Dead Man's Hand10.06.2004, Jens Bischoff
Dead Man's Hand

Im Test:

Das Shooter-Genre boomt zur Zeit gewaltig. Aber die meisten Entwickler beschränken sich bei der Szenarienwahl auf Kriegsschauplätze, Terroristenbastionen oder alienbevölkerte SciFi-Welten. Der Wilde Westen liegt dagegen eher brach. Das will Atari mit Dead Man‘s Hand für die Xbox nun ändern. Ob es sich aber auch wirklich lohnt, die virtuellen Colts mal wieder ordentlich rauchen zu lassen, verrät der Test!

Es war einmal in Amerika

Vor über hundert Jahren zog eine Bande Desperados, genannt "Die Neun", durch den Südwesten der Vereinigten Staaten und hinterließ eine Blutspur der Verwüstung. Auch der Mexikaner El Tejón war einer von ihnen. Als die Gräueltaten der anderen aber nicht einmal mehr vor wehrlosen Frauen und Kindern halt machten, beschloss er, seinen Gefährten den Rücken zu kehren - eine beinahe fatale Entscheidung. Doch Tejón hatte Glück und überlebte die bleihaltige Absage des Bandenführers um Haaresbreite.

Statisches Duell: Statt durch einen fulminanten Introfilm wird das Wild-West-Abenteuer nur durch eine Serie von Standbildern eingeleitet.

Knast statt Friedhof

Als er wieder zu sich kommt, erwacht er allerdings unbewaffnet und geschwächt in einem Gefängnis. Doch sein dortiger Aufenthalt sollte nicht von Dauer sein, denn schon nach kurzer Zeit wird der Knast von einer Gruppe Mexikaner, die ein paar inhaftierte Kameraden befreien wollen, gestürmt und auch Tejón gelingt im allgemeinen Chaos die Flucht. Jetzt will er nur noch eins: sich an seinen Peinigern rächen und erst wieder ruhen, wenn alle Mitglieder der "Neun" unter der Erde liegen.

Vorsicht Falle! - Im Wald solltet ihr eure Umgebung stets genau studieren.
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Blutiger Rachefeldzug

Mit diesem Ziel vor Augen ballert ihr euch in bewährter Egoshooter-Manier durch staubige Straßen, heruntergekommene Saloons, steinige Canyons oder stillgelegte Bergwerke und macht mit Revolver, Schrotflinte, Jagdgewehr, Messer und Sprengstoff alles kalt, was sich euch in die Quere stellt. In manchen der insgesamt zwei Dutzend Spielabschnitte seid ihr sogar auf einem Pferd, einer Lore oder einem Zug unterwegs, bedient stationäre Gatling-Guns und Kanonen oder lockt Gegner in tödliche Fallen.

Kleine Reiteinlage: In manchen Spielabschnitten dürft ihr auch zu Ross die Gegend unsicher machen.

Glück im Spiel?

Zudem dürft ihr vor jeder Mission am Pokertisch um zusätzliche Munitionsreserven spielen und pro Waffengattung euren Lieblings-Peacemaker wählen. Anfangs ist die Auswahl zwar noch sehr eingeschränkt, aber im Lauf des Spiels könnt ihr je drei Colts, Gewehre und Schrotflinten freispielen, die sich nicht nur in Reichweite, Durchschlagskraft und Munitionskapazität unterscheiden, sondern auch noch hilfreiche Sekundärfunktionen wie Zielfernrohr, Lähmgeschosse oder Schnellfeuer bieten.

Blaue Bohnen gegen Tomahwaks: Rothaut Flat Iron will euch an den Skalp.
      

Jeder Schuss ein Querschläger

Leider ist das an sich recht handliche Gameplay jedoch ziemlich träge und das Zielsystem geradezu dubios: Da verirren sich astreine Kopfschüsse irgendwo in der Pampa, während weit abseits stehende Gegner plötzlich tot umfallen. Lukrative Trickschüsse wie durchlöcherte Hüte, abgefangene Wurfwaffen oder Kombo-Kills werden somit zur reinen Glückssache. Eure Widersacher sind hingegen ziemlich zielsicher, aber meist viel zu blöd, daraus Kapital zu schlagen. So kommt es schon einmal vor, dass sie blind an euch vorbeilaufen, hinter Pulverfässern Deckung suchen oder sich mit einem Molotow-Cocktail selbst in die Luft jagen. Irgendwie mangelt es den KI-Routinen jedenfalls an Dynamik und man hat den Eindruck, dass fast sämtliche Gegneraktionen gescriptet sind.

Lass knattern! - An manchen Stellen könnt ihr fest montierte Geschütze wie diese Gatling-Gun verwenden.

Überzeugende Zerstörungsorgie

Ganz im Gegensatz zur eingebauten Physik-Engine, welche die meist recht kompakten, aber abwechslungsreich und stimmungsvoll gestalteten Schauplätze regelrecht zum Leben erweckt. Da fliegen Dosen und Kisten durch die Gegend, gehen Fenster und Tische zu Bruch, stürzen mit gezielten Schüssen ganze Balkone und Stollen ein oder lösen explodierende Pulverfässer verheerende Kettenreaktionen aus, was euch sowohl Punkte als auch Energie für die individuellen Sekundärfunktionen eurer Ballermänner beschert. Darüber hinaus sind eure Gegner mit einem Ragdoll-Model ausgestattet und liefern sich hin und wieder auch Schießereien mit verfeindeten CPU-Akteuren. Leider sind die Charaktermodelle, Lichteffekte und Texturen aber eher mäßig.

Angriff aus sicherer Distanz: Der Karabiner hat als Sekundärfunktion ein praktisches Zielfernrohr.
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Durchwachsene Soundkulisse

Viel ärgerlicher sind allerdings die exzessiven Ladezeiten, die instabile Framerate und auch die Soundkulisse präsentiert sich durchwachsen. Die Sound-FX sind zwar gelungen, aber räumlich kaum zu orten, die englische Sprachausgabe wirkt fast parodistisch und die deutschen Untertitel lassen teils ganze Sätze verschwinden. Die musikalische Untermalung ist hingegen über jeden Zweifel erhaben und bietet perfektes Spaghetti-Western-Flair. Zudem verdienen das hübsch aufgemachte Handbuch und der vor jeder Mission änderbare Schwierigkeitsgrad eine Erwähnung. Selbst kleine Minigames wie ein durch Melonenbeschuss freispielbarer Cowboy-Schießstand sind im Spiel versteckt.

Vier Asse! - Mit einem guten Poker-Blatt frischt ihr vor Missionsbeginn eure Munitionsreserven auf.

Ist da wer?

Der eigentliche Umfang der leider völlig linearen Einzelspielerkampagne ist jedoch recht kurz geraten und die Präsentation stellenweise geradezu spartanisch. So besteht das Intro nur aus einer Folge von Standbildern und nach dem eigenen und oft unersichtlichen Ableben bzw. Erfüllen des Missionsziels bricht das Spiel einfach abrupt ab. Die nur über Systemlink und Xbox Live zugänglichen Mehrspielermodi sind hingegen ganz unterhaltsam. Neben gewöhnlichen Death- und Team-Deathmatches für bis zu acht menschliche Revolverhelden gibt es auch einen Beutemodus, wo ein Spieler von den restlichen Teilnehmern gejagt wird sowie einen Truppenmodus, wo alle Spieler gemeinsam eine Stellung gegen KI-Angreifer verteidigen müssen. Schade nur, dass fast nie jemand online ist, noch keinerlei Content-Download zur Verfügung steht und es keine Splitscreen-Alternative gibt.

Wer sucht, der findet: Durch bestimmte Aktionen kann man Bonusspiele wie diesen Cowboy-Schießstand freispielen.
  

Fazit

So verlockend der Gedanke auch gewesen ist, mal wieder die schallgedämpfte Automatik gegen einen klassischen Colt oder das stufenlos zoombare Scharfschützengewehr gegen eine gute alte Winchester einzutauschen, so durchwachsen waren doch die Ausritte in Human Heads Wilden Westen. Dabei konnten Atmosphäre und Gameplay von Dead Man‘s Hand durchaus gefallen und auch die abwechslungsreichen Schauplätze und soliden Phsyik-Effekte waren nicht von schlechten Eltern. Doch die strohdummen Gegner und das vom Zufall bestimmte Zielsystem brachten schnell Ernüchterung. Hinzu kamen die stotteranfällige Unreal-Engine, der lineare Spielverlauf, die langen Ladezeiten und die alles andere als räumliche Soundkulisse - von der halbgaren Lokalisierung und teils mäßigen Präsentation ganz zu schweigen. Licht und Schatten gab‘s auch im Mehrspielermodus: Interessante Match-Varianten wurden durch gegen Null tendierende Userzahlen über Xbox Live und fehlenden Splitscreen-Support zu einsamen Duellen oder müden Bot-Shootouts. Wer einen unkomplizierten Western-Shooter sucht und genügend Gleichgesinnte kennt, kann mit Dead Man‘s Hand aber trotzdem seinen Spaß haben.

Pro

gute Physik-Engine
gelungenes Szenario
einfache Handhabung
variabler Schwierigkeitsgrad
stimmungsvoller Soundtrack
abwechslungsreiche Locations
hübsch aufgemachtes Handbuch
Unterstützung von Xbox Live & Sytemlink

Kontra

instabile Framerate
dämliche KI-Gegner
dubioses Zielsystem
halbgare Lokalisierung
keine Splitscreen-Modi
völlig linearer Spielverlauf
schwacher Surround-Sound
ungewöhnlich lange Ladezeiten

Wertung

XBox

Unkomplizierter Western-Shooter mit solider Physik-Engine, aber dubiosem Zielsystem.

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