Yoshi's Woolly World01.07.2015, Jan Wöbbeking

Im Test: Ist das flauschig!

Wer hätte gedacht, dass Yoshi noch niedlicher werden kann? Nintendo hat seinem Sympathieträger eine farbenfrohe Wollwelt gestrickt, die sogar noch bezaubernder aussieht als Kirbys Garn-Ausflug auf der Wii. Kann der Vielfraß seinem altbekannten Prinzip neue Kniffe entlocken?

Welch passender Name

Kaum ein Entwickler trägt solch einen passenden Namen wie Good-Feel: Bereits vor vier Jahren wirkte Kirbys Epic Yarn mit seiner fröhlichen Stoffwelt wie ein spielbares Antidepressivum. Das Studio aus Kobe machte seine ersten Gehübungen mit kindgerechten Quiz-Spielchen und Lernsoftware für den DS, später erkannte Nintendo das Potenzial der Entwickler und spannte sie immer häufiger für eigene Marken ein. Bei Mario & Luigi: Dream Team kümmerte man sich um die Bosskämpfe; Kirby’s ideenreiches Garnabenteuer entstand beinahe komplett bei Good-Feel. Auch Yoshis neuem Spiel merkt man sofort an, dass die Entwickler ihre Wurzeln im Vorschulprogramm haben: Der kleine Wolldino tapst derart schnuffig über die Stoffbahnen, dass ich ihn am liebsten durch die Mattscheibe knuddeln würde. Für solche Situationen hat Nintendo eine Reihe gestrickter Amiibo-Figürchen auf den Markt gebracht – allerdings in viel zu kleiner Stückzahl. Wer ein Exemplar oder die Special-Edition ergattern möchte, muss mittlerweile viel Geschick oder hohe Summen aufbringen. Im Gegensatz zu Splatoon werden Käufer der Standard-Fassung diesmal aber nicht von einem Modus ausgesperrt. Die Figürchen schalten lediglich kleine Spielereien frei; darunter bunte Muster auf dem Helden oder einen Zwillings-Dino, der die Bewegungen des Spielers imitiert. Außerdem kann man wie immer seinen Fortschritt auf den Amiibos speichern.

Wirft Yoshi mit einem Wollknäuel auf Gitterrahmen, werden sie eingesponnen und können danach z.B. als Plattform benutzt werden.
Jetzt aber zurück zum Spiel: Große Überraschungen gibt es nicht – wer Nintendos klassische Jump-n-Runs kennt, weiß in etwa, was ihn erwartet. In einer Hand voll Oberwelten hüpfe ich mit Yoshi durch acht Levels und sammle jede Menge Klimperkram ein. Schade, dass Nintendo nach wie vor so wenig Wert aufs Erzählerische legt. Das fantasievolle Design einer Welt aus Fäden bietet schließlich jede Menge Potenzial für ungewöhnliche Geschichten. Stattdessen spulen die Entwickler mal wieder Nintendos minimalistische Entführungs-Story ab: Eines sonnigen Tages platzt Magier Kamek in die flauschige Idylle der Woll-Yoshis und dröselt kurzerhand einige von ihnen auf. Die auf Wollknäuels aufgerollten Überreste der Dinos wurden in den Levels verstreut und müssen von den verbleibenden zwei Dinos eingesammelt werden.

Guten Hunger!

Also hüpfe ich über allerlei bewegliche Plattformen und nutze Yoshis praktisches Beinstrampeln, um über weite Abgründe zu „schweben“. Wie gehabt können Gegner verspeist und als Wurfgeschosse missbraucht werden: Einfach das klimpernde Zielkreuz aufrufen, im passenden Moment abdrücken und schon lassen sich kleine Widersacher über den Haufen schießen - oder sie verheddern sich zumindest kurzfristig im Wollfaden. Auch versteckte Fragezeichen-Wolken lassen sich mit den Geschossen aktivieren, wodurch klingelnde Edelsteine oder Türen zu Geheimräumen erscheinen.

Technisch liefert Good-Feel blitzsaubere Arbeit ab: Von seltenen Rucklern abgesehen lief bei uns alles mit 60 Bildern pro Sekunde und ohne jegliche Bugs ab.
Das Salz in der Suppe sind die vielen kleinen Woll-Mechanismen. Stoße ich etwa auf eine besonders weich gestrickte Wand, lässt sie sich ein ganzes Stück nach hinten verschieben. Dahinter wartet z.B. eines der entführten Wollknäuels oder eine lächelnde Sonne: In der Endabrechnung sehe ich schließlich, ob ich das Level erfolgreich genug abgegrast und alles eingesackt habe. Ebenfalls nützlich für die Suche nach Geheimgängen ist das Aufribbeln mit der Zunge: Wenn Yoshi zuschnappt, verschwinden komplette Wollwände in seinem geräumigen Magen, die sich danach als extragroße Geschosskugel wiederverwerten lassen.

Alte Wolle in neuen Knäulen?

Auch die gehäkelten Gegner sorgen für neue Möglichkeiten im Hüpfspiel-Alltag: Ein Karpfen schießt zum Beispiel eine kräftige Garn-Fontäne in die Luft, die mich in die Höhe schleudert, sich aber auch kurzzeitig als Untergrund missbrauchen lässt. Oder ich verschieße fröhlich grinsende Flauschvogel-Babys (ja, die heißen tatsächlich so), um fragile Watteplattformen zu erzeugen und gen Himmel zu stürmen. Hochgradig innovativ ist zwar keine der Ideen, trotzdem bereichern sie das Erforschen der Umgebung. Mein Highlight ist der Kettenhund, der nur als dünnes Garn-Gerüst durch die Gegend geistert. Ich locke ihn eine Treppe hinauf, wickle ihn mit Wolle ein - und schon habe ich eine massive Kugel, die den Berg hinab durch alle Gegner und Barrieren poltert. Für jede Menge Abwechslung sorgen auch die zahlreichen bekannten Extras und Mechanismen. Dazu gehören z.B. schwebende Richtungspfeile oder Hund Schnuffel, auf dessen Rücken ich hohe Vorsprünge erreiche, um dort den Wasserspiegel einer überfluteten Welt zu manipulieren.

Niedlicher geht nicht

Kirby lässt grüßen: In den Minispielen verandelt sich Yoshi in ein Moped und andere Dino-Hybriden.
In punkto Knuddelfaktor schlägt Woll-Yoshi sogar seine Vorgänger und Kirby. Vor allem die Animationen sorgen bei Kollegin Alice für regelmäßige „Oh Gott, ist das süüüß!“-Rufe. Ob nun die glubschäugigen Fledermäuse oder die mit der Schlaufenhand wedelnde Schildkröte: Jede noch so unbedeutende Nebenfigur wackelt herzallerliebst animiert über die Stoffbahnen. Nur beim Hintergrund haben sich die Entwickler weniger ins Zeug gelegt: Am Horizont sieht man lediglich eine karge, unscharfe Textur-Tapete. Knifflig wird es beim bloßen Durchqueren der Levels nur selten – vor allem für geübte Spieler. Um familienfreundlich zu bleiben, wollte Nintendo offenbar die Einstiegshürden gering halten.

Wer möchte, kann sich für verdiente Klunker Perks und Erleichterungen kaufen, die über den Zeitraum eines Levels anhalten. Sind sie aktiv, kann ich z.B. nicht mehr in den Abgrund stürzen, halte deutlich mehr Treffer aus oder bekomme endlos Wassermelonen, deren Kerne auch aufdringliche Affen verlässlich aus dem Weg räumen. Wem das immer noch zu schwer ist, darf sogar in den „entspannten“ Modus wechseln, in dem Yoshi Flügel wachsen und er nach einigen Fehlversuchen unbesiegbar wird.

Kompromisse für Einsteiger

Wer Herausforderung sucht, sollte all das natürlich tunlichst ignorieren und sich auch die gesammelten Klunker für die Endabrechnung aufsparen. Wem die meist linearen Kernabschnitte der Levels zu einfach sind, kann sich allerdings abseits des Weges etwas mehr Herausforderung suchen. Es gibt jede Menge Geheimräume, die ich mitunter erst auf den zweiten Blick entdeckt habe. Oft sorgt dort ein Timer beim Sammeln für Zeitdruck. Auf Dauer kann das gewissenhafte Abgrasen aber auch ein wenig fade werden. Wer sich dabei verheddert, muss allerdings zurück zu einem der wenigen Checkpoints und alles noch einmal einsammeln. Am meisten motiviert haben mich die Grabkammern einer Pyramide und anderen verwinkelten Levels mit geschickt eingeflochtenen Rätseln. Die Bosskämpfe sind ebenfalls eine willkommene Abwechslung: Ein Maulwurf wuselt z.B. wild unter einer Wolldecke herum, bevor er auftaucht und von mir mit einer Stampfattacke zurechtgewalkt wird. Andere Biester muss ich im richtigen Moment mit der Zunge aufribbeln, um ihren Schwachpunkt freizulegen. Weniger spannend sind die eingestreuten Bonus-Stages und Minispiele. Dann verwandelt sich der flauschige Held z.B. in einen tauchenden „Meerjung-Dino“ oder in einen Riesen, der lediglich schnell genug zum Ziel trampeln muss.

Kooperatives Gekabbel

Wer andere Amiibos aufs Gamepad stellt, erhält deren "Strickmuster" für seine Spielfigur.
Besser gelungen ist der lokale Koop, bei dem ein zweiter Yoshi jederzeit mithelfen kann. Man kann sich natürlich auch gegenseitig ärgern, verspeisen und ausspucken – es wird aber bei weitem nicht so chaotisch wie der Mehrspielermodus in Kirby und der Regenbogenpinsel. Wenn mir die Wollknäuel ausgegangen sind, verschieße ich einfach meinen Partner zu abgelegenen Wolken – praktisch! Schade, dass sich Nintendo wieder eine vernünftige Online-Anbindung gespart hat. Lediglich Woll-Miis und Communiy-Nachrichten lassen sich in der Oberwelt begutachten. In einem Pavillon können außerdem freigeschaltete Stempel und gerettete Yoshis inspiziert werden. Spezielle Gamepad-Funktionen gibt es nicht – wer möchte kann jederzeit auf den Bildschirm schauen oder einen der zahlreichen Alternativ-Controller benutzen. Das bunte Geschehen wird passend mit leichtfüßiger Musik untermalt. Im Gegensatz zu älteren Nintendo-Hüpfern oder Shantae sind aber nur wenige Ohrwürmer darunter.

Fazit

Wer hätte das für möglich gehalten? Entwickler Good-Feel hat es tatsächlich geschafft, Nintendos Dino-Maskottchen noch knuffiger zu machen! Und nicht nur ihn: Jeder noch so unwichtige Gegner wackelt derart liebenswert durch die Levels, dass ich ständig den Drang verspürte, aufzustehen und den Fernseher zu knuddeln. Auch das Spieldesign profitiert von Tricks wie dem Aufribbeln, Plattquetschen und Einspinnen von Gegnern. Und das Erforschen versteckter Ecken gestaltet sich dank gelungener Garn-Rätsel erfreulich abwechslungsreich. Zwischendurch wird es aber auch mal fade – zum Beispiel in den einfach gestrickten Minispielen. Oder wenn ich abseits des Weges zu viel Krempel anhäufen musste, weil mir der normale Weg als geübter Spieler zu wenig Herausforderung bot. So kinderleicht wie Kirbys Garnausflug ist Yoshi’s Woolly World aber zum Glück nicht. Schade auch, dass es keine vernünftige Online-Anbindung gibt. Der lokale Koop passt immerhin gut zum Spiel: Lustig, aber nicht zu chaotisch. Wer Lust auf einen klassischen Plattformer mit neuen Tricks hat, wird also gut bedient – inklusive dem wahrscheinlich putzigsten Design aller Zeiten.

Pro

unglaublich knuffige Wollwesen
tapsigste Animationen des Universums
fantasievoll gebastelte Stoffwelten
interessante Tricks wie Aufribbeln oder Plattdrücken
schön eingebundene Rätsel
viel Abwechslung
motivierend versteckte Geheimräume
unterhaltsame Bosskämpfe

Kontra

erfahrene Spieler werden nur gelegentlich gefordert
Fokus etwas zu stark auf Sammelkrams
am Horizont eintönige und unscharfe Hintergründe
manche Hüpfabschnitte und Minispiele zu linear und fade
keine Online-Modi, -Bestenlisten oder –Wettbewerbe
minimalistisch inszenierte Entführungs-Story

Wertung

Wii_U

Knuffiger geht's nicht: Ein bezauberndes Design und gelungene Woll-Tricks machen den im Kern konservativen Plattformer zu einem flauschigen Erlebnis.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.