V-Rally 315.04.2003, Mathias Oertel
V-Rally 3

Im Test:

Lange bevor Colin McRae 3 und WRC 2 Extreme sich auf der PS2 heiße Schlachten lieferten, buhlte mit V-Rally 3 im Sommer letzten Jahres trotz technischer Schwächen ein vielversprechender Genre-Vertreter um die Gunst der Fans. Auf der Xbox sieht sich das Rallye-Spektakel jedoch mit dem dritten Teil der McRae-Serie und Rallisport Challenge harter Konkurrenz gegenüber. Ob die Mankos der PS2-Fassung der Vergangenheit angehören und ob V-Rally 3 sich als Rallye-Alternative etablieren kann, erfahrt Ihr im Test.

Karriere ist alles

Bei allen bisherigen Genre-Vertretern -den guten alten Colin McRae bis Auflage 2.0 eingeschlossen- ging es nur um eines: die Konkurrenz Schlamm schlucken zu lassen und als Zeitschnellster die Ziellinie zu überqueren.

Und so ist V-Rally 3 neben Colin McRae 3 bis heute das einzige Spiel im Genre, das einen Karrieremodus bietet. Und das sogar ausgefeilter als bei dem Vorzeige-Raser aus dem Hause Codemasters. Denn anstatt sich nur auf ein Team zu konzentrieren, könnt Ihr hier abhängig vom fahrerischen Können und den Angeboten von Team zu Team wechseln.

Ihr startet als Anfänger und müsst erst einmal mit Probefahrten die Teams überzeugen, Euch unter Vertrag zu nehmen. Seid Ihr in der glücklichen Lage sein, aus mehreren Teams auswählen zu können, solltet Ihr die Verträge genauer unter die Lupe nehmen. Denn sowohl Vertragsdauer als auch das vom Team vorgegebene Minimalziel unterscheiden sich unter Umständen erheblich.

Habt Ihr schließlich das Teams Eures Vertrauens gefunden, geht es schon auf zur ersten Rallye - natürlich in der schwachen 1.6-Liter-Klasse, denn die Top-Teams fassen Euch nicht einmal mit der Kohlenzange an. Also müsst Ihr Euch durch fahrerische Leistungen Respekt verschaffen.__NEWCOL__Sollte Euch dieses Vorhaben gelingen, dauert es nicht lange, bis bessere Teams anklopfen, die einen Saison-Gesamtsieg möglich machen, der Euch dann die Tore zur 2.0-Liter-Serie öffnet.

Neben stärkeren und schwerer unter Kontrolle zu haltenden Fahrzeugen warten in der "großen" Meisterschaft auch noch zwei neue Länder auf Euch, welche die vier Rallye-Stützpunkte der "Mini"-Klasse ergänzen.

Und hier geht das Spielchen wieder von vorne los: Team suchen, Vertrag unterschreiben, Leistung abliefern, neues Team finden usw.

So löblich der Ansatz des Karriere-Modus auch ist, der einen auch zugegebenermaßen eine ganze Zeit bei der Stange hält - er wirkt irgendwie unausgereift.

So finden zum Beispiel keine Vertragsverhandlungen statt, in denen Ihr das Planziel eventuell beeinflussen könntet. Auch Zufalls-Elemente während der Saison, welche die Karriere spannender gestalten würden, sucht man vergeblich. Das könnten zum Beispiel unerwartete Finanzspritzen sein, die das Team erhält oder das Angebot eines anderen Teams, dessen Fahrer unerwartet ausgefallen ist usw.

Dadurch hätte der ganze Karriere-Modus noch einen zusätzlichen Kick bekommen und auch noch weiter von dem letzten Endes doch bekannten Rallye-Fahren abgelenkt.

Verdammt rutschig hier

Was die Spielbarkeit und Fahrverhalten betrifft, waren alle bisherigen V-Rally-Teile eher Arcade- denn Simulations-lastig, ohne jedoch den Bezug zur Realität zu verlieren. Bei Teil 3 jedoch setzt man mehr als je zuvor auf eine realistische Fahrphysik, behält aber auch noch die Arcade-Wurzeln bei.

Das Problem beim Fahren liegt trotz aller Spagat-Versuche einfach darin, dass die verschiedenen Untergründe alle recht ähnlich zu befahren sind. Auf Schnee geratet Ihr annähernd im gleichen Maße ins Schleudern wie auf einer Sandpiste oder einer schlammigen Straße. Dabei sollte man eigentlich erwarten, dass eine staubige Straße mehr Grip bietet als vereister Asphalt.

Zudem ist es in neunzig Prozent aller Fälle möglich, ohne Einsatz der Bremse die Etappen mit Bestzeit zu bewältigen.

Dadurch werden die generellen Setup-Möglichkeiten wie Reifenwahl, Bremsbalance usw. auch wieder relativiert. Es lassen sich zwar auf der Piste deutliche Änderungen im Fahrverhalten feststellen, doch Ihr werdet selten an den Punkt kommen, wo der Wagen unkontrollierbar wird - es sei denn, Ihr habt Euch im verschneiten Schweden für Asphalt-Pneus entschieden, die Euch deutlich häufiger aus der Bahn werfen als ihre Schnee-geeigneten Kollegen.

Trotz der recht eingeschränkten Möglichkeiten lohnt es sich aber, in den Serviceparks Euren Wagen auf die nächsten Etappen abzustimmen. Auf diese Weise lässt sich vielleicht noch die eine oder andere Sekunde herauszukitzeln.

Doch auch ohne Ideal-Setup lassen sich die Strecken gut bewältigen und beginnen auch, einen gewissen Spaß zu entwickeln. So lange man sich damit abfinden kann, dass sich der Wagen bei Sprüngen und vor allem bei ungewollten Kollisionen mit dem Fahrbahnrand zu vollkommen unrealistischen und zudem unberechenbaren Flugeinlagen entschließt.

Da hilft es auch nicht mehr, dass die Steuerung im Vergleich zur PS2 deutlich angenehmer reagiert.

Jenseits der Karriere

Wer abseits der Karriere ungezwungenen Rallye-Spaß erleben will, findet mit dem Zeitfahren und den sich im Schwierigkeitsgrad stetig steigenden Herausforderungen genügend Futter.

Und natürlich werden auch die Mehrspieler-Freunde unter Euch nicht vergessen. Bis zu vier menschliche Kontrahenten können gegeneinander antreten - leider nur nacheinander.

Das entspricht zwar dem realen Rallye-Geschehen, doch hätte ein Splitscreen-Modus für ein deutliches Ansteigen des Fun-Faktors sorgen können, wie das Beispiel Rallisport Challenge deutlich zeigt.

"Da ist was kaputt"

Wie es sich für ein Rallye-Spiel gehört, wurde ein vollständiges Schadensmodell eingebaut. Doch wie im ganzen Spiel finden sich auch hier kleine Ungereimtheiten. So haben Schäden zum Beispiel erst einen spürbaren Einfluss auf das Fahrverhalten, wenn der Wagen kurz vor dem Zusammenbruch ist. Selbst mit einem Plattfuß ein bis zwei Kilometer vor dem Ziel kann man das Fahrzeug mit entsprechendem Geschick noch ins rettende Ziel manövrieren und verliert dabei nicht mal all zu viel Zeit.

Auch fehlende Karosserieteile und damit verbundener Verlust von Aero-Dynamik werden weitestgehend kompensiert.

Das ist im Endeffekt verschenkte Liebesmüh, denn so nett die Schäden optisch auch anzuschauen sind, würde man sich doch wünschen, dass sie einen größeren Einfluß auf die Fahrweise hätten.

Selbst wenn man dem Spiel zu Gute halten muss, dass man so niemals die Chance verliert, um gute Platzierungen mitzufahren, wodurch die Motivation erhalten bleibt.

Darüber hinaus ist auch der "Rückhol-Service" in einigen Fällen mangelhaft umgesetzt. Zwar ist die Zone jenseits der Strecke, die man befahren kann, verschwenderisch groß geraten, doch in manchen Fällen kann es passieren, dass man nach einer doch zu groß angelegten Kehre außerhalb dieser Zone landet und wieder auf die Strecke "gebeamt" wird. Gleiches passiert bei einem spektakulären Unfall, wenn Ihr auf dem Dach liegend wie von Geisterhand unheimlich zeitsparend wieder auf die Strecke gesetzt werdet.

Schafft man es jedoch, sich an einer schwer zugänglichen Stelle festzusetzen, kann es passieren, dass Ihr nicht zurückgesetzt werdet, sondern die Rallye auf der Stelle beendet wird - höchst ärgerlich, wenn man gerade die Aussicht auf einen Podiumsplatz hatte.

Schön anzusehen

Ein Riesenkritikpunkt bei der PS2-Fassung war die Strecken-Grafik, die zwar farbenfroh und detailliert war, dafür aber mit Slowdowns und weiteren technischen Problemen zu kämpfen hatte.

Was geblieben ist, sind die lebendigen Farben und der hohe Detailgrad, der mit den unterschiedlich gestalteten Abschnitten und zahllosen Objekten am Streckenrand überzeugen kann. Und was die technischen Probleme betrifft: Fehlanzeige! Jederzeit flüssig und ohne nennenswerte Popups oder Tearing rast die Landschaft butterweich an Euch vorbei und vermittelt ein gutes Geschwindigkeitsgefühl.

__NEWCOL__Auch die Autos sind sehr gut gelungen, mit einem optisch schönen Schadenssystem versehen und fangen sich, nach entsprechender Fahrdauer auch einen deutlich sichtbaren Schmutzfilm ein.

Die diversen Kameraperspektiven (inklusive gut umgesetzter Cockpitsicht) machen ebenfalls einiges her und geben Euch immer die bestmögliche Übersicht.

Zu schade, dass die Entwickler bei der Verbesserung der fahrtechnischen Mankos nicht die gleiche Sorgfalt walten ließen, wie bei der grafischen Umsetzung.

"Links Zwei, über Kuppe"

Der Co-Pilot und seine Streckenansagen sind bei vielen Genre-Kollegen häufig ein Stein des Anstoßes. Hier gibt es generell wenig Punkt zur Klage: Meist zuverlässig stimmen die qualitativ hochwertigen Ansagen in einem Großteil der Fälle mit der tatsächlichen Streckenführung überein und warnen auch vor potenziellen Gefahrenpunkten.

Zudem kriegt Euer virtueller Beifahrer durch Aussagen wie "Scheiß Nebel!" noch einen Anflug von Menschlichkeit und sorgt so immer wieder für ein Schmunzeln.

Das vergeht einem jedoch, wenn man nach Zieleinfahrt und Rallye-Gewinn auf einmal "Wir sind nicht gut" zu hören bekommt.

Neben den Ansagen kriegt man während der Rennen gelegentlich noch Umgebungsgeräusche mit, die jedoch von den dröhnenden und überzeugenden Motorengeräuschen in den Hintergrund gedrückt werden.

Rundherum gelungen ist die Musik, die in den Menüs für eine unaufdringliche und nie in den "Nerv-Bereich" abrutschende Sounduntermalung sorgt.

Fazit


Im Kern ist V-Rally 3 gar nicht so uninteressant. Der Karrieremodus ist ausgereifter als bei Colin McRae 3, kratzt die sich anbietenden Möglichkeiten jedoch nur oberflächlich an. Auch die Grafik kann im Gegensatz zur unglücklichen PS2-Fassung mit lupenreiner Geschwindigkeit ohne technische Mängel punkten. Was das Fahrverhalten betrifft, bleibt der Spaß jedoch weitestgehend auf der Strecke: Die Steuerung reagiert zwar deutlich angenehmer als auf der PS2, doch dass man bei einem Rallyespiel fast ohne Einsatz der Bremsen die Kurse bewältigen kann, liegt sicherlich nicht im Sinne des Erfinders. Genau so wenig wie die immer noch vorhandenen Schwierigkeiten mit der Bodenhaftung. Daher macht sich V-Rally 3 angesichts der Konkurrenz wie Rallisport Challenge selber das Leben schwer. Denn wenn man die bereits in der PS2-Fassung aufgetretenen Schwächen ausgebügelt hätte, wäre mit der Arcade-Rally eine mehr als ernsthafte Alternative zu finden. So aber kann der Karriere-Modus nur mäßig über das nicht zufrieden stellende Fahrgefühl hinweg helfen. Für Hardcore-Fans sicherlich einen Blick wert, für Gelegenheitsspieler empfiehlt sich eher Rallisport Challenge.

Pro

<li>lizenzierte Fahrzeuge</li> <li>Strecken in sechs Ländern</li><li>farbenfrohe, detaillierte Grafik</li><li>gutes Geschwindigkeitsgefühl</li><li>gut in Szene gesetztes Schadensmodell</li><li>zumeist passender, guter Co-Pilot-Kommentar</li><li>passable Setup-Möglichkeiten</li>

Kontra

<li>Schäden mit wenig Auswirkungen</li><li>Karrieremodus unausgereift</li><li>kein Splitscreen im Multiplayer</li><li>unrealistisches Flugverhalten</li><li>Fahrphysik mit Mängeln</li>

Wertung

XBox

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.