Project Zero: Priesterin des schwarzen Wassers05.10.2015, Jan Wöbbeking

Vorschau: Das Gamepad als Geister-Kamera

Endlich kommt Project Zero wieder in den Westen: Beim fünften Teil der Horror-Reihe mit dem Untertitel Maiden of Black Water hat Nintendo die Entwicklung unter seine Fittiche genommen, daher erscheint das Spiel exklusiv für Wii U. Im verwunschenen Selbstmord-Wald wird das Gamepad zur magischen Kamera, mit der die Geister bekämpft werden. In unserer Vorschau nehmen wir die Bewegungssteuerung und erste Gespenster ins Visier.

Lange Auszeit für westliche Fotografen

Neun Jahre ist es bereits her, seit Project Zero 3: The Tormented auf der PS2 für knisternde Spannung sorgte; Grasshoppers Wii-Ableger von 2008 mit dem Untertitel Mask of the Lunar Eclipse erschien dagegen nur in Japan. Zwischendurch gab es mit Spirit Camera: Das verfluchte Tagebuch auch einen 3DS-Ableger, doch die kurzen und misslungenen Augmented-Reality-Spielchen konnten die Faszination des Originals nicht einfangen. Kein Wunder also, dass Teil 5 von westlichen Fans heiß erwartet wird. Da die Geister nach wie vor mit einer übersinnlichen Camera Obscura bekämpft werden, greifen Tecmo und Co-Entwickler Nintendo zu einem naheliegenden Kniff: Wenn im finsteren Wald eine gequälte Seele auf mich zu wankt, drücke ich schnell den X-Knopf, hebe das Gamepad vor den Fernseher, und behandle seinen Bildschirm wie den Sucher einer Fotokamera. Ein Klick auf die Schultertaste im passenden Moment und der angreifende Geist taumelt zurück, während ich den altmodischen Geisterfilm nachladen kann.

Typisch japanisch: Die leicht bekleidete Yuri stakst mädchenhaft durch den Wald.
Die Attacke hat ein paar Splitter vom Untoten abgespalten, welche ihn nun jaulend umkreisen. Als sie gerade vor seinen Füßen vorbeischweben, wankt dahinter noch ein weiterer Geist herbei – also drehe ich das Gamepad schnell in die hochkante Portrait-Position und bekomme alle wichtigen Motive aufs Bild. Es blitzt, Schreie erklingen und eigentlich müsste ich die Widersacher jetzt aus ihrer Vorhölle befreit haben. In der Praxis klappt das leider nicht immer wie gedacht, weil sich die hektische Bewegungssteuerung auch mal  unerwartet wegdreht. Ab und zu kommt sie auch mit der übrigen Steuerung ins Gehege, doch dazu später mehr.

Im Frühtau zu Berge…und nie mehr zurück?

Vorher erkläre ich erst einmal, was mich überhaupt in die abgelegene Bergregion verschlagen hat. Die Geschichte dreht sich zunächst um Yuri, ein Mädchen mit übersinnlicher Begabung. Während ihrer Schicht stolpert eine ungewöhnliche Kundin ins traditionelle Café: Das verschüchterte Schulmädchen Fuyuhi vermisst seine Freundin. Die Verschollene hat sich offenbar auf eine Wanderung zum abgelegenen Hikami-Berg begeben, der für Selbstmord-Rituale und das mysteriöse Verschwinden zahlreicher Personen berüchtigt ist (und sogar ein reales Vorbild besitzt). Da Yuris Chefin und übersinnliche Mentorin gerade ebenfalls nicht auffindbar ist, fasst sie sich ein Herz und macht sich persönlich auf die Suche. Später schlüpfe ich auch in die Rolle zwei weiterer Protagonisten.

Nur auf dem Gamepad sieht man genau, was man anvisieren sollte.
Dank ihres Spürsinns besitzt Yuri eine Art übernatürlichen Navi, den ich per Druck auf LZ aktiviere. Kurz danach sehe ich das weiß leuchtende Nachbild der gesuchten Person. Obwohl sich die Waldwege am Fuße des Berges ein wenig weiter und offener verzweigen als in den linearen Vorgängern, war es zumindest in den ersten Spielstunden kein Problem, zu den passenden Orten zu gelangen. Begebe ich mich einmal zu weit in einen anderen Bereich, dreht sich Yuri sogar automatisch um und erklärt mir, dass sie erst einmal ihrer aktuellen Aufgabe nachgehen will. Auch im verfallenen Gasthof helfen die Kamera und Yuris Sinn fürs Aufspüren weiter – und zwar in Form eines Minispiels. Spürt die Protagonistin übernatürliche Energie, zücke ich den antiken Fotoapparat, visiere auf Knopfdruck an und drehe das Gamepad, bis der Piepston immer hektischer wird. Im passenden Winkel offenbart das Foto einen Hinweis darauf, wo sich der Schlüssel befinden könnte. In diesem Fall ist das anderswo in der abgebrannten und unter Geröll vergrabenen Gaststätte. Neben dem entsprechenden Regal ist als Hinweis ein kleines Püppchen zu sehen. Im späteren Spielverlauf kann es auch helfen, ein Foto zu schießen, das einem anderen aus dem Inventar ähnelt.

Offen aber storylastig

Allzu lange suchen musste ich bisher nie, da wichtige Gegenstände und  nützlicher Kleinkram im Dunkeln blinken. Ganz gefahrlos ist das Aufheben übrigens nicht: Je mehr Yuris Kleider mit dem verwunschenen Wasser des Berges durchtränkt wurden, desto eher lockt sie angriffslustige Geister an, die etwa am Rand eines Tümpels lauern. Dann kommt es auch mal mitten auf dem Weg zu einem Gefecht. Vor einem gruseligen Puppen-Schrein spukt z.B. ein Grüppchen von Kindern herum, die eigentlich nur Fangen spielen und eine Umarmung von mir wollen. Wie rührend – aber da sie mir Energie abziehen, muss ich ihre Seelen trotzdem auf meinen Film bannen. Wenn sie mich beim Herumtollen schnell umkreisen, werden die Probleme der Steuerung deutlich. Immer wieder reagiert das hektische Fokussieren per Gamepad-Bewegung nicht so wie erwartet, oder der Rest der Steuerung funkt dazwischen. Mit B kann ich z.B. ausweichen, andererseits lege ich mit der gleichen Taste aber auch die Kamera weg.

Verflixte Kiste!
Die Laufsteuerung wirkt ebenfalls ein wenig steif und träge. So ähnlich wie man es eben von alten japanischen Horror-Spielen gewöhnt ist, doch im Jahr 2015 könnten die Entwickler die Bewegungen ruhig ein wenig geschmeidiger umsetzen. Durch gut platzierte Schnappschüsse verdiene ich übrigens Punkte hinzu, die ich in effektivere Filme mit kurzer Nachladezeit oder Verbesserungen an der Kamera investieren kann. Besonders gut gelingen die Foto-Attacken, wen ich z.B. fünf herumschwirrende Schwachstellen gleichzeitig im Fokus habe – oder wenn ich erst kurz vorm Angriff des schrill kreischenden Gegners abdrücke.

Fiese Filmchen

Zum Schluss berühre ich idealerweise noch einmal die verfließende Seele, um ihre Geschichte zu erfahren. In wichtigen Story-Momenten gibt es richtig schön unbehagliche Zwischensequenzen zu sehen. Mal marschiert ein Grüppchen Selbstmörderinnen langsam und Händchen haltend in den Tümpel. Später hat der männliche Protagonist Ren fiese Alpträume, in denen er als Kind an tödlichen Ritualen teilnimmt – stilecht verzerrt durch jede Menge Bildfilter und Fiepstöne. Handelt es sich tatsächlich nur um Träume oder um eine verdrängte Erinnerung aus der Kindheit? Dieser Frage gehe ich in einem späteren Kapitel auf den Grund, denn auch Ren begibt sich zum mysteriösen Berg.

Hübsch gruselig: Grafisch gehört das Spiel zu den Highlights auf der Wii U.
Auch mitten im Spiel zaubern Tecmo und Nintendo richtig ansehnliche Szenen aus der Wii U. Von den etwas steifen Animationen abgesehen wirkt alles hübsch bedrohlich und auch technisch stark: Von Feinheiten in den altmodischen japanischen Häusern bis hin zu Details auf der Haut, die mal von feinen Schatten oder auch von eklig dickflüssigen Blutströmen bedeckt wird. Ich saß zwar bei weitem nicht so angespannt vorm Fernseher wie bei P.T., trotzdem herrscht eine ungute Atmosphäre. Die Geschichte wird vor allem durch eine Neugier nach morbiden Geschichten vorangetrieben, denn erst nach und nach erfahre ich immer mehr über die anfangs noch etwas gesichtslosen und klischeehaften Hauptfiguren. Vor allem die Hintergrundgeschichten über die Geister machen mich neugierig. Sie werden oft nur in Schriftform auf kleinen Kärtchen erzählt, verleihen der finsteren Region um den Selbstmord-Berg aber viel Persönlichkeit.

Kurzes Glück

Offenbar kam  es in der abergläubischen Region bereits vor langer Zeit kam zu grausamen Vorfällen, bei denen auch einige Priesterinnen eine wichtige Rolle spielten. Im Wandel der Moderne wurde die finstere Vorgeschichte verdrängt und er Ort zu einem Ausflugsziel für Touristen ausgebaut, doch ein fataler Erdrutsch beendete die nur kurz währende Blütezeit. Viele Gebäude und Straßen landeten unter Geröll und Matsch, so dass das schwer zugängliche Gebiet aufgegeben wurde und wieder zur Hochburg des Okkulten avancierte. In den letzten Jahren zog es zahlreiche Selbstmörder an. Die Hintergrundgeschichte um die Naturkatastrophe und abgeschnittene Wege macht die Abgeschiedenheit glaubwürdig. Bei einigen ehemaligen Bewohner kann man sich vorstellen, dass sie allein schon der plötzliche Ruin zum Äußersten getrieben hat – aber auch hier könnten die bösen Geister ihre Finger im Spiel gehabt haben.

Ausblick

Meine ersten Stunden in Project Zero: Maiden of Black Water haben einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen: Die Geschichte um den verfluchten Selbstmord-Berg hat sofort meine Neugier geweckt. Nach und nach erfahre ich immer mehr interessante Info-Fetzen über die Figuren, ihre Motivation und okkulte Rituale, die gruselig und technisch ansehnlich in Szene gesetzt wurden. Sogar die verstreuten Texte zu den Hintergründen des Ortes und den Schicksalen der herumspukenden Geister habe ich verschlungen. Mit den „Kämpfen“ per Kamera bin ich aber noch nicht wirklich warm geworden. Wenn ich von unberechenbaren Geistern umzingelt bin, wirkt die hektische Bewegungssteuerung des Gamepads einfach nicht verlässlich genug. Auch das Laufen und andere Aktionen fühlen sich etwas steif und altbacken an. Ich bin gespannt darauf, ob mit mehr Routine, neuen Objektiven und anderen Verbesserungen auf Dauer mehr Spielfluss aufkommt.

Einschätzung: befriedigend

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