Total Immersion Racing29.11.2002, Mathias Oertel
Total Immersion Racing

Im Test:

In den knapp neun Monaten Xbox-Dasein hat die Konsole bereits einen breit gefächerten Katalog an Rennspielen anzubieten. Formel 1, Rallye, Straßenrennen - fast alles ist dabei. Und eine der letzten Lücken soll mit Total Immersion Racing (ab 5,63€ bei kaufen) geschlossen werden, das sich vor allem mit einer ausgefeilten KI gegen die PS-Konkurrenz durchsetzen möchte. In unserem Test schauen wir, wie es um die gepriesene Intelligenz bestellt ist, und was das Spiel noch zu bieten hat.

Die vernachlässigte GT-Serie

Die einen schwören auf DTM, die anderen auf die Indy-Carts, andere wiederum sind Anhänger der GT-Serie, die allerdings seit EAs Sports Car GT spieletechnisch am Hungertuch nagte.

Razorworks hat sich dabei sichtlich bemüht, das Flair der Highspeed-Rennen einzufangen: Es gibt insgesamt 14 Fahrzeuge in drei Geschwindigkeitsklassen, die auf den zwölf nach realen Vorbildern modellierten Strecken auf Punkte-Jagd gehen.

Doch viele der Autos und Kurse müssen erst freigespielt werden, weswegen es sich anbietet, sich im Hauptmenü nicht für die Einzelrennen, sondern für die Herausforderungen oder die Karriere zu entscheiden.

Letztgenannte ist im Übrigen stark an die Variante angelehnt, die man aus V-Rally 3 kennt: Am Anfang der Karriere habt Ihr die Auswahl zwischen zwei Teams. Der weitere Verlauf ist vollkommen von Euren Leistungen abhängig. Schafft Ihr es, am Ende der Rennserie relativ weit vorne platziert zu sein, bekommt Ihr bessere Angebote (möglicherweise sogar in einer höheren Rennklasse). Liegt Ihr hingegen am unteren Ende des Feldes, müsst Ihr mit schlechteren Offerten vorlieb nehmen.

So kämpft Ihr Euch von Rennen zu Rennen, steigt schließlich auch auf und fahrt und fahrt und fahrt... Und trotzdem mag sich nicht so recht der Spielspaß einstellen.

Ich mach dich fertig

Die groß angekündigte KI ist daran nicht schuld, denn im Großen und Ganzen gelingt es Ihr, das Versprechen einzulösen. Die Fahrer verhalten sich ihrer Rennposition entsprechend immer anders, gehen auf Angriff oder lassen auch mal die Leine locker, wenn sie einen ausreichenden Vorsprung haben. Zudem halten sie auch nicht an einer sturen Ideallinie fest, sondern starten auch mal Überholvorgänge, wenn es ihr Fahrzeug zulassen sollte.

Ihr entsprechendes Aggressions-Potenzial könnt Ihr Euch auch wahlweise anzeigen lassen, so dass Ihr von vornherein wisst, ob Ihr bei einem Überholmanöver mit einer kleinen Attacke zu rechnen habt.

Doch auch Eure Fahrweise bleibt nicht ungesühnt: Solltet Ihr häufiger als nötig einen Gegner touchieren oder ihn gar von der Strecke drängen, erhöht sich seine Aggression gegen Euch, der im Ernstfall dazu führen kann, dass der Gegner Euch bis zum Ende jagt.

Dadurch bekommt man das Gefühl, es fast mit menschlichen Fahrern zu tun zu haben, was viele Spiele bereits vergeblich versucht haben.

Lass dir helfen

Auch das integrierte Fahrzeugtuning, das Euch ab dem zweiten Schwierigkeitsgrad zur Verfügung steht, ist nicht am Absinken der Motivation schuld. Denn zum einen lassen sich die Änderungen auf dem Asphalt deutlich nachvollziehen, zum anderen steht Euch mit einem Ingenieur eine hilfreiche Hand zur Seite, die den Wagen an Eure Fahrweise anpasst.

In den Trainingsrunden erkennt das Programm Eure Fahrweise und versucht, Euren Boliden so einzustellen, dass Ihr bestmögliche Zeiten erreichen könnt.

Natürlich könnt Ihr jederzeit die Entscheidungen des Ingenieurs übergehen und Eure eigenen Tuning-Vorstellungen einsetzen.

__NEWCOL__Lenkungs-Murks

Leider verblassen die gute KI und die vollkommen ausreichenden Tuning-Optionen neben der Fahrphysik und dem Lenkverhalten.

Egal ob mit ein- oder ausgeschalteter Traktionskontrolle und ABS, nie hat man das Gefühl, seinen Wagen völlig unter Kontrolle zu haben. Die Steuerung ist einfach nur schwammig und hinterlässt ein flaues Gefühl in der Magengegend, das durch nichts aufgefangen werden kann. Zwar gewöhnt man sich nach ein paar Runden an das eigenartige Lenkverhalten, doch es kommt nie so weit, dass man das Spiel genießen kann.

Die Spannung während der Rennen, die durch die KI-Duelle aufgebaut wird, ist zwar passabel, wird aber durch das völlige Fehlen eines Schadensmodelles zu Grunde gerichtet. Denn so fährt man im Zweifelsfall einfach mal auf Angriff, da man ja außer dem Hass des Gegners nichts zu fürchten hat.

Und fährt man z.B. frontal auf ein Streckenhindernis, hüpft der Wagen wie ein Gummiball nach hinten, so dass man unbeschadet die Fahrt wieder aufnehmen kann.

Insofern macht sich Total Immersion Racing selbst das Leben schwer, denn trotz insgesamt magerer Spielmodi-Auswahl kann das Spiel kurzzeitig Spaß machen - allerdings wirklich nur kurzzeitig.

Geschwindigkeit ist nicht alles

Die vermittelte Spielgeschwindigkeit, die von der Grafikengine produziert wird, ist zwar durchweg gut, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Grafik im Allgemeinen wenig spektakulär ist.

Auch wenn naturgemäß die Lackspiegelungen besser aussehen als beim PS2-Cousin und auch die Streckentexturen realistischer wirken als auf der Sony-Konsole, wird die Power der Xbox nicht mal annähernd angekratzt.

Sicher: auf von vornherein recht unauffälligen Rundkursen für Grafikpracht zu sorgen, ist ein schwieriges Unterfangen, doch die Leistung die Razorworks hier abliefert, liegt weit hinter dem zurück, was z.B. F1 2002 auf die Beine stellt.

Völlig unnötig auf der Xbox ist zum Beispiel das eigentümliche Bildflackern, das man von den PS2-Spielen der ersten Generation kennt. Auch die Pop-Ups, die am näheren Horizont

wahrzunehmen sind, müssen nicht sein. Denn die Fahrzeuge (auch wenn sich 18 gleichzeitig auf der Strecke tummeln) sind nicht so aufwändig, dass sich die Aufpopperei erklären ließe.

Doch es gibt noch andere Ungereimtheiten: Trotz Schatten hat man ständig das Gefühl, dass die Fahrzeuge allesamt ein paar Millimeter über der Straßenoberfläche schweben.

Kraftloses PS-Brummen

Wem die auch während der Rennen ständig im Hintergrund säuselnde Synthesizer-Musik nach einigen Runden verständlicherweise auf den Geist geht, der kann die zum Glück abstellen.

Das Problem ist nur, dass man die wenig überzeugenden Motorengeräusche wahrnimmt, die nur selten die Geschwindigkeit widerspiegeln und weit davon entfernt sind, es mit der Konkurrenz aufzunehmen.

Dafür kriegt man jedoch hin und wieder meistens passenden Boxenfunk zu hören, der einen versucht aufzumuntern und zum Überholen anzuregen.

Aber genau wie bei Gameplay und Grafik wird man einfach das Gefühl nicht los, dass die guten Ideen, die den Entwicklern vorschwebten, einfach nicht bis zum Ende ausgenutzt wurden.

Fazit


Im Ansatz ist Total Immersion Racing durchaus gelungen: Die KI kann das gegebene Versprechen fast ansatzlos einlösen und gibt einem wie nie zuvor das Gefühl, gegen fast lebensechte CPU-Fahrer anzutreten. Doch so sehr sich die Engine auch bemüht, ein gutes Geschwindigkeitsgefühl zu vermitteln, niemals wird man von TIR in den Bann gezogen. Denn das Umfeld ist einfach zu unspektakulär und geradezu durchschnittlich. Angefangen vom fehlenden Schadensmodell bis hin zur gewöhnungsbedürftigen Steuerung findet man kaum Ansatzpunkte, um Motivation zu gewinnen. Wer mit der Steuerung klar kommt, findet möglicherweise sogar Interesse an dem passablen Karriere-Modus, doch selbst auf der Xbox ist die Konkurrenz mittlerweile zu stark, als dass man nur mit einer klasse KI bestehen könnte.

Pro

<li>sehr gute KI</li><li>spürbare Tuning-Optionen</li><li>passables Geschwindigkeitsgefühl</li><li>14 lizenzierte Fahrzeuge</li><li>Original-Strecken</li>

Kontra

<li>kein Schadensmodell</li><li>gewöhnungsbedürftige Steuerung</li><li>unspektakuläre Grafik</li><li>fragwürdige Fahrphysik</li><li>schwache Motorengeräusche</li>

Wertung

XBox

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