ToeJam & Earl 302.04.2003, Mathias Oertel
ToeJam & Earl 3

Im Test:

Shinobi, Sonic, Panzer Dragoon: Auf allen Konsolen tauchen Next-Generation-Titel von Sega auf, deren Namen die Retro-Spieler noch aus guten alten Mega Drive- oder Saturn-Zeiten kennen. Mit ToeJam & Earl 3: Mission to Earth geben sich jetzt Xbox-exklusiv die abgefahrenen Kult-Funk-Aliens ein Stelldichein. Können die Funk Fu-Meister von der momentan grassierenden Retro-Welle profitieren, die mit Panzer Dragoon Orta einen vorläufigen Höhepunkt erfuhr? Oder hätten die beiden doch eher mit ihren Mega Drive-Erfolgen vorlieb nehmen sollen? Die Antworten auf diese und andere Fragen findet Ihr im Test.

Der Funk ist weg

Der Funkopotamus, seinen Freunden auch als Lamont bekannt, hat ein Problem: Seine zwölf heiligen Funk-Alben sind gestohlen worden und auf der ganzen Erde verstreut. Und nur ein Duo -genauer gesagt: Trio- kann dem eigenartigen Wesen helfen, das wie eine kleinwüchsige Mischung aus Gizmo und Sully aus der Monster AG aussieht: ToeJam & Earl, die neuerdings von der Alien-Lady Latisha Unterstützung bekommen.

Doch bevor das Außerirdischen-Trio mit Rhythmus im Blut das runde Dutzend Funk-Vinyl (vielleicht sollte man Lamont mal zuflüstern, dass es mittlerweile auch CDs gibt) wieder in den Fingern halten kann, warten gefährliche Aufgaben auf sie.

Funk-Fu und Notenbeschuss

So skurril wie die Geschichte präsentiert sich auch das Gameplay, das man am ehesten als Jump&Search&Funk bezeichnen könnte. Es gibt diverse Welten, die miteinander verbunden sind und in denen zahlreiche Türen mit dahinter liegenden Missionen darauf warten, von Euch wahlweise als ToeJam, Latisha oder Earl geöffnet zu werden.

Um die Türen zu öffnen, braucht Ihr...? Na klar: Schlüssel. Die wiederum sind in den zugänglichen Gebieten zu finden.

Selbstredend geht es in den Abschnitten nicht immer friedlich zu. Eine bestimmte Anzahl von Erdlingen wollen Euch genau so an den Kragen wie Wirbelstürme und andere Naturkatastrophen.

Zwar habt Ihr keine Möglichkeit, beispielsweise die angesprochenen Wirbelstürme aufzuhalten, doch was die unfunkigen Erdlinge betrifft, habt Ihr Euer Studium des Funk-Fu in der Hinterhand: Diese Funk-Welle konvertiert die Erdlinge in absolute Funkomanen, für die Ihr quasi der Messias seid und die Euch danach auch kein Haar mehr krümmen.

Doch selbst mit dem Funk-Fu gelangt Ihr schnell an Eure Grenzen, da die Gegner zunehmend immun darauf reagieren.

In diesem Fall müsst Ihr auf herumstreunende Noten zurückgreifen, die nach dem Einsammeln als Projektil-Bekehrer zur Verfügung stehen.

Klingt kompliziert, ist es aber nicht, da Euch mit jedem neuen Spielelement eine kleine Erklärung erwartet, die auf Sinn und Zweck des entsprechenden Features hinweist.

Das sind ja drei Geschenke auf einmal

Fans des zweiten Teiles werden die Geschenke, die in den Abschnitten warten, bekannt vorkommen. Diese Geschenke sind zusätzliche Gimmicks, die den drei Aliens das Überleben erleichtern sollen. Von Dummys, die Gegner ablenken über Flügel bis hin zu Sprungfedern reicht das breit gefächerte Repertoire, das einen angesichts der Vielzahl an Möglichkeiten nahezu erschlägt.

Das Problem ist nur, dass Ihr im Endeffekt nur durch Versuche herausbekommen könnt, welches Geschenk bei welchem Gegner am effektivsten ist, um ihn auszuschalten oder wenigstens so weit zu bringen, dass Ihr ihn gefahrlos mit den Noten beschießen könnt.

Mini-Games und Zufallswelten

Nicht hinter allen Türen wartet eine ausgewachsene Welt auf Euch. Hinter manchen Eingängen verbergen sich Mini-Spiele, die jedoch allesamt etwas unmotiviert und wie Stückwerk wirken.__NEWCOL__Allerdings muss man zugeben, dass einige dieser Events kurzfristig für Spaß sorgen können.

Um den Wiederspielwert zu erhöhen, werden die Abschnitte per Zufall generiert. Doch damit taucht ein großes Problem auf: Da die Entwickler damit rechnen mussten, dass jeder Spieler anders an die Bewältigung der gestellten Aufgaben herangeht, fehlt ein konsequentes Leveldesign, das den Gamer begleitet.

Stattdessen läuft das Spiel auf Dauer immer nach Schema F ab: Schlüssel finden, Gegner bekehren, hin und wieder eine Aufgabe erledigen, um ein Mini-Spiel freizuschalten und letzten Endes die zwölf Funk-Alben finden.

Abwechslung gibt es nur in Form der Gegner und sporadisch hinzu kommender Spielelemente, die wiederum mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch im nächsten Abschnitt auftauchen und damit quasi totgelaufen werden.

Daher nimmt der Spielspaß, der sich anfangs auf Grund des ungewöhnlichen Spieldesigns einstellt, sehr schnell eine Kehrtwendung und plätschert in die Durchschnittlichkeit ab. Da können auch die gute Karte, die Euch übersichtlich die bereits erforschten Abschnitte einer Welt inkl. wichtiger Locations präsentiert, und die sehr gut reagierende Steuerung nichts mehr ändern. Denn alles wirkt wie die Levelgestaltung einfach nur zufällig und damit fast schon irrelevant.

Jam-Session

Habt Ihr einen zweiten Mitspieler zur Hand, sieht die Sache schon etwas anders aus. Zwar schafft es ToeJam & Earl 3 auch hier nicht, sich zu einem Spielspaß-Überflieger zu entwickeln, doch kooperativ macht die religiöse Funk-Reise einfach mehr Laune.

Zudem haben sich die Entwickler ein nettes optisches Feature einfallen lassen: So lange die beiden Charaktere gleichzeitig auf den Bildschirm passen, habt Ihr ein Vollbild. Sollten sich die Funk-Helden jedoch zu weit voneinander entfernen, schaltet das Spiel in einen Splitscreen-Modus, um die Übersicht zu wahren und das aus Spielen wie Gauntlet bekannte "Komm hier rüber, ich komm nicht mehr weiter"-Gefühl zu minimieren.

Hassliebe mit feinen Texturen

ToeJam & Earl 3 bringt einen ganz eigenwilligen Grafikstil auf die Xbox, den man entweder liebt oder hasst. Denn die minimalistisch ausgestatteten Welten sind sicherlich nicht jedermanns Sache. Schaut man jedoch genau hin, bemerkt man in den thematisch deutlich unterschiedlichen Bereichen eine durchgehend hohe Texturqualität, die allerdings angesichts der nicht gerade üppig ausgestatteten Umgebungen weitestgehend untergeht.

Und so ansehnlich sowohl die drei Helden als auch die Gegner animiert sind, ist hier der Hang zum Minimalismus ebenfalls deutlich zu erkennen. Zudem gibt es bei den Feinden nicht gerade viel Auswahl, so dass sich die Funk-Meister auch hier keine großartigen Lorbeeren verdienen können.

Die Tatsache, dass sich das Spiel stets ruckelfrei präsentiert, wird ziemlich teuer erkauft: die Sichtweite ist weit davon entfernt, berauschend zu sein. Unter dem Strich eine stilistisch einwandfreie, technisch jedoch nicht immer gelungene Grafikkulisse, deren Schwächen aber auch dem Prinzip der zufallsgenerierten Welten zuzuschreiben sein dürfte. Die Ausnahme bilden hier die durchweg ansehnlichen Spezialeffekte, die jedoch im Spielverlauf nur selten eingesetzt werden und daher eher in die Kategorie "Unter-den-Tisch-gefallen" passen.

Gospel und Rap statt Funk

Für ein Spiel, das Euch auf die Jagd nach Funk-Alben schickt, gibt es außerordentlich wenig Musik dieser Gattung zu hören. Stattdessen gibt es einen Mix aus R&B und HipHop, der mit viel Gospel und Rap angereichert wurde. Was im Endeffekt einen höchst interessanten und eigenartigerweise auch funktionierenden Soundmix ergibt, der im Hintergrund vor sich hindudelt. Die Sprachausgabe ist sauber und unterstreicht den Groove-Charakter, den die drei Helden mit sich bringen. Die Soundeffekte sorgen allerdings mit schnell auftretenden Abnutzungserscheinungen dafür, dass der akustische Gesamteindruck sich als gerade mal über dem Durchschnitt einpendelt.

Fazit


Grafisch passabel mit einigen Highlights und soundtechnisch interessant will der Spielspaßfunk(e) beim dritten Abenteuer von ToeJam und Earl nicht so ganz überspringen. Während Steuerung und Kameraführung vorbildlich sind, wird der Spielverlauf auf Dauer sehr eintönig und frustrierend. Denn so sehr die zufallsgenerierten Abschnitte den Wiederspielwert auch erhöhen, so sehr unterstreichen sie auch, dass hier ein ausgefeiltes Level-Design fehlt, das Euch kreativ durchs Spiel begleitet. So läuft, hüpft und funkt man sich anfangs noch recht motiviert von Abschnitt zu Abschnitt, kämpft gegen immer schwerer werdende Gegner, sammelt Geschenke und verliert mehr und mehr die Lust, mit den Kult-Aliens die zwölf verlorenen Funk-Alben zu ergattern. ToeJam & Earl 3 ist ein deutlicher Beweis dafür, dass Kult nicht unbedingt mit spielerischer Qualität gleichzusetzen ist. Da helfen auch der nette Zwei-Spieler-Modus und die per Xbox Live zugänglichen Bonus-Inhalte nichts mehr.

Pro

<li>cooler Soundmix</li><li>abgefahrenes Grafikdesign </li><li>nette Animationen</li><li>gute Steuerung</li><li>grandiose Kameraführung</li><li>gelungener Zwei-Spieler-Modus</li><li>Bonus-Inhalte über Xbox Live</li>

Kontra

<li>durchwachsenes Spieldesign</li><li>Spielelemente wiederholen sich ständig</li><li>unmotivierende Mini-Games</li>

Wertung

XBox

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