Kirby und der Regenbogen-Pinsel08.05.2015, Jan Wöbbeking

Im Test: Vielseitiger Malpinsel

Vor zehn Jahren bewies Kirby: Power-Malpinsel, wie clever sich der Touchscreen des DS im Spieldesign einsetzen lässt – jetzt geht das Murmelspiel auf Wii U weiter. Nur wer schnell genug zeichnet, stupst den kugelrunden Kirby sicher durchs Labyrinth. Ob das Prinzip nach wie vor fasziniert, überprüfen wir im Test.

Erst malen, dann kullern

Wie im Vorgänger auf dem DS steuere ich den rosa Helden nicht direkt, sondern zeichne ihm mit dem Stylus bunt leuchtende Stege und geschlängelte Linien in den Weg, auf denen er möglichst sicher durch die Fallen und herumwuselnden Gegner kullern kann. Es ist schon erstaunlich, zu wie welchen Kunststücken der Pinsel fähig ist: Ich male Kirby eine geschwungene Rampe, stupse ihn an, damit er einen Gegner über den Haufen rollt oder zeichne ein Regendach, damit er nicht vom reißenden Wasserfall aufgehalten wird. Rollt er in die falsche Richtung, reicht ein kleiner Strich und er prallt auf den rechten Weg zurück. Male ich eine senkrechte Linie in den Himmel oder ein paar Kringel, flitzt Kirby sogar steil nach oben oder flitzt durch ein paar Loopings. All das flutscht dank des präzisen Touchscreens der Wii U sehr gut. Nur in der kniffligen Lava-Welt sind ab und zu widerspenstige Tropfen durch die Linie gesickert, so dass ich ohne Eigenverschulden in der tödlich blubbernden Magma landete.

Das Spiel gestaltet sich deutlich hektischer als rätsellastige Mal-Plattformer wie Nihilumbra oder Max and the Curse of Brotherhood.
Der Anlass für den Murmelausflug ist ein mysteriöses Loch im Himmel: Eine finstere Macht beraubt Dreamland all seiner Farben und saugt sie durch das Himmelsportal. Mit Hilfe seines neuen Freundes Waddle Dee und der Pinselfee Elline macht sich Kirby auf den Weg zur Quelle des Übels. Elline verwandelt sich in den Pinsel, mit dem ich Kirbys Pfade male. Waddle Dee tritt nur dann in Erscheinung, wenn ein Freund ins Spiel einsteigt, um mich zu unterstützen – doch dazu später mehr. Die knapp gehaltene Hintergrundgeschichte spielt in der hektischen Action allerdings kaum eine Rolle.

Kreativ mit Knete

Das Intro-Filmchen, Kirby und sämtliche Kulissen wurden im Knetmasse-Stil animiert. So putzig wie Yoshis kommendes Wollspiel sieht das Ergebnis zwar nicht aus, trotzdem versprühen die herumwuselnden Viecher auch hier einen gewissen Charme. In mystischen Wüsten-Katakomben z.B. stampfen putzige Steinquader mit Kugelaugen energisch auf den Boden. Unter Wasser attackiere ich liebenswert dämlich schielende Schwerthaie und in der Lava-Welt fauchen mir Feuerigel ihren glühenden Atem entgegen.

Die Hintergründe sehen mitunter etwas karg aus.
Am meisten Spaß kommt auf, wenn ich an mehreren Stellen gleichzeitig gefordert werde: In einer Kammer am rechten Bildrand zeichne ich z.B. eine geschwungene Achterbahn, auf der eine Metallkugel um die Ecke zu einem Schalter kullert. Danach muss ich das Kunststück auf der linken Seite wiederholen – allerdings rechtzeitig, damit sich ein Durchgang öffnet und Kirby nicht von der automatisch scrollenden Kamera zerquetscht wird. Auch über den Wolken wird es spannend: Dort darf ich nicht zu exzessiv drauf los kritzeln und muss Kirby zu kleinen Tintenfässern führen. Schaffe ich das nicht, geht mir ruck-zuck die Farbe aus und der Held fällt ins Bodenlose, weil die Tinte nicht für eine Steg unter seinen Füßen langt. Wer sich sicher fühlt, kann nebenbei Abstecher in Randbereiche des Schirms wagen und jede Menge klingelnder Extras für die Level-Bewertung zusammenraffen.

Nicht ganz so leicht wie Triple Deluxe

Ihr merkt es sicher schon: Ganz so niedrig wie im letzten DS-Spiel Kirby Triple Deluxe ist der Schwierigkeitsgrad zum Glück nicht angesetzt. In den ersten Welten ist das Spiel zwar wieder viel zu leicht, spätestens am Himmel oder über den Lava-Seen entwickelt sich aber eine angenehme Herausforderung, bei der ich manche Szenen auch mehrmals angehen musste. Für eine willkommene Abwechslung sorgen die eingestreuten Minispiele, in denen sich Kirby z.B. in eine Rakete oder einen putzigen Panzer oder verwandelt. Drücke ich die Stylus-Spitze ein Weilchen auf das polternde Gefährt, morpht es in ein vor Kanonen strotzendes Ungeheuer, das kurzzeitig den halben Bildschirmen mit Kugeln eindeckt. Nebenbei darf ich auch in solchen Fahrsequenzen nicht vergessen, die Straße zu zeichnen, damit die Einlage nicht im Abgrund endet. Wenn ich als U-Boot unterwegs bin, muss ich sogar Torpedos umleiten – cool!

Als Knödel-Panzer tippt man einfach auf die Ziele und malt zwischendurch den Weg.
Auch der Standard-Kirby kann sich kurzzeitig in einen Riesen-Knödel verwandeln, wenn er genügend Sterne eingesammelt hat – oder er wird kurze Zeit unbesiegbar und räumt alles aus dem Weg. Von solchen Einlagen und den Vehikeln abgesehen gibt es aber deutlich weniger Verwandlungen als im Vorgänger für DS. Auch der Umfang ist mit rund fünf Stunden deutlich kürzer. Eine kleine Enttäuschung sind außerdem die Bosse: Der aus der Serie bekannte Baum „Whispy Woods“ oder die schwebende Elektro-Scheibe „Roto-Rowdy“ bieten nur ein einfach gestricktes Angriffsmuster und tauchen sogar mehrmals in leichten Abwandlungen auf. Schade auch, dass es zwar kleine Herausforderungs-Levels aber keinerlei Internet-Bestenlisten oder sonstige Online-Funktionen gibt. Lediglich offline kann ich mich an einer Reihe kurzer Prüfungen versuchen, die in möglichst wenigen Sekunden erledigt werden müssen.

Lokales Gewusel

Zur Belohnung werden neue Lieder im Soundtrack-Menü, frische Seiten im Story-Malbuch oder rotierbare Charaktermodelle freigeschaltet. Bis zu drei Freunde können lokal jederzeit in allen Modi mitmischen oder wieder das Spiel verlassen. Steuern müssen sie zwingend mit quer gehaltenen Wiimotes – der Anschluss von Nunchuks ist nicht drin. Die Umsetzung des Mehrspieler-Getümmels wirkt allgemein halbherzig: Kurzzeitig ist es zwar ganz lustig, wenn neben einem andere Spieler herumwuseln und auch mal einige Gegner aus dem Weg prügeln – die Fähigkeiten der „Waddle Dees“ passen aber nicht so recht zum Prinzip der gezeichneten Linien. Da sie nur gewöhnlich rennen, hüpfen und zuschlagen können, versperre ich ihnen oft mit Farbstrichen den Weg.

Zu viert nur mäßig spannend: Im lokalen Koop hält man mit der schützenden Zeichenlinie Gefahren von den Mitspielern fern.
Anderswo habe nicht genügend Zeit, ihnen Plattformen in den Weg zu zeichnen. All zu wichtig ist ihr Überleben ohnehin nicht, da sie unendlich oft wieder einsteigen können. Immerhin gibt ihnen das Sammeln von Sternen einen kleinen Bonus-Anreiz.

Eine bedenkliche Entwicklung bringt der Einsatz von Amiibos mit sich: Wer sich die unterstützten Figürchen kauft, bekommt von Haus aus stärkere Figuren – wo die Unterschiede im Detail liegen, erklärt dieser Trailer. Musikalisch wird die Reise wie gewohnt mit quietschvergnügten Melodien untermalt. Die teils neu aufgelegten Stücke passen recht gut zum Geschehen, bieten für meinen Geschmack aber etwas zu viele kitschige Orgelpassagen.

Fazit

Ganz so faszinierend wie vor zehn Jahren ist das Prinzip nicht mehr, aber auch Kirby und der Regenbogen-Pinsel zeigt viel Kreativität: Als die zu einfachen Einstiegs-Welten hinter mir lagen, hatte ich richtig Spaß daran, bunte Achterbahnen zu zeichnen und meine Multitasking-Fähigkeiten auf die Probe zu stellen. Eine Rampe hier, eine Laser-Barriere dort – und dann noch eine lang gezogene Bahn, über die ich die Murmel schwungvoll ans Ziel stubse. All das erfordert geschickte Koordination, so dass sich ein schöner Spielfluss entwickelt. Die bunte Welt aus Knete sprüht regelrecht vor Vielfalt, weil abseits des Weges immer wieder Gegner, Schalter und Schussmechanismen manipuliert werden müssen. Auch die Ausflüge als Panzer, Rakete oder in einer Gondel sind eine schöne Abwechslung. Der hektische Mehrspielermodus wirkt dagegen halbgar, zudem es nicht einmal Online-Koop oder weltweite Bestenlisten gibt. Allgemein ist der Umfang mit rund fünf Stunden recht knapp geraten, wenn man nicht gerade die Standard-Levels oder Herausforderungen perfektionieren möchte. Die kurze Zeit über hat mich das immer noch frisch wirkende Prinzip aber gut unterhalten - vor allem, weil es zum präzisen Touchscreen der Wii U passt.

Pro

toller Einsatz des Touchscreens
vielseitige Pinselstriche
clever eingebundenes Multitasking
knuffiges Knet-Design
bis drei Mitspieler steigen jederzeit ein oder aus...
viel Abwechslung
coole Minispiele mit Panzer, U-Boot und Rakete

Kontra

weniger Umfang und Spezialfähigkeiten als im Vorgänger für DS
erste Welten sind deutlich zu leicht
mäßige, zum Teil recycelte Bosskämpfe
keinerlei Online-Funktionen oder -Bestenlisten
...Mehrspieler-Modus wirkt aber aufgesetzt
Hintergründe mitunter etwas karg oder unscharf
wer Amiibo-Figuren kauft, bekommt stärkere Helden

Wertung

Wii_U

Kurz, aber abwechslungsreich: Kirbys Murmelspiel mit Malpinsel nutzt den Touchscreen der Wii U geschickt aus.

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