Der Herr der Ringe: Die Gefährten12.01.2003, Jens Bischoff
Der Herr der Ringe: Die Gefährten

Im Test:

Fantasy-Fansaufgepasst: Auch wenn im Kino mit Die zwei Türme bereits der zweite Teil der Herr-der-Ringe-Trilogie gelaufen ist und von Electronic Arts schon mit einer entsprechenden Versoftung bedacht wurde, will Euch Vivendi Universal mit einer auf Tolkiens Romanen basierenden Adaption von Die Gefährten noch einmal an den Anfang der Saga zurückversetzen.

Neun Gefährten

Der dunkle Herrscher ist erwacht und die freien Völker schließen sich zur letzten Allianz zusammen. Doch nur wenn der eine Ring zerstört wird, kann Mittelerde gerettet werden. Und dieser eine Ring befindet sich im Besitz des kleinen Frodo, der eine gefahrvolle Reise antritt, um seine Welt vor dem Bösen zu retten. Da er allein jedoch chancenlos wäre, vertraut er auf acht illustre Gefährten unterschiedlichster Herkunft, die das Schicksal nach und nach vereint.

Drei Helden

Handlung und Schauplätze orientieren sich dabei grundsätzlich an Tolkiens Romanvorlage und führen Euch vom verträumten Auenland über die Wetterspitze und das Nebelgebirge bis hin zu den tosenden Fluten des Anduin. Ihr selbst dürft dabei abwechselnd in die Rolle von Hobbit Frodo, Waldläufer Aragorn und Zauberer Gandalf schlüpfen, um das jeweils nächste Wegziel zu erreichen - unfreiwillige Umwege und gefährliche Abkürzungen inklusive.__NEWCOL__Ein Weg

Der Spielverlauf steht aber genauso wie die Wahl der Spielfigur von vornherein fest und wird lediglich durch ein paar optionale Sidequests und Bonusabschnitte individuell aufgelockert. Meistens ziehen diese aber die Handlung nur künstlich in die Länge oder wirken aufgesetzt, während persönliche Erkundungen schnell von unsichtbaren Barrieren, unüberwindbaren Hindernissen und fast immer verschlossenen Türen gebremst werden.

Keine Freiheit

Überhaupt erscheint es, als bewegten sich Frodo und Co wie auf Schienen durch Mittelerde. Selbst Multiple-Choice-Entscheidungen haben absolut identische Folgen und Wegverzweigungen enden in Sackgassen oder führen wieder zueinander. Dennoch ist es den Designern gelungen, dass man in den linearen Spielabschnitten anfangs oft die Orientierung verliert bzw. gar nicht weiß, wo man eigentlich hin muss. An eine Übersichtskarte oder Ähnliches hat nämlich niemand gedacht.

Harmlose Aufgabenstellungen

Zumindest werden Eure Aufgaben in einem Quest-Logbuch eingetragen und bei Erledigung abgehakt. Allerdings sollte man sich auf diese Einträge nicht blind verlassen, denn nicht jeder erhaltene Auftrag wird auch vermerkt. Doch keine Angst, die Aufgaben sind weder besonders schwer zu merken noch zu lösen. In der Regel gilt es, irgendwelche Objekte aufzustöbern und sie dann irgendwo abzugeben oder einzusetzen. Leider ändert sich daran auch im weiteren Spielverlauf nicht viel - außer, dass immer öfter gekämpft und immer seltener etwas getan werden muss.

Rhythmische Fingergymnastik

Das wäre ja nicht weiter schlimm, wären die Kämpfe wenigstens irgendwie interessant oder abwechslungsreich. Dem ist aber leider nicht so: Im Nahkampf müsst Ihr lediglich abwechselnd blocken, zuschlagen, blocken und zuschlagen und aus der Ferne schießen, laufen, schießen, laufen und schießen. Ob Ihr dabei trefft oder nicht, hängt entweder vom Zufall oder den Launen der stümperhaften Kollisionsabfrage ab. Wen Ihr trefft entscheidet hingegen eine auf Knopfdruck aktivierbare automatische Zielerfassung oder ein aus der Egoansicht manuell steuerbares Fadenkreuz.__NEWCOL__Kampf der Monotonie

Die Egoperspektive ist bei Kämpfen allerdings eher ungeeignet, da sie sich nicht zoomen lässt und Ihr Euch währenddessen nicht bewegen könnt. Im Nahkampf sind hingegen durch primitives Tastenhämmern auch einfache Angriffs-Kombos und durch das Aufladen der Waffe auch fulminante Stoßattacken möglich. Beide führen aber ständig zu unliebsamen Gegentreffern, welche die eigenen Angriffe verpuffen lassen. Hin und wieder wendet man sie aber trotzdem an, um den monotonen Kämpfen wenigstens etwas Abwechslung und Spannung zu verleihen.

Der Einfluss des Bösen

Als Frodo dürft Ihr Euch aber auch unbemerkt an Gegnern vorbeischleichen oder Euch mit Hilfe des einen Rings unsichtbar sowie verborgene Levelabschnitte und Gegenstände sichtbar machen. Zu oft solltet Ihr den Ring allerdings nicht benutzen, da seine Kraft Frodos Charakter stetig verdirbt, was ihn am Ende sogar das Leben kosten kann. Auch das Plündern und Zerstören fremden Eigentums sowie das Attackieren friedlicher Kreaturen bringt Verderbnis über den kleinen Hobbit. Durch gute Taten wie das Erfüllen diverser Sidequests kann man dem Einfluss des Bösen aber auch entgegen wirken.

Individuelles Waffenarsenal

Im Kampf selbst setzt Frodo dann auf verschiedene Wurfgeschosse sowie Schlag- und Stichwaffen, während Aragorn seine Feinde mit Pfeil und Bogen oder dem Schwert bekämpft. Gandalf greift hingegen nur selten zu seinem Langschwert und vertraut lieber auf seine magischen Kräfte. Die Gegner sind aber ohnehin alles andere als clever und bringen einen höchstens in deutlicher Überzahl in Verlegenheit. Doch auch mit ein paar Gefährten im Schlepptau seid Ihr im Normalfall auf Euch allein gestellt, da diese meist passiv bleiben und dann nur als lebendige Barrieren von Nutzen sind.

Chaotisches Hickhack

Etwas nervig ist aber auf jeden Fall die unausgereifte Steuerung. Nicht nur, dass Ihr im Eifer des Gefechts dank unüberlegter Tastenbelegung immer wieder ungewollt die Waffe wechselt oder durch die automatische Neuanordnung aufgesammelter Items oft einen falschen Gegenstand einsetzt, auch beabsichtigte Waffen- bzw. Item-Wechsel bringen Euch immer wieder in die Bredouille. Während Ihr zum Beispiel nach Eurem Schwert oder einem passenden Heilmittel sucht, läuft das Kampfgeschehen nämlich munter weiter - was durchaus tödlich enden kann.__NEWCOL__Komfortables Speichersystem

Der allgemeine Schwierigkeitsgrad präsentiert sich dabei recht durchwachsen, dürfte Euch aber vor keine allzu großen Probleme stellen. Die zum Glück manuell nachjustierbare Kameraführung bereitet Euch mit den unmöglichsten Einstellungen schon eher Kopfzerbrechen. Da Ihr den Spielstand außer in Kämpfen aber jederzeit schnell und einfach sichern könnt, hält sich der Ärger über unliebsame Todesfälle jedoch in Grenzen.

Stimmungsvolle Präsentation

Technisch gibt es ebenfalls Licht und Schatten. Viele Locations sind wirklich beeindruckend, andere wirken wiederum ziemlich unspektakulär. Die meiste Zeit ist die Grafik aber detailverliebt und stimmungsvoll - vor allem in den Zwischensequenzen. Doch leider stehen dem optischen Glanz eine instabile Framerate, eklatante Clipping-Fehler und zum Teil endlos lange Ladezeiten gegenüber. Die akustische Präsentation offenbart da weit weniger Schwächen. Zwar hätten Sound-FX und Hintergrundmusik etwas üppiger sein können, aber im Allgemeinen macht die Dolby digitale Soundkulisse eine gute und die deutsche Lokalisierung samt Sprachausgabe sogar eine sehr gute Figur.

Fazit


Trotz liebevoller Präsentation und vorbildlicher Lokalisierung schlägt die anfangs durchaus positive Stimmung in Die Gefährten schnell in Ärger und Abneigung um. Dafür verantwortlich ist in erster Linie der lineare und monotone Spielverlauf, der Euch kaum Freiheiten lässt und die meiste Zeit zu öden Gewaltmärschen und Fließbandkämpfen verurteilt, während die eigentlich spannende Story unter unpassenden Aufsätzen und künstlichen Streckungen leidet. Durch die meist recht hübschen Levels bewegt Ihr Euch daher wie auf Schienen, begegnet Unmengen strohdummer Gegner, erfüllt unspektakuläre Aufgaben und geht während der Ladepausen gemütlich Kaffee trinken. Dass auch Steuerung, Kamera und Technik teils alles andere als ausgereift wirken, ist schon fast zweitrangig. Dank hochkarätiger Lizenz und Aufmachung sowie erst spät kompletten Heldentrios schlagen sich Tolkien-Fans zwar dennoch tapfer bis zu den Fluten des Anduin durch, aber der Spielspaß kocht dabei durchwegs auf Sparflamme.

Pro

<li>vorbildlich lokalisiert</li><li>originalgetreues Umfeld</li><li>praktische Zielautomatik</li><li>drei spielbare Charaktere</li><li>komfortables Speichersystem</li><li>stimmungsvolle Optik & Soundkulisse</li>

Kontra

<li>lächerliche KI</li><li>instabile Framerate</li><li>keine Kartenfunktion</li><li>miese Kollisionsabfrage</li><li>teils extrem lange Ladezeiten</li><li>linearer & langatmiger Spielverlauf</li><li>monotones Gameplay & Leveldesign</li><li>unausgereifte Steuerung & Kameraführung</li>

Wertung

XBox

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