Mafia25.04.2004, Paul Kautz
Mafia

Im Test:

Vor gut anderthalb Jahren brachte Illusion Softworks mit Mafia (ab 19,98€ bei kaufen) ein kleines Meisterwerk auf den PC: Die Geschichte vom Taxifahrer zum Killer war spannend erzählt, das Spiel zwar nicht perfekt, aber dennoch klasse. Und jetzt wird endlich auch auf der Xbox italienisch gesprochen: Hat sich das Warten gelohnt, oder hat der Zahn der Zeit doch einen zu starken Biss? Wir haben die Xbox-Version genau unter die Lupe genommen.

Im Namen der Familie

Die Story in aller Kürze: Thomas Angelo, genannt »Tommy«, ist einfacher Taxifahrer in Lost Heaven. Eines Tages rettet er durch Zufall und dank seines Fahrtalents den beiden Mafiosi Sam und Paulie das Leben. Deren Boss Don Salieri zeigt sich beeindruckt und erkenntlich, so dass Tommy kurz darauf in die »ehrenwerte Familie« integriert wird. Ab da bestimmen Schutzgelder, Auftragsmorde und Bandenkriege

Ein Freund, ein guter Freund: Gelegentlich mischt ihr die Gangster zusammen mit eurem Kumpel Paulie auf.
sein Leben, doch irgendwann erträgt Tommy das Ganze nicht mehr, und wendet sich in der Hoffnung auf ein friedliches Leben an die Polizei. Mafia spielt ihr als eine Ansammlung von Rückblenden aus Tommys ereignisreichem Leben.

Mafia präsentiert sich als lupenreines Actiongame mit jeder Menge heißem Blei. Ihr steuert Tommy aus der Schulterperspektive, liefert euch wilde Schießereien, löst gelegentlich klitzekleine Puzzles und habt ein Auge auf eure stets knappe Lebensenergie. Meist seid ihr auf euch selbst gestellt, gelegentlich werdet ihr allerdings von euren Kumpanen begleitet, die sich nicht immer sonderlich geschickt anstellen. Im Gegensatz zur PC-Version wollen euch jetzt weniger Gangster ans Leder, so dass sich die Kämpfe im Allgemeinen etwas leichter gestalten – doch dazu später mehr.

Mit Vollgas durch den Bleihagel

Einen sehr großen Teil des Spiels verbringt ihr nicht als Fußgänger, sondern als Fahrer. Euch steht ein riesiges Kontingent klassischer amerikanischer Schlitten zur Verfügung, vom durchrosteten Transporter zur schnittigen Filmstar-Edelkarosse. Wie in GTA 3 gehört euch grundsätzlich das, was euch gefällt – allerdings müsst ihr hier erst lernen, wie die Wagen zu knacken sind. Das bringen euch eure Kumpels Ralph und Lucas in regelmäßigen Abständen bei, außerdem kurven hauptsächlich die Wagen draußen herum, die ihr auch problemlos öffnen könnt. Natürlich müsst ihr beim Klauen immer ein Auge auf die Polizei haben, außerdem beharrt so mancher Fahrer auf sein Besitzrecht – ein kurzer Fausthieb besinnt ihn jedoch recht schnell. Das Klauen der Vehikel gestaltet sich einfacher als am PC, auch das Parken der Karren wird euch praktisch abgenommen.

Das Missionsdesign ist abwechslungsreich wie eh und je: Ihr müsst Schutzgelder eintreiben, bestimmte Personen ausschalten, Bomben legen, euch mit Informanten treffen oder eine junge Frau beschützen. Die Missionen sind im Vergleich zum PC-Mafia teilweise etwas verkürzt,

Lucas Bertone verschafft euch immer wieder neue Wagen.
allerdings nur in Sachen zeitfressender Fahrerei – unnötig lange Bummelpassagen wurden entfernt. Die berüchtigte Rennmission, bei der ihr in einer rasenden Zigarre auf einem Rennparcours den Sieg einfahren müsst, ist allerdings nach wie vor vorhanden, jedoch dank eines variablen Schwierigkeitsgrades lange nicht mehr so schwer wie einst.

Oje, oje..

Die Technik ist der größte Nachteil von Mafia: Die PC-Version, beim Erscheinen ein grafischer Meilenstein, hat mittlerweile einiges an Faszination verloren. Die Xbox-Variante stapelt leider noch um einiges tiefer, sieht sie doch wie die PC-Variante auf niedrigen Details aus. 

Die Texturen flimmern, der Asphalt ist eine verschwommene graue Masse, Figuren und Fahrzeuge sind sehr kantig, es gibt keinerlei Anti-Aliasing, schon auf kurze Distanz quillt euch ein hässlich blauer Nebel entgegen, aus dem Häuser aufploppen - und zu allem Überfluss ruckelt das Ganze immer wieder herzerweichend! Im Vergleich fehlen etliche Objekte wie Bäume oder Büsche, außerdem ist auf den Straßen weniger los. Das fällt besonders in den Zwischensequenzen auf, die, offensichtlich von der PC-Version abgefilmt, als Video abgespielt werden: Alle Objekte

Auf der Xbox muss Mafia optisch einige Federn lassen.
sind vorhanden, die Charaktere um einiges detaillierter und mit »echten« Schatten verziert – im Spiel werft ihr nur einen schwarzen Klecks auf den Boden. Insgesamt also eine Schande für die Xbox und kein Vergleich mit optimierten Perlen wie GTA Vice City oder True Crime – man fragt sich, wieso Illusion Softworks die Umsetzung selber in die Hand genommen hat, anstatt ein mit der Xbox erfahrenes Team ans Werk zu lassen.

Leider gibt es noch mehr an der Optik herumzumäkeln: Beispielsweise wurde das Mini-Radar, in dem ihr am PC alle Fahrzeuge als unterschiedlich gefärbte Linien sehen konntet, überarbeitet – jetzt scrollt in dem runden Fenster immer ein Teil der tatsächlichen Stadtkarte. Das ist zwar anfangs der Orientierung dienlich (ihr könnt auch jederzeit auf einer kompletten Karte eure Position nachschlagen), hat allerdings auch einen gewaltigen Nachteil: Andere Fahrzeuge (außer der Straßenbahn) werden nicht mehr eingeblendet! Das ist im Zusammenhang mit der Polizei fatal, da ihr die Gesetzeshüter nicht mehr schnell genug erkennt, und sie euch somit viel öfter beim Rasen erwischen – steht ihr unter Zeitdruck, nervt das schnell. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Kamera, die Tommy beim Zunahekommen zwar ausblendet, aber gerade im Innern von Gebäuden dauernd nachkorrigiert werden muss – im Kampf ist so was mehr als nur lästig. Zu schlechter Letzt wird einfach zu oft nachgeladen: Bei jedem Wechsel in einen anderen Stadtteil (also über eine der Hauptbrücken hinweg), werden Daten geschaufelt. Da ihr pro Mission teilweise mehrmals durch ganz Lost Heaven kurvt, bekommt ihr den Ladebalken sehr oft zu sehen.

Mehr Hobbies!

Die Xbox-Version bietet einige Features, die die PC-Mafiosi auch gern gehabt hätten: Neben den bereits erwähnten Vereinfachungen gibt es jetzt auch im Hauptmenü den Punkt »Rennen«, der euch die Möglichkeit gibt, ein Einzelrennen oder gleich eine ganze Meisterschaft zu fahren. Euch erwarten jede Menge Strecken (von denen ihr den größten Teil allerdings erst freispielen müsst) und Optionen wie Gegnerzahl und –auto, Schwierigkeitsgrad, einstellbare Schäden oder Rundenzahl.

Abwechslungsreiches Leveldesign: Ihr ballert euch u.a. durch ein vor Feinden wimmelndes Parkhaus.
Ihr könnt zuerst trainieren und bringt ein Qualifying hinter euch, bevor das eigentliche Rennen stattfindet – das geht nicht nur über die Lost Heaven Rennstrecke, sondern auch quer durch die Stadt. Weiterhin erwarten euch weniger Gegner, wohl um die schwierigere Kampfsteuerung auszugleichen. Allerdings gibt es gerade im Waffengemenge immer wieder Probleme mit der Kollisionsabfrage: Manchmal steht ihr direkt vor einem Feind, und trefft ihn einfach nicht, obwohl ihr euch per Knopfdruck auf ihn ausrichten könnt.

Akustisch hat sich dankbarerweise nichts verändert: Im Hauptmenü erwartet euch eine wunderbar schwermütige Komposition, im Spiel passende Ragtime- und Jazz-Stücke aus den 20er und 30er Jahren. Die deutsche Sprachausgabe ist hervorragend gelungen, die Figuren sind sehr passend besetzt – trotzdem wären optionale englische Stimmen schön gewesen. Leider gibt es auch keine einblendbaren Untertitel, was aber nur selten zum Problem wird.

 

Fazit

Ehrlich, als ich Xbox-Mafia die ersten zehn Minuten gespielt hatte, war ich geschockt: Die Umsetzung wird den technischen Fähigkeiten der Xbox nicht eine Sekunde gerecht, denn heruntergeschraubte Details, fehlende Objekte, hässlicher Distanznebel und sporadisches Ruckeln ist man von dieser Konsole einfach nicht gewohnt – zumal Spiele wie GTA:Vice City eindrucksvoll beweisen, wie eine kompetente Umsetzung auszusehen hat. Verdrängt man diesen Schock, ist Mafia auch hier ein faszinierendes Spiel, das hauptsächlich von der toll erzählten und großartig inszenierten Story lebt. Aber dennoch bleibt ein schaler Nachgeschmack der Verschlimmbesserung in vielen Bereichen: Das Ballern aus dem Auto klappt mehr schlecht als recht, Probleme mit der Kamera und der Kollisionsabfrage machen Nahkämpfe immer zum Glücksspiel. Mit dem Kauf macht ihr keinen wirklichen Fehler, aber er ist auch nur zähneknirschend zu empfehlen. Die PC-Version ist trotz des Alters in jeder Hinsicht besser (und mittlerweile zum Spottpreis zu bekommen), auf der Xbox gibt es viele Spiele-Alternativen.

Pro

viele sinnvolle Vereinfachungen
gute Wagensteuerung
klasse Story
spannende Missionen
tolle Zwischensequenzen
sehr filmische Atmosphäre
spaßige Zusatzmodi
sehr gute Lokalisierung

Kontra

technisch bestenfalls mäßig
sehr viele fehlende Details
immer wieder ruckelig
hässlicher Distanznebel
gewöhnungsbedürftige Fußgängersteuerung
keine einblendbaren Untertitel
gelegentliche Kameraprobleme
recht schwer
sterile Städte
verschlimmbessertes Radar
lange Ladezeiten
problematische Kollisionsabfrage

Wertung

XBox

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