Voodoo Vince21.10.2003, Jens Bischoff
Voodoo Vince

Im Test:

Freunde origineller Spielkonzepte können sich freuen, denn mit Voodoo Vince kehrt Microsoft jahrzehntelange Gameplay-Regeln einfach um und macht Opfer zu Helden, Schmerzen zur Wohltat und lebensgefährliche Fallen zu tödlichen Waffen: Statt Eure Haut zu retten, müsst Ihr Euch nun nämlich möglichst effektiv verstümmeln, um zu überleben. Klingt zunächst paradox, macht aber durchaus Sinn, denn Ihr seid kein gewöhnlicher Superheld, sondern eine unverwüstliche Voodoo-Puppe ohne jedes Schmerzempfinden. Mehr dazu im Testbericht!

Folgenschwerer Einbruch

Voodoo-Puppe Vince fristet eigentlich ein eher trostloses Dasein. Der mit Stecknadeln gepiercte Bursche sitzt Tag für Tag regungslos in einem der Regale von Madame Charmaines Voodoo-Laden und findet nur selten Verwendung. Als sich jedoch eines Nachts Einbrecher in den Laden schleichen, um etwas Zombiepulver zu stehlen, ändert sich sein Leben schlagartig. Nicht nur, dass er durch die Berührung mit dem gefährlichen Pulver plötzlich zum Leben erweckt wird, auch die Welt um ihn herum beginnt sich langsam zu verändern. Und wäre das nicht schon genug, wird auch noch die Ladenbesitzerin von den Einbrechern gekidnappt.

Die letzte Rettung

Hinter dem ganzen Chaos steckt natürlich Methode und zwar die des unergründlichen Kosmo, der, wie es sich für einen Oberschurken gehört, nach Weltherrschaft trachtet. Da Vince allerdings stets nur dritte Wahl unter den Voodoo-Puppen war, ist er viel zu dämlich, um diese Pläne zu durchschauen oder gar eigenhändig zu durchkreuzen. Zum Glück steht er jedoch in telepathischem Kontakt zu seiner entführten Meisterin, die ihn versucht zu sich zu geleiten, um den Spuk zu beenden und die Welt zu retten. Der Weg zu ihr ist allerdings voller Gefahren und Kosmos Schergen sind auf ausgestopfte Weltenretter und drittklassige Helden alles andere als gut zu sprechen.__NEWCOL__Quer durch New Orleans

Sein Abenteuer führt Vince in über 30 Spielabschnitten quer durch New Orleans und Umgebung. Vom französischen Viertel geht es über den örtlichen Friedhof und ein unterirdisches Labor, durch neblige Sumpfgebiete und ein verlassenes Anwesen bis hin zum Karneval DePrave. Die in schlichtem Cartoon-Look präsentierten Locations basieren dabei vorwiegend auf realen Schauplätzen und sind teilweise sehr liebevoll ausgearbeitet und mit vielen kleinen Details versehen. Vince ist jedoch nicht zum Sightseeing hier, sondern um verloren gegangenes Zombiepulver, Seiten aus Madame Charmaines Zauberbuch, mächtige Totenköpfe und lebensnotwendiges Mojo zu sammeln.

Schlagfertiges Kerlchen

Auch wenn man es ihm nicht ansieht, aber selbst im Nahkampf kann sich Vince behaupten. Mit Fausthieben, Rotationsattacken und Kopfsprüngen prügelt er Fröschen, Maulwürfen, Gürteltieren, Alligatoren, Kobolden und anderen Kreaturen Zombiepulver und Mojo aus den Rippen, um seine Lebensenergie und Voodoo-Kraft damit aufzufüllen. Da es die Entwickler mit der Durchschlagskraft von Vinces Hieben, Tritten und Kopfstößen aber äußerst gut gemeint haben, ist der Einsatz verheerender Voodoo-Zauber in der Regel gar nicht nötig, was angesichts der ganzen Voodoo-Thematik geradezu absurd erscheint.

Wie du mir, so ich dir

Dabei sind die mehr als 25 freispielbaren und urkomisch inszenierten Voodoo-Kräfte absolut sehenswert und sollten eigentlich im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Stattdessen führen sie ein eher belangloses Schattendasein, werden bei jeder Anwendung willkürlich ausgewählt und sind bei den abwechslungsreichen Boss-Kämpfen sogar ganz gesperrt. Dadurch verkommt der Titel trotz origineller Voodoo-Thematik zu einem gewöhnlichen Jump`n´Run mit relativ monotonem und vor allem unausgewogenem Kampfsystem. Schade, denn wenn sich Vince eine Überdosis Abführmittel verabreicht, sich unter den Rasenmäher legt, ein Säurebad nimmt, in eine Bärenfalle tappt, in einen Küchenmixer springt oder von Killerbienen verfolgt wird, ist das schon wirklich abgefahren. Die Darstellung ist allerdings weit weniger makaber als es klingen mag und absolut jugendfrei (USK: ab 6 Jahren).

Sterben will gelernt sein

Doch auch ohne Voodoo-Magie findet Vince immer wieder Möglichkeiten sich selbst zu verstümmeln und damit seine Gegner zu eliminieren. So kann er sich vom Blitz treffen oder von herabfallenden Gegenständen zerquetschen lassen, als lebendige Fackel herumlaufen sowie in Häcksler oder Fallgruben springen. Nur Wasser, bodenlose Abgründe und gegnerische Angriffe gilt es zu vermeiden, denn sonst verliert Ihr Energie oder im schlimmsten Fall gar ein Leben. Und habt Ihr Euer letztes ausgehaucht, muss man den aktuellen Spielabschnitt umständlich über das Hauptmenü von vorn beginnen. Aufgrund einiger übertrieben schwerer und äußerst unfairer Passagen, wo Euch Kamera oder Leveldesign einen Streich spielen, bleibt Ihr auch vor Frust nicht verschont.__NEWCOL__Zu unausgewogen

Haarig gestalten sich hierbei vor allem die eingestreuten Geschicklichkeitstests und Minispiele wie der Todesflug in einem hochexplosiven Propellerflugzeug durch einen Bergwerksstollen oder der Rodeo-Ritt auf einer wilden Ratte während eines Bosskampfes. Ansonsten ist die Steuerung angenehm handlich und der Schwierigkeitsgrad sogar eher harmlos. Auch wenn man manchmal gar nicht weiß, was man eigentlich tun muss, um weiterzukommen. Auch, dass es keine deutsche Sprachausgabe gibt, ist angesichts der vorwiegend kindlichen Zielgruppe unverständlich. Schade, denn bei der Originalvertonung hat man sich durchaus Mühe gegeben und auch die übrige Soundkulisse kann sich dank netter Effekte, atmosphärischer Melodien und digitalem Raumklang hören lassen.

Film ab!

Grafisch ist Voodoo Vince ordentlich und glänzt vor allem durch das skurrile Gegner- und Charakter-Design sowie die witzigen Animationen und Zwischensequenzen. Die Levels sind oft sehr detailliert, die Texturen in der Regel gestochen scharf, die Lichteffekte trotz einiger merkwürdiger Schattenwürfe sehr ansehnlich und das Scrolling absolut ruckelfrei. Auf Wunsch lässt sich die Grafik-Engine sogar mit 60Hz takten und die Kamera manuell nachjustieren. Hin und wieder erweist sich Letztere jedoch als etwas störrisch und unflexibel, was an unübersichtlichen Stellen verhängnisvolle Folgen haben kann. Zur Not gibt`s jedoch noch eine hilfreiche Ego-Perspektive, die später sogar eine Art Röntgenblick parat hält, um auch das letzte Zombiepulver-Fläschchen aufzuspüren. Eine Belohnung gibt es dafür jedoch nicht und auch der Wiederspielwert ist angesichts fehlender Extras eher gering.

Fazit


Schade, aber leider bleibt Voodoo Vince die erhofften Gameplay-Innovationen nahezu gänzlich schuldig. Hinter der originellen Fassade steckt nämlich nichts weiter als ein traditionelles Jump`n´Run ohne gravierende Mängel, aber auch ohne nennenswerte Höhepunkte. Zudem wirkt der ganze Voodoo-Zauber oft künstlich aufgesetzt und ist in den meisten Fällen überhaupt nicht nötig, um weiterzukommen. Die Kämpfe gestalten sich somit auf Dauer einfach zu monoton und werden auch durch noch so skurrile Gegner und noch so witzige Animationen nicht wirklich attraktiver. Die Aufgaben bzw. Rätsel reichen währenddessen von banal bis völlig unklar und der Schwierigkeitsgrad schwankt zwischen kinderleicht und unfair. Doch trotz zahlreicher Unausgewogenheiten sind Präsentation und Handhabung weitestgehend solide und man wird durch eingestreute Minispiele, amüsante Story-Sequenzen und taktische Bosskämpfe angemessen unterhalten. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass gerade spielerisch einfach weit mehr drin gewesen wäre.

Pro

<li>60Hz-Modus</li><li>skurrile Gegner</li><li>originelles Setting</li><li>witzige Animationen</li><li>handliche Steuerung</li><li>solide Cartoon-Optik</li><li>auflockernde Minispiele</li><li>humorvolle Präsentation</li>

Kontra

<li>unfaire Stellen</li><li>monotone Kämpfe</li><li>teils bockige Kamera</li><li>geringer Wiederspielwert</li><li>keine deutsche Sprachausgabe</li><li>umständliches Continue-System</li><li>unausgewogener Schwierigkeitsgrad</li><li>keine wirklichen Gameplay-Innovationen</li>

Wertung

XBox

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