Splinter Cell: Chaos Theory31.03.2005, Jörg Luibl
Splinter Cell: Chaos Theory

Im Test:

Wer lautlos, elegant und tödlich in den Schatten reisen will, kann dieses Jahr exklusive Domizile buchen: Mit Metal Gear Solid 3 in den russischen Dschungel, mit Aurora Watching in die Arktis und ab Mai mit Stolen in eine fiktive Metropole. Aber wie wäre es mit einem Asientrip inklusive Nord- und Südkorea sowie einem Abstecher nach Japan? Dazu optische Brillanz und politische Brisanz all inclusive? Das gibt`s nur in Splinter Cell: Chaos Theory (ab 2,40€ bei GP_logo_black_rgb kaufen).

McUbisoft

Hunger? Bitteschön: Splinter Cell: Chaos Theory (SC:CT) ist wie ein Kingsize-Burger mit extra Käse. Es sieht so lecker aus, dass einem das Wasser im Mund zusammenläuft. Es ist so vollgestopft mit Appetitanregern, dass man nach dem ersten Bissen nicht mehr aufhören kann. Es ist so amerikanisch, dass man es auf den Festplatten des Pentagon installieren könnte. Nach knapp zwölf Stunden Spielzeit habe ich mich entspannt zurückgelehnt: Auftrag erledigt, Welt gerettet.

Shader 3.0:

Besitzer leistungsfähiger nVidia-Grafikkarten wie der GeForce 6800 können in den Optionen auch die Shader 3.0-Technik aktivieren, die eine detaillierte Simulation der Lichteffekte ermöglicht. ATI-Besitzer können aufatmen: Die Unterschiede sind minimal.Wie hat`s geschmeckt? Vielleicht erst ein Wort zum Auge, das ja bekanntlich mitisst: Grandios. Sam Fisher schleicht wie ein schwarzer Panther durch beklemmend realistische Flure, Büros und Kasernen. Körper fallen, Gegenstände wackeln physikalisch korrekt. Er klettert, kämpft und tötet so elegant, dass man sich bei all dem anmutigen Tanz zwischen den Schatten eine Zeitlupe wünscht: Er schwingt sich über Geländer, wartet auf die Patrouille, sieht ihren Stiefel, wuchtet sich hoch und wirft die Wache kopfüber ins Meer - klasse!

Egal ob auf einem sturmumtosten Frachter oder in einem japanischen Herrenhaus, egal ob auf PC oder Konsole: Das Zusammenspiel von Licht, Farben, Geräuschen und Architektur sorgt für eine hervorragende Kulisse, die selbst ohne Action reizvoll wäre. Lampen flackern, Dampf wabert, Wolken ziehen über blutroten Himmel. LAllerdings hat die Grafikpracht auf GameCube und PS2, wo es auch zu Rucklern und bösem Kantenflimmern kommt, ihren Preis: Neben längeren Ladezeiten wurde das Leveldesign nicht nur umgestellt, sondern auch um einige alternative Routen gekürzt. Hat man auf PC und Xbox z.B. gleich zu Beginn die Wahl, über eine Brücke oder durch eine Höhle zu huschen, gibt es diese Möglichkeit auf Nintendos und Sonys Konsole erst gar nicht; man kann weniger experimentieren. Unverständlich ist auf allen Plattformen, dass Ubisoft in den Briefings starre Porträts der Berater präsentiert - das wirkt angesichts der sonstigen Pracht fast wie ein Stilbruch. Auch die vielen gleichen Gesichter der Wachen könnte man bemängeln. Vielleicht auch noch kleine Übersetzungsfehler: Warum macht man bitte aus "Stealth" das deutsche "Ducken" bei der Waffenwahl? Aber ein bisschen Schwund gab`s ja bekanntlich auch bei Half-Life 2 . Wichtig ist nur, dass SC:CT in der Liga der außergewöhnlichen Prachthirsche mitmischt.

Tom Clancy in Reinkultur

Schnelle Attacke: Sam ist jetzt auch im Nahkampf tödlich. (PC)
Shader 3.0-Effekte hin, technische Brillanz her: Wie sieht es unter der Oberfläche aus? Die Spannung wird von einer Erzählung geschürt, die mit einem möglichen Weltkrieg im Jahr 2007 spielt. Also schickt die US-Abteilung NSA Spezialagent Sam Fisher ins intrigante Rennen, das ihn von Südamerika bis nach Asien führt. Schiffe, Militärbasen, Banken infiltrieren. Daten sammeln, Antworten finden, Feinde eliminieren. Natürlich ist das Tom Clancy in Reinkultur: Die Story lebt von der Schurkenstaaten-Ideologie und dem amerikanischen Selbstverständnis als Weltpolizei.

Das mag für die einen ein realistisches Agentenszenario, für die anderen bloß transatlantische Propaganda sein. Aber für die Beurteilung der Qualität ist die Ideologie schnurzpiepegal. Es geht nur um Glaubwürdigkeit, Spannungsbogen, Überraschungen. Und dieses Trio kann zwar nicht begeistern, aber überzeugen. Das Szenario wirkt authentisch, der Plot nachvollziehbar. Allerdings fehlt der abrupt wechselnden Jagd nach Personen, die mit Morgenholt anfängt und über Lacerda, Zherkhezi, Dvorak und Shetland führt, manchmal der Zusammenhang. Wer angesichts des Namenwirrwarrs die Übersicht über die Indizien verliert, kann jedoch in den Notizen nachlesen.

Trotzdem hat Ubisoft im Vergleich zu den mageren Storys der Vorgängern dazugelernt: Es werden nicht nur über News und Briefings geschickt aktuelle politische Tendenzen eingeflochten, auch die Dialoge bieten mehr Substanz. Und die auf den ersten Blick weltanschauliche Einbahnstraße schlittert gegen Ende hin plötzlich in so unerwartete Kurven, dass selbst gewitzten Verschwörungstheoretikern schwindelig würde. Die könnten im Finale übrigens einen kleinen Seitenhieb Richtung Konkurrenz wittern…      

Held und Höhepunkte

Aber wir wollen nicht spoilern. Und schon gar nicht unterstellen. Die Story macht satt - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Wie sieht`s mit Sam Fisher aus? Kann er an Charakter gewinnen? Immerhin spielt er den routinierten Altagenten mit grauen

Das gibt Ärger: Wer getötete Wachen nicht an sichere Orte schleppt, muss mit Verfolgern rechnen.  (PC)
Strähnen und kerniger Nicolas Cage-Stimme, der mit der jungen Grimsdottir so manchen Seniorenwitz austauscht - die deutschen Sprecher sind übrigens durch die Bank gut gewählt. Er wirkt zwar reifer, lässt an einigen Stellen sogar herrlichen Sarkasmus aufblitzen, aber er bleibt als Persönlichkeit blass. Man erfährt nichts über seine Vergangenheit, seine Stimmung, sein Verhältnis zu den Vorgesetzten. Er bleibt ein Befehlsempfänger, der nur ab und zu Kommentare abgibt. Das ist zwar auch bei Snake so, aber er regt zum Nachdenken an. Trotzdem: Sam fehlt es vielleicht an Profil, an Ecken und Kanten, aber er ist kein Reinfall als Held.

Die Dramaturgie wird vor allem von der Gefahr des Weltkriegs bestimmt. Sam muss quasi in letzter Sekunde die Katastrophe verhindern - das sorgt gerade zum Finale hin für eine erhöhte Herzschlagfrequenz. Aber man vermisst in der Mitte des Abenteuers die Höhepunkte. Hier Kabel abklemmen, da Telefone suchen, dort Gespräche belauschen. Das ist alles aufgrund der knisternden Kulisse spannend, aber weder neu noch packend. Natürlich erwartet man keine überzeichneten Bosskämpfe, denn das würde nicht zum authentischen Stil der Reihe passen. Aber es gibt eine Szene, in der Sam gegen die Zeit Bomben entschärfen muss, während ein Schurke seine Aktionen kommentiert.

Das erinnerte positiv an die Bosskämpfe in Snakes Welt und hatte gleich angenehme Nebenwirkungen: Der Puls schlug höher, die Mausfinger ratterten. Das hat nicht nur umgehend für Nervenkitzel gesorgt, sondern auch den Charakter des Gegners zementiert sowie Emotionen ins Spiel gebracht. Man wollte den Mistkerl endlich in die Finger kriegen! Vielleicht sollte man dieses Mittel in Splinter Cell 4 öfter einsetzen? Die Antagonisten eher einsetzen? In Sachen Dramaturgie und Inszenierung ist Metal Gear Solid 3 einfach besser. Hideo Kojima versteht es meisterhaft, seinen Helden in ein dramatisches Beziehungsgeflecht zu verstricken, Antihelden aufzubauen - mit dieser filmreifen Komponente kann SC:CT nicht dienen.

Stealth-Action deluxe

Aber dafür haben die Entwickler von Ubisoft ihre japanischen Konkurrenten längst auf anderer Strecke überholt: im Spiel. Das klingt vielleicht banal, trifft aber den Kern. Mit Sam Fisher seid ihr wesentlich näher dran am Zauber der Stealth-Action als mit Snake. Der Dschungelkrieger krankte noch am Trio Steuerung, Balance und teilweise auch KI. Vor allem mit den ersten beiden hat Sam keine Probleme. Die Animationen sind genau so hervorragend anzuschauen wie die Bewegungen umzusetzen sind: Bei all den Möglichkeiten im Nah- und Fernkampf, im Schleichen und Klettern serviert Ubisoft eine punktgenaue, einwandfreie Bedienung - egal ob auf dem PC, PS2, GC oder der Xbox. Selbst kompliziert aussehende Würfe und Griffe lassen sich mit einem Druck ausführen. Lediglich das Nutzen des Dietrichs kann auf Konsolen etwas schwammiger sein.

Neu, aber sehr stimmungsvoll ist die verzerrte Perspektive. Ihr könnt jetzt neben der Nacht- und Wätmebildsicht auch elektrische Quellen orten.
Allerdings gibt es kein spielbares Tutorial und es kann passieren, dass Einsteiger nach der Betrachtung der knackigen Trainingsvideos nicht alles Finessen kennen: Dass man z.B. die ALT-Taste zum Wechsel des Schrot- bzw. Sniper-Aufsatzes benötigt und aus der Entfernung hacken kann, wird hier nicht explizit genug erklärt. Da hilft nur ein Blick ins Handbuch. Und im Training der GameCube- und PS2-Fassung hätte man die kooperativen Übungen klarer anweisen können. Auch das etwas umständliche Kombinieren von Z-Taste und Digikreuz wirkt sich etwas nachteilig gegenüber der komfortableren PC- und Xbox-Steuerung aus.

Trotzdem ist man der schleichenden Konkurrenz aus dem Hause Konami, Tecmo & Co eine ganze Klasse voraus. Ich hatte weder Kamera- noch Bewegungsprobleme und konnte so ganz im Schatten aufgehen, Sam in jeder Sekunde voll kontrollieren. Der Alltag des Infiltrierens wird hier dichter, packender und komfortabler präsentiert. Das liegt nicht nur daran, dass die Steuerung besser ist, sondern auch daran, dass Ubisoft das Handwerkszeug des Agenten kreativer und offener gestaltet.

Mal abgesehen davon, dass sich das Sturmgewehr mit Gas-, Präzisions-, Schrot-, Kamera-, Strom- und Knockout-Geschossen ausrüsten lässt, kann Sam nicht nur Lampen ausschießen, Kerzen auspusten, geraffte Vorhänge aufwickeln, um in Deckung abzutauchen, sondern auch Tuch aufschneiden, um sich von hinten in Zelte zu mogeln. Neu ist auch der Störsender der Pistole: Damit könnt ihr ohne lärmenden Schuss Lichtquellen und Kameras kurzzeitig deaktivieren, um schnell bewachte Bereiche zu durchqueren. Wer seine Umgebung genau beobachtet, hat viele Möglichkeiten, um an Alarmquellen und Laserfallen vorbei zu kommen. Manchmal ist es sogar möglich, gesicherte Areale mit einer Wache im Schwitzkasten zu durchqueren, da ihre Uniform mit einem Sicherheits-Sensor bestückt ist - eine coole Idee. 

                 

Codes knacken, PCs hacken

Neben der Nacht- und Wärmesicht gibt es eine neue verzerrte Perspektive, die Elektrostrahlung in grellen Flecken zeigt. Wenn man so einen Computer oder ein Code-Schloss erkennt, kann man auf die EEV-Sicht umschalten, mit der man aus der Entfernung PCs benutzen bzw. hacken kann. Und hier kommt neben dem bekannten Dietrichsystem für Türschlösser ein neues Zahlencodespielchen für elektronische Sicherungen hinzu: Ihr müsst gegen die Zeit aus über einem Dutzend möglicher Varianten die richtige finden, während euch kurz passende Teile serviert werden. Das ist etwas kniffliger als Ersteres, aber sorgt für mehr Spannung. Wer den falschen Code eingibt, löst einen Alarm aus...

Dunkel, oder? Aber ideal für eine hinterhältige Attacke. (PC)
Viel wichtiger als der technische Schnickschnack ist die neue Offenheit - sowohl in Sachen Leveldesign als auch Methode. Im Vergleich zu Pandora Tomorrow gibt es weniger Trial&Error-Sackgassen, mehr alternative Routen und vor allem größere Abschnitte: Zahlreiche Schächte, Leitern und unterirdische Gänge sorgen gerade auf PC und Xbox für ein großes Netz an Möglichkeiten; PS2 und GC zeigen sich hier leider linearer. Nur in der Stadt Seoul und in Außenarealen zeigen alle Plattformen eine beklemmende Enge, die gerade auf dem Rechner im Zeitalter von Half-Life 2 wie ein Korsett anmutet. Dafür muss man innen oft die Karte zu Rate ziehen. Die bietet zwar einen Zoom und zeigt vorbildlich die nächsten Ziele, aber ist seltsam unübersichtlich: Man erkennt weder die eigene Position im Raum noch auf Anhieb die Himmelsrichtung; erst ein Kartendreh lässt den Kompass sprechen. Gerade in mehrstöckigen Gebäuden verbringt man etwas zu viel Zeit mit der Orientierung - immerhin spielt das Ganze im Jahr 2007; GPS dürfte da kein Problem sein.

Messer & Spagat

Sams Charakter mag zu selten aufblitzen, aber dafür glänzt er endlich auch als Nahkämpfer: Ihr könnt Gegner mit Faust, Fuß oder Messer attackieren. Die rechte oder linke Maustaste sowie eure Position entscheiden, ob ihr eine knackige Rechte, einen Tritt in die Weichteile oder zwanzig Zentimeter Stahl wuchtig in den Körper oder filigran an der Halsschlagader ansetzt. Es kommt zwar nicht zum Handgemenge oder Schlagabtausch, denn ein Treffer entscheidet über Bewusstlosigkeit oder Tod. Aber dieser martialische Zusatz verstärkt das Mittendringefühl und ermöglicht im Ernstfall eine schnelle Flucht ohne lärmende Schusswechsel. Und hier gibt`s endlich auch ein Bonbon für PS2- und GC-Fans: Nur auf diesen Konsolen zeigt Sam besondere Stealth-Kills im Wasser.

Manchmal hilft aber auch das gekonnte Lauern: Etwas Lärm machen, dann schnell in einen Flur und aufwärts. Die Spagatposition ist kinderleicht umzusetzen: Einfach in einem engen Raum die Shift- Taste drücken, und schon setzt Sam zum eleganten Klettersprung an, der ihn zwischen zwei Wänden in der Höhe verharren lässt. Von dort könnt ihr entweder mit der Waffe feuern oder euch zum Knockout fallen lassen. Und von oben gibt`s ein weiteres akrobatisches Highlight: Wenn ihr wie eine Spinne an Rohren hängt, könnt ihr nicht nur schießen, sondern euren Oberkörper kopfabwärts nach unten fallen lassen, um Opfer entweder auszuknocken oder ihnen nach einem kurzen Ruck das Genick zu brechen.

Allerdings sind nicht nur Bewegungen hinzugekommen, sondern auch weggefallen: Man kann sich nicht mehr an Wände schmiegen und gleichzeitig zielen. Diese Schussmethode sorgte in den früheren Spielen vor allem an Kanten für optimale Deckung. Trotzdem kann man sich gut positionieren: Jetzt müsst ihr euch erst von der Wand lösen und dürft dann entweder über den linken oder den rechten Arm Ziele anvisieren; so kann man sich z.B. optimal an Sicherheitskameras herantasten.

Am Abgrund warten, dann zugreifen: Sam kann Wachen über Geländer reißen. (Xbox)
Türen öffnen für Profis

Auch vor Türen hat Sam jetzt mehr Möglichkeiten: Er kann sie schnell oder langsam öffnen, mit dem Messer aufbrechen, vorher mit seinem Optikkabel durchschauen oder gleich mit voller Wucht hineinstürmen, so dass dahinter positionierte Gegner mit einem lauten Donnern KO gehen. Das ist zwar unheimlich effektiv, aber dieses Geräusch alarmiert vielleicht herumstromernde Wachen, die sofort alles inspizieren.

Die KI achtet gut auf Unregelmäßigkeiten: Nicht nur Körper werden entdeckt, sondern auch hochgefahrene PCs, deaktivierte Lichtschalter, zerschossene Lampen und gehackte Schlösser. Wenn man irgendwo im Schatten lauert, kann man beobachten, dass die Wachen gezielt Verstärkung holen, sich zu zweit abdecken und dabei über Verdächtiges plaudern. Seltsam ist nur, wie oft sie sich dabei als Memmen outen: Beim ersten Mal mag es ja noch witzig sein, wenn sich Wachen im Dunkeln fürchten, aber später nutzt sich diese Schmunzeleinlage ab - immerhin hat man es mit schwer bewaffneten Söldnern zu tun, nicht mit blassen Teenagern. Sie mögen ab und zu zittern, aber dafür sind die Wachen umsichtig: Sie bewegen sich nicht einfach ins Dunkel, sondern benutzen Lichtschalter oder zücken Leuchtfackeln, die sie zur Erhellung in Gänge werfen.

             

Künstliche Intelligenz: Stärken

Gegenüber den früheren Teilen hat Ubisoft kräftig an der Intelligenz geschraubt und toppt selbst das in Sachen Figurenverhalten teilweise hervorragende Thief: Deadly Shadows . Es gibt zwar eklatante Schwächen, die eine Lobeshymne verwehren, aber ihr dürft euch auf einige Leckerbissen gefasst machen. Vor allem das neue Akustiksystem, das die Geräusche des Spielers immer im Verhältnis zu denen der Umwelt auswertet, ist eine sinnvolle Ergänzung: Wenn ihr durch einen tosenden Maschinenraum stromert, könnt ihr ohne Bedenken mit dem Sturmgewehr ballern, denn alle Geräusche werden geschluckt. Dieser Pegel wird genau so angezeigt, wie der Grad eurer Sichtbarkeit.

Auch auf einem Boot tanzt Sam elegant durch die Schatten. (Xbox)
Auch sonst macht die KI beim Alarm eine klasse Figur: Erstens sucht sie euch meist im Team, dringt gezielt mit gezückter Taschenlampe in Ecken vor und schießt sogar, wenn sie verdächtige Geräusche hört in die entsprechende Richtung. Zweitens nutzt sie beim Schusswechsel gezielt Deckungen aus und verschanzt sich, um dann schnell zu feuern. Und drittens zielt sie verdammt gut. Schon auf dem normalen Schwierigkeitsgrad sorgt manchmal ein Schusswechsel für euren Tod; gegen mehrere Wachen habt ihr in einer plumpen Frontalattacke keine Chance. Das ist ein großer Pluspunkt für die Spielbalance und die Atmosphäre, denn so hat man immer die Gewissheit im Nacken, dass man bei der nächsten Konfrontation sterben kann. Und im Gegensatz zu Metal Gear Solid 3 kann man nicht einfach eine ganze alarmierte Einheit im frontalen Nahkampf aufmischen, wenn diese euch ins Visier genommen haben. Nur mit dem Überraschungsmoment auf seiner Seite kann Sam aus der Dunkelheit heraus auch mehrmals das Messer zucken lassen.

Künstliche Intelligenz: Schwächen

Aber es gibt einige Inkonsequenzen, die trotz aller Verbesserungen ernüchtern, letztlich einen Tick Spannung rauben und das Spiel für schleichende Veteranen zu leicht machen. Fangen wir mit kleinen Fehlern an: Oftmals haben Wachen nicht auf meine geworfenen Gegenstände reagiert, obwohl ich sie sogar an nahe Wände geworfen haben. Außerdem gab es vor allem im WC-Bereich immer wieder Klospülgeräusche oder sogar ganze Dialoge, obwohl weit und breit keine Figur zu sehen war: Man verharrt extra in einem Schacht, wartet darauf, dass die zwei Schergen fertig werden und keiner kommt raus. Schwerer wiegt, dass Wachen, die sich noch eben unterhalten haben, nicht darauf reagieren, wenn ihr Gesprächspartner plötzlich weg ist - schon in Metal Gear Solid 2 hat es sofort Alarm gegeben. Hier kann ich problemlos erst einen, dann den anderen ausknocken.

Schade ist zudem, dass sitzende Feinde in einem Raum kaum Notiz davon nehmen, ob ihr eine Tür frech sofort oder Zentimeter für Zentimeter öffnet - sie drehen sich nicht um, nehmen Eindringlinge selten wahr. Warum soll man das cool anzuschauende, aber zeitaufwändige Öffnen dann überhaupt nutzen? Man kann sich auch ohne diese lautlose Mühe fast immer in Räume schleichen und Wachen bequem von hinten attackieren bzw. aus ihren Stühlen reißen. Das wäre ja alles noch zu verschmerzen. Aber in Kombination mit dem unrealistischen Verhören kostet das SC:CT in der Kampagne den Platin-Award. Hier ein Beispiel:

In einem Raum sitzen zwei Wachen vor Computern. Sie sind knapp zwei Meter auseinander. Ich kann die gläserne Schiebetür öffnen, ohne dass sie es bemerken. Dann kann ich einen von ihnen von hinten packen, aus dem Sitz hieven und verhören, während der andere seelenruhig weiter arbeitet. Selbst wenn das Opfer bei dieser Attacke seine Waffe verliert, wird das ignoriert. Scheinbar hat Ubisoft bewusst darauf verzichtet, Verhöre als Geräuschquelle zu kennzeichnen, denn auch später kann man Soldaten problemlos im Dunkeln verhören, während ihre Kameraden mit Kalashnikov einen Zentimeter an eurer Nase vorbei patrouillieren. Warum ist die KI in der Kampagne so taub, während sie im kooperativen Modus sogar vorbildlich auf den Sprach-Chat reagiert? Nimmt man die hundert Schatten und Versteckmöglichkeiten hinzu, kommt man insgesamt etwas zu schnell vorwärts.

Ihr könnt euch an Wände schmiegen und um Ecken schauen, um euch zu orientieren. (Xbox)
Offene Level, offener Weg

Aber dafür habt ihr nicht nur die Wahl, welchen Weg ihr zum Ziel einschlagt, sondern könnt auch entscheiden, ob ihr möglichst unauffällig oder brachial ballernd zu Werke geht. Das liegt daran, dass es kein nerviges Game Over nach dreifachem Alarm gibt. Zwar habt ihr in einigen Missionen striktes Tötungsverbot und solltet plumpes Vorgehen vermeiden, aber ihr könnt euch im Ernstfall auch oft den Weg freischießen. Allerdings wird man dann einige interessante Gespräche, Hinweise auf Nebenaufträge und damit schöne Storyelemente verpassen. SC:CT bietet aufmerksamen Spielern einige alternative Situationen: Ihr könnt z.B. ein Flugzeug zum Abschuss markieren, ohne vorher die beiden verletzten Piloten zu retten. Oder ihr ignoriert den Zeitdruck und rettet die Kameraden. Je nachdem, was ihr tut, wird Sam bzw. euer Vorgesetzter danach eine andere Reaktion zeigen. Aber diese Offenheit bezieht sich nur auf kleine Aktionen, nicht auf die entscheidenden.

Am Ende jeder Mission abgerechnet: Es wird akribisch genau aufgelistet, wie viele Leichen entdeckt wurden, wie oft ihr einen Alarm ausgelöst habt, ob ihr ausgeknockt oder getötet habt und ob ihr nicht nur die Haupt-, sondern auch die Neben- und Optional-Aufträge gelöst habt. All das fließt in die Prozentwertung hinein, die von einer 1% für Rambos bis zu einer 100% für Schleichmeister reichen kann. Wer Zivilisten tötet verliert Punkte, wer unentdeckt bleibt gewinnt welche. Das Problem ist nur: Diese Bewertung hat keine verwertbaren Auswirkungen. Es gibt weder neue Waffen, mehr Ausrüstung noch Filme oder Zusatzlevel freizuspielen. Das ist schade, denn so sinkt die Motivation, einen Level nach dem Abspann noch ein paar Punkte besser zu meistern. Der Wiederspielwert ergibt sich alleine aus dem Multiplayermodus. Aber der hat es dermaßen in sich, dass er uns den Platin-Award locker aus dem Ärmel kitzelt.

           

Kooperatives Adrenalingeschoss

Wer nach zehn Missionen erstklassiger Stealth-Action immer noch nicht satt geworden ist, und keine Lust auf einen anderen

Zwei Sams, eine Meinung: Wir müssen rein! Der kooperative Modus bietet Spannung pur.
der drei Schwierigkeitsgrade hat, darf gleich delikaten Nachtisch bestellen: Das Mehrspielermenü lockt nicht nur mit der bekannten Söldner-Spion-Jagd, sondern bietet erstmals auch kooperative Abenteuer über LAN und Internet. Der GameCube und die PS2 bleiben hier zwar offline, aber dafür kann man den kooperativen Modus auf allen Konsolen auch im Splitscreen angehen. Das Spielerlebnis der Kampagne wird hier noch mal überboten. Man kann diese zwar nicht komplett nachspielen, aber nach dem Tutorial gibt`s vier neue storybasierte Aufträge, die man zusammen mit einem Freund lösen darf.

In einem kurzen Training werden zunächst die zusätzlichen Bewegungen wie Räuberleiter, Abseilen, Weitsprung, Schulterstand & Co geübt. Die fügen gegenüber dem Einzelspielermodus noch mal einen ganzen Batzen herrlich anzusehender Akrobatik hinzu: Schließlich könnt ihr euren Partner mit der olympiareifen "Tome Nage"-Aktion in ein lebendes Geschoss verwandeln, über einen Abgrund werfen oder sogar eine Wache ausknocken.

Höher gelegene Bereiche lassen sich über gemeinsame Turneinlagen erklimmen: Während der eine am Abgrund hängt, klettert der andere über seinen Rücken hoch. Hinzu kommt, dass ihr den angeschossenen Partner zwei Mal pro Level per Spritze wieder beleben könnt, dass sich der Sichtbereich des optischen Kabels komfortabel von beiden nutzen lässt und dass man Objekte übergeben kann. Kurzum: Das Teamerlebnis ist enorm intensiv, denn man muss sich gegenseitig decken, Aktionen gezielt koordinieren und für Feuerschutz sorgen. Am besten läuft die Action im Duett natürlich, wenn beide ein Headset verwenden. Und hier gibt es einen weiteren Vorteil gegenüber dem Einzelspielermodus: Eure Gespräche werden von den sensiblen Wachen bemerkt! Also heißt es: flüstern.

Söldner gegen Spione

Abseilen im Team: Einer hält und steuert nach links bzw. rechts, der andere klettert hoch.
Außerdem können bis auf GameCube-Agenten alle über LAN oder Internet zu viert die altbekannte Katz-und- Mausjagd zwischen Spionen und Söldnern spielen. Der Versus-Modus macht dieses Jahr noch mehr Spaß, weil die Karten größer und abwechslungsreicher sind und immer mehrere Wege zum Sieg führen. Entweder geht es für Spione darum, geschickt in Gebäude einzudringen, Festplatten zu rauben, PCs zu hacken oder Bomben zu legen. Oder für Agenten darum, Objekte zu schützen und Bomben zu entschärfen. Hinzu kommt das Deathmatch, in dem es einfach um Leben und Tod geht.

Den besonderen Reiz gewinnt dieser Modus dank der Verschiedenheit der Parteien: Die Söldner setzen auf Feuerkraft, Splittergranaten und Minen, sind schwer gerüstet und werden aus der Ego-Sicht gesteuert - allerdings können sie nicht klettern. Die Spione besitzen zwar nur eine Elektroschocker-Pistole sowie Rauch- und Blendgranaten, aber können ihre Gegner über schattige Akrobatik im Nahkampf besiegen, wenn sie sich durch Schächte zwängen oder Rohre als Klettergerüst nutzen. Um dabei die Übersicht nicht zu verlieren, steuert ihr sie aus der Schulterperspektive. Außerdem haben sie mehr Hightech bei sich, wie Restlichtverstärker, Wärmebild-Sichtgerät und den neuen Ganzkörper-Tarnanzug, der sie fast unsichtbar macht.    

Fazit

Kampf, Akrobatik, Spannung - als nach zwölf Stunden der Abspann lief, war die Welt gerettet. Ich habe gezittert und geschossen, bin geschlichen und geklettert. Und das alles bei perfekter Steuerung, in traumhafter Umgebung, begleitet von einer guten Story. Die kann zwar weder Sam Fisher noch anderen Charakteren echtes Profil geben und setzt für meinen Geschmack zu wenig dramatische Höhepunkte, aber sie wird glaubwürdig erzählt. Selbst als bekennender Solid Snake-Fan kann ich Sam Fisher und Ubisoft nur gratulieren. Vor allem der elegante Einsatz des Messers, der listige Störsender sowie das offene Leveldesign haben neuen Schwung ins altbekannte Spielerlebnis gebracht. Leider ist die künstliche Intelligenz ein zweischneidiges Schwert: Einerseits beobachtet man gutes Patrouille- und Suchverhalten, andererseits peinliche Inkonsequenzen bei der Geräuschwahrnehmung. Warum kann ich eine Wache im Schwitzkasten verhören, während jemand an mir vorbei geht oder einen Meter weiter sitzt? Das macht das Spiel für eingefleischte Schleicher etwas zu leicht. Auch ignorierte Wurfgeschosse und plötzliche WC-Akustik ohne Figuren sorgen für kleine Risse in der sonst so unglaublich realistischen Kulisse. Schade ist auch, dass man mit einer guten Statistik nicht deutlichere Vorteile oder Boni erhält, so dass sich der Wiederspielwert der Kampagne in Grenzen hält. Allerdings wird das wiederum vom Multiplayermodus aufgefangen, der geniale kooperative Abenteuer mit cooler Akrobatik ermöglicht - hier ist das Spielerlebnis noch packender. Unterm Strich fast perfekt inszenierte Stealth-Action. Wenn man die Wahl hat, sollte man jedoch entweder zur PC- oder Xbox-Fassung greifen!


Die mittlerweile jährliche Visite von Prof. Dr. Fisher ist wieder absolut hochkarätig und gefällt mir wesentlich besser als Splinter Cell Pandora Tomorrow. Warum? Angefangen bei der Geschichte, die zwar noch immer keine Details zum Helden verrät, aber diesmal eine wesentlich spannendere Verschwörungstheorie auftischt. Hinzu kommen fantastisch gestaltete Levels, die dem Spieler die Möglichkeit bieten zwischen Stealth und Action zu wechseln. So stehen euch oft mehrere Varianten im Gameplay und Level-Design offen, um die Gegner aus dem Weg zu schaffen, sie zu umgehen oder etwas ganz anderes zu machen. Ein weiterer Riesenpluspunkt ist der Nahkampf mit dem Messer, der neuen Pepp ins Spiel bringt und enorm spannend ist. Mindestens ebenso toll ist das Geräuschsystem, das allerdings mit einigen Schwächen behaftet ist. Aber der Schritt in die richtige Richtung ist getan, es fehlt nur der Feinschliff. An der gelungenen KI kann ich bis auf wenige zu verschmerzende Aussetzer ebenfalls nicht meckern. Auch im Mehrspieler-Modus präsentiert sich das Spiel gewohnt genial, sei es im Versus- oder im grandiosen Koop-Modus. Alles in allem bietet Splinter Cell Chaos Theory ein richtig packendes Abenteuer; mit kleinen Fehlern, aber auf jeden Fall besser als sein Vorgänger.

Pro

offenes Leveldesign
glaubwürdige Story
unterhaltsame Dialoge
sehr gute Steuerung
hervorragende Kulisse
akrobatische Bewegungen
Haupt- und Nebenaufgaben
neue Geräuschwahrnehmung
elegante Nahkampfattacken
Wahl zwischen Ausrüstungstypen
Versus-Modus (PC, Xbox, PS2)
genialer kooperativer Modus
Stealth-Kills im Wasser (GC, PS2)
sehr gute deutsche Sprecher
klasse Wach- & Patrouilleverhalten
neues Hack-, Sicht- & Störsystem
auf Wunsch Muttersprache der Figuren
Koop offline im Splitscreen (Xbox, PS2, GC)
Map-Editor kommt (PC)

Kontra

viele gleiche Gesichter
statische Porträts in Briefings
für Veteranen etwas zu leicht
Erfolgsquote ohne Auswirkungen
Verhöre werden von KI nicht bemerkt
Sam bleibt anonymer Befehlsempfänger
geworfene Gegenstände oft ignoriert
Toilettenakustik ohne Figuren
kleine Übersetzungsfehler
längere Ladezeiten (PS2, GC)
etwas kompliziertere Steuerung (GC)
weniger alternative Routen (PS2, GC)
kein Online-Modus (GC)
Koop-Modus nicht online (PS2)
kein Versus-Modus (GC)
leichte Ruckler & Flimmern (PS2)
weniger Grafikdetails (PS2)

Wertung

GameCube

PC

PlayStation2

Trotz kleiner KI-Macken das beste Splinter Cell, das es je gab. Vor allem dank des kooperativen Modus - genial!

XBox

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