen". Denn inhaltlich gewinnt NG3 dadurch nicht an Reiz. Man kann Körperteile abtrennen... Na und? Bereits in den PS3- und Xbox 360-Versionen wurden die Arenakämpfe gegen eine gegnerische Übermacht auch ohne diese Option wuchtig inszeniert - zumal die Action ohnehin häufig so schnell an einem vorüberzieht, dass man kaum Gelegenheit hat, die Hektoliter roten Pixelblutes oder die Überreste der Gegner auf sich wirken zu lassen. Von einer emotionalen Wirkung ganz zu schweigen. Leider wird visuelle Gewalt zum Selbstzweck verpulvert, anstatt die erzählerische Komponente zu unterstützen.

Dunkler Held mit scharfer Klinge

Mehr Waffen, mehr Gegner, mehr Auswahl: Dank dieser Elemente macht "Razor's Edge" in der Tat mehr Spaß als das Original.
Mehr Waffen, mehr Gegner, mehr Auswahl: Dank dieser Elemente macht "Razor's Edge" in der Tat mehr Spaß als das Original.
Denn selten hätte es sich so angeboten wie hier: Der Held wird mit dem Ansatz des "Japanese Dark Hero" gezeichnet, der "Böses" tun muss, um das Gute zu erreichen. Dies ist aber letztlich kaum mehr als ein magerer erzählerischer Vorsatz für das bei den Kämpfen imposant inszenierte, aber letztlich banale Katana-Gemetzel, das Ryu von London über Russland, die Antarktis oder ein Atoll im Indischen Ozean bis nach Tokyo führt.  Auch das Bild des slawischen Fluches, mit dem Ryu belegt wurde, erschöpft sich schnell und wird banal. Der "Griff des Mordes" (im Original "Grip of Murder") breitet sich von seinem rechten Arm aus und soll sinnbildlich die Qualen darstellen, die die von ihm Getöteten erdulden mussten und die er nun in sich aufsaugt. Der Fluch breitet sich in seinem Körper aus und droht ihn zu töten.

Damit hat man in der Theorie ein interessantes Thema. Wie wäre es denn, wenn Ryu an Schlüsselstellen vor die Wahl gestellt würde, ob er nun weiter mordet oder doch versucht, einen anderen Weg zu finden? Doch wie viele andere Stilmittel ist auch der Fluch nur ein oberflächliches Element - er wird nur genutzt, um für billige Dramatik zu sorgen. So etwa, wenn der Schmerz in seinem Arm in regelmäßigen Abständen so gewaltig wird, dass Ryu nur noch schleichend zum Levelausgang gehen kann. Wohl wissend, dass jeder weitere Feind den Fluch nur verstärkt, muss man weiter metzeln - schwach.

Neu ist besser?

Neu sind auch die Missionen, in denen man mit Ayane losziehen darf.
Neu sind auch die Missionen, in denen man mit Ayane losziehen darf.
Abseits der frischen Möglichkeit, jetzt abgetrennte Körperteile hinter sich zurückzulassen, gibt es noch einige andere inhaltliche Änderungen. So bekommt man im Lauf der Zeit stets neue Waffen, so z.B. sehr früh mörderisch scharfe Klauen, die an Hände und Füße geschnallt die Gegner zerkleinern. Man kann in speziellen Abschnitten mit der Heldin Ayane (bekannt aus Team Ninjas anderer Serie Dead or Alive) ein Doppelkatana sprechen lassen. Und es gibt ein Aufwertungssystem: Je nach Leistung erhält man Karma-Punkte. Diese kann man für neue Bewegungen und Upgrades eintauschen. Dadurch hat man zwar mehr Freiheit, um Ryus Kenntnisse an die persönlichen Vorlieben anzupassen. Doch auch dieses Element reicht nicht aus, um aus einem biederen Abenteuer einen adäquaten Nachfolger zu einer der fordernsten Action-Serien aller Zeiten zu machen – auch wenn der Schwierigkeitsgrad zugelegt hat und vor allem bei den Bossen fast „alte“ Standards erreicht.

Denn letztlich zeigen die ganzen Verbesserungen und Verfeinerungen für die Wii U-Fassung nur, dass sich Tecmo die Kritik der Fans zu Herzen genommen hat und versucht, das Spielerlebnis zu verbessern. Doch es gilt weiterhin, dass Team Ninja nach dem Weggang von Itagaki-San weitgehend kopflos durch das Designkonzept eiert und nach wie vor Schwierigkeiten hat, die Essenz der Vorgänger zu erfassen. Anstatt wie früher intensive Gefechte gegen wenige, dafür aber umso gefährlichere Gegner zu inszenieren, kennt man hier meist nur ein Rezept, um Spannung zu entfachen: Welle auf Welle auf Welle an Gegnern - und ein paar nervige Trial & Error-Sequenzen.

Der Schwierigkeitsgrad wurde ebenfalls nach oben korrigiert - vor allem die Bosskämpfe können eine Zeit raubende Angelegenheit werden.
Der Schwierigkeitsgrad wurde ebenfalls nach oben korrigiert - vor allem die Bosskämpfe können eine Zeit raubende Angelegenheit werden.
Und genau wie vor etwa einem Jahr auf PS3 und 360 verpasst man es immer noch, rechtzeitig ein Ende zu finden, so dass man weiterhin häufig das Gefühl hat, kein Ninja Gaiden, sondern einen modifizierten Dynasty Warriors-Ableger zu spielen.  

Online? Haken dran!

Immerhin: Hat man die Geschichte bewältigt oder möchte abseits der Kampagne metzeln, kann man sich an den optional kooperativen "Ninja Trials" oder dem Mehrspielermodus für bis zu acht Online-Meuchelmörder versuchen. Hinter Erstem verbergen sich meist fünf bis zehn Minuten dauernde Arena-Kämpfe mit kleinen Sonderaufgaben, die man auch solo angehen kann, um Erfahrung für seinen Ninja zu sammeln. Diese führt zu Levelaufstieg und damit zu neuer Ausrüstung und neuen Fähigkeiten, wobei man hier nicht einmal ansatzweise den Tiefgang und den Umfang einschlägiger Shooter erreicht. Die Clan-Kriege wiederum sind Duelle von maximal vier Meuchlern großen Gruppen, wobei auch hier zusätzlich zu den Deathmatch-Regeln Zusatzaufgaben warten.

Während man den Herausforderungen einen gewissen Unterhaltungswert und Anforderungsgrad nicht absprechen kann, wirken die Online-Duelle draufgestülpt: Hektisch, unübersichtlich und größtenteils spaßfrei habe ich wie auf 360 und PS3 nach ein paar Sessions die Segel gestrichen.

Biedere Technik

Immerhin gibt sich der Wii U-Ninja technisch kaum eine Blöße. Egal ob Animationen, Umgebungen oder Effekte: Man steht nicht hinter den anderen Versionen zurück - zumindest nicht weit. Dazu muss allerdings relativierend erwähnt werden, dass bereits auf 360 und PS3 keine grafischen Bäume ausgerissen wurden. Es bleibt weiterhin ein größtenteils solider Eindruck, wobei ich mir gewünscht hätte, dass Ryu in seiner Wii U-Premiere nicht nur inhaltlich, sondern auch visuell aufgewertet worden wäre.

Während die Action meist gut und imposant in Szene gesetzt wird, bleibt die Geschichte nach wie vor ein Schwachpunkt.
Während die Action meist gut und imposant in Szene gesetzt wird, bleibt die Geschichte nach wie vor ein Schwachpunkt.
Dafür kann man alternativ zur englischen Sprachausgabe (Testgrundlage ist die UK-Importfassung) auch die japanischen Stimmen genießen.

Hinsichtlich der Steuerung liegt die Wii U-Fassung auf Augenhöhe mit der Erstausgabe auf PS3 und 360: Die Angriffe gehen locker von der Hand und das Blocken oder Ausweichen machen ebenfalls keine Probleme. Hinsichtlich der Einbindung des Berührungs-Bildschirms bin ich allerdings gespaltener Meinung. Einerseits bin ich froh, dass die darauf gelegten Funktionen wie Waffenwechsel, Ninja Sense (Ausrichtung der Figur auf den Ausgang bzw. das Missionsziel), der Aufrüstbildschirm oder die Sonderattacke problemlos von der Hand gehen. Noch besser ist allerdings, dass man all das auch über konventionelles Knopfdrücken erreichen kann. Denn zum einen werde ich nicht zur Touchscreen-Nutzung genötigt, zum anderen reißt mich die Option, in einem hektischen Kampf plötzlich in die rechte obere Ecke des Schirms zu greifen, damit man seinen Ninpo-Angriff aktivieren kann, doch mehr aus der Action raus, als ich anfänglich vermutet hatte.

Fazit

Die Veränderungen und Verbesserungen die "Razor's Edge" auf Wii U im Vergleich zum Original erfahren hat, tun Ninja Gaiden 3 weitgehend gut - und zeigen, dass Team Ninja sich die Kritik der Fans zu Herzen genommen hat. Mit dem Karma-System und den daraus resultierenden Charakter-Aufwertungen bekommt man ein bisschen Freiheit sowie die Option, den Ninja an seine Spielweise anzupassen. Auch die schon früh zur Verfügung stehenden Alternativwaffen und der  modifizierte Schwierigkeitsgrad wissen zu gefallen und werten das Action-Adventure auf. Doch viele Kernprobleme, die auch die Urfassung geplagt haben, sind weiterhin allzu sichtbar wie z.B. bei der hanebüchen konstruierten, oberflächlichen Geschichte, dem Fokus auf nicht enden wollende Gegnerwellen oder den nach wie vor nervenden Trial&Error-Momenten. Am deutlichsten ist dies jedoch weiterhin am Verlust der Ninja Gaiden-Seele festzumachen, die auch in Razor's Edge höchstens als Spurenelement enthalten ist. Mit dem Abschied des Serienschöpfers von Team Ninja wurde die Reihe in eine neue Richtung gedrängt und musste auf dem Weg dorthin zu viele massentaugliche Kompromisse hinnehmen - und davon hat sich auch die überarbeitete Neuauflage nicht erholt.

Pro

schnelle Action
Upgrade-System
diverse Waffen zur Auswahl
optional japanische Sprachausgabe
gut reagierende Steuerung
gelungene Bosskämpfe
kein Touchscreen-Zwang

Kontra

erzählerisch schwach
visuell bieder
draufgetackerter Online-Modus
wenig Gegnerabwechslung
nervige Trial&Error-Sequenzen
Ninja Gaiden-Essenz nur rudimenmtär vorhande

Wertung

Wii_U

Mehr Inhalte, mehr Gewalt und einige Verbesserungen zu den PS3- und 360-Fassungen können nicht verschleiern, dass Ryu Hayabusa auch auf Wii U weit davon entfernt ist, die Klasse alter Zeiten zu erreichen.

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