Kameo: Elements of Power01.12.2005, Benjamin Schmädig
Kameo: Elements of Power

Im Test:

Die Geschichte einer Verwandlung: Ursprünglich wollte Rare das Abenteuer einer jungen Fee auf Xbox erzählen, sattelte dann aber auf den Nachfolger um und machte aus der Heldin eine Elfe. Lasst euch in eine Welt voller Magie entführen und erfahrt, ob dort tatsächlich ein Spielerlebnis der nächsten Generation auf euch wartet.

Formwandlerin

Blut ist dicker als Wasser? Denkste: In Kameos Verwandtschaft hängt der Familiensegen so richtig schief, denn Schwester Kalus hat Thorn, den Erzfeind ihres Vaters und Elfenkönigs, befreit und will mit Hilfe des Trolls die Herrschaft über das Land der Elfen an sich reißen. Da sie noch dazu den Rest ihrer Familie entführt hat, bleibt der

Kameo macht sich auf den Weg, zehn Elementarkrieger zu finden, vier Familienmitglieder zu befreien und Krieg gegen die Trolle zu führen.
kleinen Heldin nichts anderes übrig, als sich Hals über Kopf in den Befreiungskampf zu stürzen.

Zum Glück hat Kameo ein paar Tricks auf Lager, denn sie kann sich in zehn Elementarkrieger verwandeln. Mit jedem der Charaktere stehen euch nützliche Fähigkeiten zur Verfügung – drei davon lernt ihr gleich in den ersten Minuten ausführlich kennen: "General Schaden" kann sich z.B. zusammenrollen und kugelt über Angreifer hinweg, "Kampfkraut" ist der Muhammed Ali unter den Pflanzen und "Chilla" schießt mit Eisstacheln oder klettert an steilen Wänden empor.

Trollige Geschosse

Wenn ihr geschickt seid, könnt ihr die Fertigkeiten kombinieren und abgedrehte Spezialangriffe ausführen. Erledigt ihr damit viele Gegner am Stück, dürft ihr für kurze Zeit sogar in spektakulärer Zeitlupe unter den Unholden wüten. Die überzogene Comicaction ist trotz ihres putzigen Looks allerdings eher etwas für Erwachsene: Grünes Blut spritzt auf die Kamera und Chilla spießt mehrere Trolle auf seinem stacheligen Rücken auf. Von dort könnt ihr sie euch krallen und als Keule benutzen oder einfach in den nächsten Abgrund werfen.

Abwechslungsreiche Action also, die viel Spielraum zum Entdecken und Ausprobieren lässt? In der Tat. Aber Rare hat es mit den guten Vorsätzen übertrieben, denn obwohl ihr das Tutorial schnell meistert, erlebt ihr auch danach

Der Wechsel zwischen Tag und Nacht gehört zu den Höhepunkten der stimmungsvollen Kulisse.
nicht mehr als eine zähe Lektion in Sachen Elementarkrieger: Kameo verliert ihre Verwandlungsmöglichkeiten und muss die Charaktere erst suchen, bevor sie Bösewicht Thorn gegenübertreten darf.

Gebremstes Vergnügen

Pro Stunde erhaltet ihr somit einen neuen Krieger und müsst dessen Eigenarten erlernen – habt ihr das geschafft, findet ihr auch schon den nächsten. Ein flotter Ablauf kommt deshalb nie zustande, da jeder Abschnitt vom häufigen Lesen der Anleitung geprägt ist. Viele Level erfordern außerdem einen spezifischen Lösungsweg: Der wird zwar ausführlich erklärt, das ständige Aufrufen der Hilfetexte hemmt das Vorankommen jedoch spürbar.

Da blockieren z.B. Felsbrocken den Weg und ihr müsst mit Chillas Eisstacheln auf umher fliegende Drachen schießen. Diese lassen daraufhin explodierende Steine fallen, mit denen ihr das Hindernis aus dem Weg schafft. Klingt logisch? Ist es auch! Allerdings trefft ihr an dieser Stelle das erste Mal auf die Flugechsen und erfahrt ohne Hilfe nicht von deren praktischer Fracht. Würden die Rätsel auf vorangegangenen Situationen aufbauen, wäre das kein Problem. Die ständig frischen Herausforderungen und das häufige Schmökern im Omnikron sorgen hingegen dafür, dass ein flüssiger Ablauf kaum zustande kommt.         

So vehement der Spielfluss auch gestört wird, so einfallsreich präsentiert sich das Geschehen: Ihr verdient z.B. in zusätzlichen Aufgaben Elementarfrüchte, mit denen ihr euren Gestalten weitere Angriffe beibringt. Und auch

Immer wieder müsst ihr eure Verbündeten im Ödland bei ihrem Kampf gegen die Armee der Trolle unterstützen.
sonst strotzt jeder Meter nur so vor Ideen, die dem Fantasyreich Leben einhauchen: Rätsel bringen eure Synapsen zum Rauchen, die Dörfer der Elfen sind weitläufige Spielwiesen zum Experimentieren, große Gegner erfordern eine Änderung der Taktik und von kleinen Handgemengen geht es zu Massenschlachten, wie sie sonst nur Echtzeitstrategen kennen.

Großes Kino

Rare feuert eine Breitseite auf die Genrekonventionen und versteckt unter dem Mantel des niedlichen Jump & Runs ein Abenteuer, das die Dimensionen eines "Herr der Ringe" erreicht. Spätestens dann, wenn die Armee der Trolle vor dem Zentrum der Elfen aufläuft und die Kamera über hunderte von Soldaten fährt, pumpt Adrenalin durch die Venen.

Die Entwickler machen mehr als deutlich, was Microsoft mit der schier unbegrenzten Anzahl an Polygonen versprach: Sämtliche Szenen protzen mit Details und erwecken dank farbigem Licht, dynamischem Tag- und Nachtwechsel sowie plastischen Wänden eine märchenhaft schöne Welt. Besonders unter Wasser zieht euch die Umgebung in einen hypnotischen Strudel und lädt zum Träumen ein.

Ohrenschmaus

So ganz haben die Designer die Stärken der Konsole aber noch nicht im Griff, denn an vielen Stellen zeigt sich ein Flickwerk, dessen Glanzpunkte sich

Wie praktisch: Auf dem Rücken von Chilla stellen die Unholde keine Gefahr mehr dar.
nicht zu einem einheitlichen Bild zusammen fügen. Zu willkürlich grenzen eindrucksvolle Beete an flachen Rasen oder steinerne Wege, zu aufgesetzt wirken viele Lichtkegel mitten im Raum. Abgesehen davon finden sich allerdings keine Mängel: An der Kulisse von Kameo lässt sich deutlich erkennen, wie beeindruckend "Next Generation" sein kann.

Das Highlight ist aber weder das ideenreiche Spiel noch die optische Präsentation, sondern die orchestrale Begleitung aus der Feder von Steve Burke: Der Komponist entlockt dem Prager Philharmonieorchester mal spritzige, mal tragende, mal pompöse Melodien, die mich mit meinem persönlichen Soundtrack des Jahres in den Bann gezogen haben. Die CD befindet sich jedenfalls schon auf dem Weg zu mir nach Hause.    

Fazit

Was Rare auf den Bildschirm zaubert, sucht seinesgleichen: Kameo fesselt mit seiner wundervollen Kulisse, fantastischer Musik und einem riesigen Reservoir an Ideen. Die Verwandlungen der Elfe haben mich schlichtweg begeistert, das Ausprobieren der Elementarkrieger macht Laune, die Welt bietet viel Raum zum Experimentieren und ist im Rahmen der Geschichte glaubwürdig. Schade nur, dass die Entwickler die vielen Möglichkeiten in ein zu enges Korsett gesperrt haben, welches immer wieder Lösungswege fordert, die einer Erklärung bedürfen. Das hemmt den Spielfluss und verhindert das Überspringen dieses letzten Funkens, der dem Abenteuer einen Award gesichert hätte.

Pro

hervorragender Soundtrack
bildschöne Kulisse
zehn unterschiedliche Elementarkrieger
abwechslungsreicher Herausforderungen
epische Geschichte
spritzige, erwachsene Action
witzige Spezialangriffe

Kontra

ständig unterbrochener Spielfluss
Lösungen oft nur mit Hilfe erkennbar
teilweise überladene Optik

Wertung

360

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