FAST Racing Neo11.12.2015, Benjamin Schmädig

Im Test: Vom Flow in den Rausch

Geschwindigkeit ist eine Illusion. Ausgelöst durch ein wackelndes Bild, ein Verzerren des Blickwinkels und vorbei ziehende Streifen wirkt das Rasen oft schneller als es tatsächlich ist. Fast Racing Neo ist keine Ausnahme, denn auch die futuristische Zeitenjagd des Nano-Assault-Entwickers macht dem Auge etwas vor. Die Sache ist nur: Niemand trickst derzeit so klasse wie Shin'en es tun!

Der Schnellste der Schnellen

Ich hab in meinem Leben den ein oder anderen schnellen Racer gespielt: WipEout gehört zu meiner Spielevita wie Metal zu Gear, Rollcage und Dethkarz krame ich alle paar Jahre hervor, Ballistics zähle ich wegen seiner irren Geschwindigkeit schon zu den Besten. Und trotzdem ist mir fast die Kinnlade auf den Boden gekippt, als ich Fast Racing Neo zum ersten Mal gespielt habe, denn es gibt in der aktuellen Konsolengeneration nichts Schnelleres! Tatsächlich muss ich etliche Jahre zurückdenken, um mich zumindest an ein ähnliches Erlebnis zu erinnern.

Fast Racing Neo bringt die Formel des futuristischen Arcade-Rasens auf den Punkt: Man donnert in einer Art Formel-1-Gleiter über Kurse in aller Welt. Riesige "Windräder“ drehen sich dort genau über der Strecke, Flammen schießen aus dem Boden. Mein Favorit sind gigantische Walker, die rücksichtslos über die Strecke stampfen, so dass ihre Beine unerwartete Hindernisse sein können. Klasse auch die riesigen Sandwürmer, die hinter der Planke auf- und abtauchen – grafische Höhepunkte in einem ohnehin schicken Spiel, das bis auf ein seltenes Stottern butterweich über den Bildschirm rauscht.

Rasensport

Das Rasen selbst? Einfach! Grundsätzlich jedenfalls. Die Bremse zieht man schon mal nicht; es reicht das Lupfen des Gaspedals. Luftbremsen bringen die Boliden zudem kaum besser durch eine Kurve – sie ziehen die Gleiter aber so zur Seite, dass man in letzter Sekunde oft doch noch einen Beschleunigungsstreifen

Bilder fangen das grandiose Geschwindigkeitsgefühl leider nicht annähernd ein.
oder eine Boostkugel erwischt.

Denn das Besondere sind die zwei Arten, dem Flieger entscheidend in den Hintern zu treten. Boostperlen füllen etwa einen Turbo auf: Zündet man ihn, katapultiert er das Schiff so lange voran, wie man den Knopf gedrückt hält bzw. die Perlen reichen. Die Beschleunigungsstreifen gibt es hingegen in zwei Farben, blau und orange, während man das Schiff in einen blauen oder orangefarbenen Zustand versetzt. Logisch: Passen Streifen und Farbe zusammen, wird der Boost ausgelöst. Ist das nicht der Fall, wird man langsamer.

So hat man immer alle Hände voll zu tun. Der Zustand muss oft schnell gewechselt werden, Kontrahenten sollte man tunlichst ausweichen, abseits der Ideallinie liegen Boostkugeln und die Hindernisse der Strecke sowie gelegentliche Sprünge tun ihr Übrigens. Fast Racing Neo fordert Streckenkenntnis und schnelle Reaktionen – und belohnt beides mit seinem einmaligen Geschwindigkeitsrausch.

Kunst und Rempelei

Dabei kenne ich nur wenige Spiele, die diesen Flow so hervorragend unterstützen, ohne Piloten zu frustrieren, die an einem Pfeiler hängenbleiben oder die Mauer touchieren. Hier gelingt das Kunststück, weil Bandenberührungen wenig Top Speed kosten und man nach jedem Unfall Boost-Power für einen flotten Neustart erhält. Fast Racing Neo ist zwar auch ohne Turbo ein schnelles Spiel, die Kunst ist es aber, das Schiff durch das Sammeln vieler Perlen, das Erwischen aller Beschleunigungsstreifen und natürlich das Finden einer guten Linie noch schneller zu machen. Wenn das gelingt, dann wird der Flow zum Rausch.

Diesen Rausch muss man gegen die flinken Kontrahenten unbedingt erreichen, denn selbst nach einem fehlerfreien Lauf landet man schon mal auf einem enttäuschenden Rang sechs von zehn. Klasse ist dabei das Flugmodell, bei dem Gewicht und Geschwindigkeit eine wichtige Rolle spielen. Ein schwerer Flieger rammt einen schwächeren nämlich einfach zur Seite – es sei denn, dem verleiht ein frisch gezündeter Boost so viel Kraft, dass er einen

Nur wer Hindernissen ausweicht und die richtige Linie findet, gewinnt die anspruchsvollen Rennen.
schwereren Vordermann ins Schleudern bringt. Waffen gibt es ja nicht, so dass diese Feinheiten den Positionskämpfen eine gut dosierte Portion martialischer Energie verleihen.

Ligabetrieb und Dauerbrenner

Vier Ligen gilt es zu meistern – vier Ligen in jeder der drei Geschwindigkeitsklassen mit jeweils vier Rennen pro Wettbewerb. Das ist genug, um ein paar Tage lang beschäftigt zu sein. Danach folgen der wichtige Dauerbrenner Zeitfahren sowie Onlinerennen oder das Wetteifern von bis zu vier Spielern auf einem geteilten Bildschirm, wobei man online bis zu acht nur gegen Freunde oder das weltweite Fahrerfeld antritt.

Schade, dass man die futuristischen Gleiter zwar mit praktisch allem steuern kann, das mit der Wii U kommuniziert (Nunchuk und Remote gefallen mir wesentlich besser als das Gamepad, dessen Bildschirm immerhin als Ersatz eines Fernsehers dienen kann), man die Belegung der Tasten aber in keiner Form verändern darf. Noch ärgerlicher, dass es keine Onlineranglisten zum Vergleich der Rekorde im Zeitfahren gibt. Das ist für mich immerhin die Königsdisziplin in einem solchen Spiel – schön, dass Shin'en aber knackige Zeiten vorgibt, die man erst mal unterbieten muss. Ich weiß jedenfalls, womit ich Weihnachten beschäftigt sein werde. Und noch lange danach.

Fazit

PlayStation 4, Xbox One: Schleicht euch! Die schnellste Konsole der aktuellen Generation heißt Wii U. Zumindest gibt es das mit Abstand schnellste Spiel seiner Ära derzeit nur auf ihr. Der Verlauf der Kurse ist nicht der originellste, das Geschwindigkeitsgefühl nimmt in höheren Klassen nur unwesentlich zu und viele Spielinhalte zitieren namhafte Vorlagen, anstatt dem futuristischen Rennsport einen eigenen Stempel aufzudrücken. Das alles spielt aber eine untergeordnete Rolle, wenn man den futuristischen Boliden auf Beschleunigungsstreifen drückt, Boostperlen aufliest und mit halsbrecherischer Geschwindigkeit an den Stampfern haushoher Mechs vorbei rauscht. Die Geschwindigkeit, die fehlenden Waffen, die Funktionsweise der Luftbremsen: Fast Racing Neo erinnert ja eher an ein F-Zero als an WipEout und Co. – auf einer Nintendokonsole sowieso. Und tatsächlich ist das Spiel ein hochkarätiger Ersatz für die Abwesenheit der bekannten Serie. Wer hier das erste Mal den Boost reinhaut, kann die akute Abwesenheit namhafter SciFi-Renner jedenfalls hervorragend verschmerzen!

Pro

umwerfender Geschwindigkeitsrausch
fordernde Rennen gegen schnelle Kontrahenten
anspruchsvolles Fliegen einschließlich Wechseln des Zustands und Einsammeln von Boostperlen
wechselnde Hindernisse, wie z.B. riesige Walker
variables Boostsystem statt einmaligem Aufbrauchen
Zeitfahren mit optionalen Herausforderungen
große Anzahl verschiedener Gleiter
gnadenloser Modus auf gespiegelten Kursen
Onlinespiel für bis zu acht Flieger
Rennen vor einem Bildschirm bis zu viert
mit verschiedenen Controllern und auf Bild des Gamepads spielbar

Kontra

Tastenbelegung weder wählbar noch frei einstellbar
überschaubare Finessen im Kursverlauf und viele Streckenführungen ähneln sich
keine Onlineranglisten
keine Beschreibungen der Teams oder andere Details lassen Zukunft steril erscheinen

Wertung

Wii_U

Fast Racing Neo ist nicht nur rasend schnell, sondern auch fordernd - ein klasse Arcade-Racer!

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