Im Test:
Tod?
Ockerfarbene Sonnenstrahlen durchfluten ein Glasdach. Eine schwarz gekleidete Person sitzt mit teilnahmsloser Mine im Dämmerlicht, bevor mit engelsgleichen Zungen ein "Ave Maria" erklingt und das Hauptmenü erscheint. Die Kamera setzt sich gemächlich in Bewegung und fährt über einen weiß gekleideten Leichnam. Ich traue meinen Augen nicht: Es ist der Hitman. Der wohl bekannteste und zugleich einzig spielbare Profikiller scheint seinen letzten Mord verübt zu haben. Doch wie konnte jemand den ultimativen Killer außer Gefecht setzen? Die Antwort erspielt ihr in der Kampagne, die rückblickend in Form eines Reporter-Interviews erzählt wird. Alle Stationen und Aufträge die letztendlich zu seinem Tod geführt haben, könnt ihr hautnah miterleben, obgleich viele Einsätze, vor allem am Anfang, eine zusammenhängende Story vermissen lassen.
Arbeit für Geld
Trotz des neuen Stilmittels der Retrospektive hat sich am Spielablauf wenig verändert: Vor jedem der 13 Einsätze bekommt ihr ein Briefing, das euch mit den notwendigsten Informationen versorgt und erklärt, wen ihr umlegen müsst oder was sonst zu tun ist. Danach darf sich der Hitman seine Tools (u.a. Schmerzmittel) beschaffen, sein Waffenarsenal auswählen oder aufrüsten, was ordentlich ins Geld geht. Geld? Richtig! Für jeden absolvierten Einsatz bekommt ihr einen Batzen Blutgeld als Belohnung. Bei Attentaten, die wie ein Unfall aussehen, bleibt im Endeffekt sogar mehr Zaster übrig, da ihr bei unsauberen blei- oder leichenlastigen Morden schon mal ein Säuberungsteam beauftragen oder Zeugen bestechen müsst. Spart ihr euch die Mäuse für eine Vertuschungsaktion, könnte euch ein Passant in einem der späteren Einsätze erkennen -
Mit dem Fernglas verschafft ihr euch den nötigen Überblick im Level. |
"Der perfekte Mord" oder "Amoklauf"
Nur 13 Missionen, das klingt nach ziemlich wenig Stoff? Aber nicht bei dem Hitman, denn seine Aufträge binden euch für Stunden an den Monitor. Alle Einsatzgebiete (Mardi Gras, Weingut, Reha-Klink, Ausflugsdampfer, Oper etc.) sind erstaunlich weitläufig und erstrecken sich über mehrere Stockwerke. Außerdem habt ihr immer mehrere Möglichkeiten die Zielperson/en aus dem Weg zu räumen; eine lineare Patentlösung gibt es nicht.
Grundlegend habt ihr die Wahl zwischen unauffälligen Attentaten, die niemand mitbekommt oder die -noch besser- wie ein Unfall aussehen, oder der direkten Attacke mit lautstarken Schusswaffen. Diese Rambo-Vorgehensweise könnte zum Ziel führen, schreckt allerdings die Wachen auf und sorgt für viel ungebetene Gesellschaft. Im Kampf gegen solch eine Übermacht hat der Hitman wenig Chancen, weil er kaum Schüsse einstecken kann und nach wenigen Schusswunden in Zeitlupe zusammensackt. Des Weiteren erschwert chronischer Munitionsmangel solche Mad-Killer-Amokläufe.
Was tun, wenn nicht schießen?
Der eigentliche Reiz in den großen Missionen besteht darin, herauszufinden welche Varianten zum Ableben der Zielperson führen könnten. Während euch im Tutorial ellenlang vorgekaut wird, was zu machen ist und dass ihr mit einer im Backpulverkorb versteckten Pistole an der Wache vorbeikommt, müsst ihr euch in allen anderen Missionen selbst ein Bild der Lage machen. Zunächst hilft ein Blick auf die unübersichtliche und überladene Karte. Dort blättert ihr durch die verschiedenen Etagen und sucht zwischen den herumwuselnden Zivilisten und Wachen die Ziele. Glücklicherweise sind dort "Punkte mit interessanten Gegenständen oder Personen" vermerkt. So kommt ihr mit leichter Hilfestellung an neue Kleidung, wichtige Zugangskarten, Waffen etc. ran. Steht ihr inmitten einer Mission trotzdem auf dem Schlauch, könnt ihr euch weitere Hinweise im Briefing-Bildschirm dazukaufen.
Downloads & Videos
Download: Demo #1 (759 MB)
Video: Trailer 1 (Laufzeit: 1:43 min)
Video: Trailer 1 - deutsch (Laufzeit: 1:43 Min.)
Video: Trailer 2 (Laufzeit: 2:04 Min.)
Video: Trailer 3 (Laufzeit: 1:34 Min.)
Video: Trailer E3 06 (Laufzeit: 1:27 Min.)
Video: Attentats Vorbereitung (Laufzeit: 1:09 Min.)
Video: Access your target (Laufzeit: 1:18 Min.)
Video: Kunst der Verkleidung (Laufzeit: 1:34 min)
Video: Long Distance (Laufzeit: 1:31 Min.)
Video: Pistolen (Laufzeit: 1:11 Min.)
Video: Unfaelle (HD) (Laufzeit: 1:05 Min.)
Video: Zielpersonen (Laufzeit: 1:04 min) Neugierige Gegner
Anschließend erkundet ihr das Areal (bestenfalls verkleidet), werdet von zahlreichen misstrauischen Blicken herumlaufender Wachen oder Passanten gemustert und untersucht die sich wiederholenden Laufrouten der wichtigen Personen. Vorsicht, Tarnung und Überblick sind hierbei die Mutter der Porzellankiste. Wenn ihr z.B. im Sichtfeld einer Wache ein Türschloss knackt, zieht er sofort die Waffe. Häufige Sicherheitschecks aka Leibesvisitationen stehen ebenso an der Tagesordnung wie unfreundliche Verweise aus gesperrten Gebieten. Stümperhaft oder gar nicht versteckte Leichen ziehen gleich die Aufmerksamkeit des halben Levels auf sich. Alle Wachleute oder Sicherheitsbeamte eilen zur Stelle des Verbrechens, suchen herum und versuchen den Täter zu stellen – dem Profikiller bleibt bei solchen Ereignissen nur übrig zu hoffen, dass er weit vom Ort des Tathergangs entfernt ist oder es endet in einem tödlichen Kugelhagel. Neuerdings reagieren die Nichtspielercharaktere auf am Boden klebendes Blut und verfolgen eventuelle rote Spuren bis zum Endpunkt (evtl. einen Müllcontainer).
Stealth-Abenteuer oder Action?
Bei solch aufmerksamen Gegnern sollte sich der Hitman unbemerkt im Level bewegen und Kreativität sowie Köpfchen anstatt der Silverballer benutzen. Diese Abenteuer/Kundschafter-Mischung kombiniert mit überlegten Stealth-Manövern nimmt den Großteil der Spielzeit ein. Der eigentliche Mord geht relativ schnell von der Hand, sofern ihr ihn gut geplant habt. Jeder kleine Fehler kann wiederum zur Egalisierung aller geplanten Taten führen und sich furchtbar negativ auf die Motivation auswirken. In vielen Fällen ist gar das berühmt berüchtigte "Trial-&-Error" unumgänglich, damit ihr seht, was genau passiert, wenn ihr irgendeine Aktion durchführt. Oft erweisen sich die daraus resultierenden Ergebnisse als wichtig, enden meist trotzdem mit der Entdeckung des Killers und seinem virtuellen Ableben. Auf einer Drogen-Hacienda habe ich z.B. den Cello-spielenden Boss lautlos ausgeschaltet. Selbst die Wachen haben nichts von der Tat mitbekommen. Danach verließ ich unauffällig seine Villa und suchte im Weinkeller den zweiten Bösewicht, bis auf einmal ein zweites Fenster aufging und ich sah, wie eine Wache die Leiche fand und Alarm schlug. Toll, die ganze Planung für die Katz! Zur Zeit des Mordes bin ich einfach nicht auf die Idee gekommen, die Leiche zusätzlich aus dem Fenster in den reißenden Fluss zu werfen…also "Speicherstand laden", schließlich werden perfekte Morde besser honoriert (die Mission hätte ich trotz der Entdeckung der Leiche erfolgreich beenden können). Ohne die beiden Silverballer geht der Hitman nicht aus dem Haus.
Auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad fällt diese für Hitman typische Ausprobier-Mechanik nicht so schwer ins Gewicht, da ihr jederzeit und unendlich oft den Speichern-Knopf drücken könnt. Bei höheren Stufen sind die Sicherungen pro Mission begrenzt. Auch die künstliche Intelligenz der Gegner wird bei steigendem Schwierigkeitsgrad misstrauischer und der Hitman anfälliger gegen anfliegende Projektile.
Missions-Exzellenz
Nichtsdestotrotz bleiben die komplexen Missionen mit ihren mehrfachen Lösungsmöglichkeiten das eigentliche Highlight, was sogar für einen gewissen Wiederspielwert auf einen höheren Schwierigkeitsgrad sorgt. Anhand einer Beispielmission aus dem ersten Spieldrittel lässt sich die Komplexität der Aufträge
Der Sänger ist fest im Fadenkreuz. Jetzt muss der Hitman auf den richtigen Moment warten... |
Spoilerwarnung
Varianten für den Sänger: Eine ferngesteuerte Bombe kann an eine der Lichthalterungen über der Bühne angebracht werden. Steht der Opernsänger neben dieser Halterung, kann der Sprengsatz gezündet werden und die Zielperson wird unter der Bühnenbeleuchtung begraben. Andererseits könntet ihr die in der Theater-Szene verwendete Pistolen-Attrappe mit einer echten Waffe vertauschen (bekommt ihr an der Rezeption gegen den Garderobenschein), wobei dann sein Schauspielkollege ihn erschießen würde. Oder ihr zieht den anderen Schauspieler aus dem Verkehr, schlüpft in seine Uniform und schießt selbst, allerdings müsst dann wissen wie das Stück abläuft, sonst wird der Choreograph misstrauisch. Bei meiner Variante habe ich das Schauspiel laufen lassen und genau in dem Moment als der Schauspieler mit der Pistolen-Attrappe auf den Sänger schießt, setzte ich den tödlichen Schuss von Tribüne an. Das Schussgeräusch wurde übrigens durch das spielende Orchester übertönt. Danach blieb sogar noch genug Zeit den Botschafter zu erledigen.
Varianten für den Botschafter: Ihn zu erwürgen wäre in seiner Loge keine gute Idee, da er von einem Leibwächter beschützt wird – ein tödlicher Schuss wäre möglich, erzeugt aber viel Aufmerksamkeit. Ein Unfall als Todesursache wäre sicher besser für die Medien. So kann Startnummer 47 in einen Raum über dem Saal zum Kronleuchter gelangen und diesen mit Sprengladung und Fernzünder präparieren. Wenn der Opernsänger dann stirbt, springt der Botschafter auf und rennt zur Leiche, stürzt jedoch unmittelbar unterhalb des Kronleuchters zu Boden und dann fällt ihm der Himmel auf den Kopf. Alternativ könnt ihr nach dem Kill des Sängers auch das in einem Handwerkskoffer reingeschmuggelte Scharfschützengewehr für den Mord benutzen.Ist der Sänger aus dem Weg geräumt, geht es dem Botschafter an den Kragen - oder dreht ihr einfach die Kill-Reihenfolge um?
Spoilerentwarnung
Pro Mission gibt es also mehrere Lösungswege abseits der verhältnismäßig wenig Spaß und Spannung verbreitenden Rambo-Version. Bis ihr zu solch einer ausschweifenden und funktionierenden Lösung gekommen seid, vergeht viel Zeit (u.a. mit Leerlauf beim Beobachten) und es kommt zu den eben erläuterten Trial-&-Error-Phasen.
Letztendlich fällt auf, dass Hitman Blood Money viel mehr auf Stealth-Aspekte setzt als die Vorgänger und belohnt diese Vorgehensweise mit mehr Kohle auf dem Konto. Echtes
Ablenken (z.B. durch einen Münzwurf) und von hinten an die Feinde heran- oder vorbeischleichen klappt erstmals in einem Hitman-Abenteuer fast reibungslos. Die KI-Gegner haben selten Augen im Hinterkopf.Beim Mardi Gras (mehrtägiger Karneval in New Orleans) laufen dutzende fröhlich feiernde Zivilpersonen durch die Gassen.
Konsolen-optimierte Steuerung
Bei aller Erkundungslust kann einem in der PC-Version die zickige Steuerung durchaus auf den Geist gehen, so bleibt Nummer 47 zwischendurch öfters an Ecken oder Kanten hängen. Aktiv Springen kann der Hitman immer noch nicht, dafür an gewissen Stellen geskriptet über einen kleinen Vorsprung hüpfen, sich an die Wand schmiegen oder an Dachrinnenrohren hochklettern - dies geschieht wenig interaktiv und wird nicht immer richtig ausgelöst. Bei der Tastenbelegung für die verschiedenen Aktionen (Leiche ziehen, Waffe aufheben, Elektro-Schaltkasten lahm legen, etc.) kommt ebenfalls Verwirrung auf, da die Aktionstasten für ein- und dieselbe Aktion wechseln können. Welche Aktion gerade zu welchem der drei Hotkeys gehört, seht ihr oben links im Bildschirm, was in hektischen Gefechten zu blöden Szenen führen kann. So habe ich öfter die Gift-Spritze weggeworfen, anstatt sie in den Gegner zu pflanzen – echte Gewöhnungssache. Gleiches gilt für das Ringmenü, in dem ihr eure mitgeschleppten Inventar-Gegenstände aktivieren oder verwalten könnt. Daher scheint es, dass die Steuerung eher für die Konsolen-Versionen optimiert wurde. Hier lässt sich Nummer 47 weitaus unproblematischer kontrollieren - was angesichts des PC-Erbes des Auftragskillers beaduerlich ist.
Next Generation?Achtlos vergessene Leichen erregen schnell die Aufmerksamkeit von Wachen oder Zivilisten.
Von der technischen Seite ist Hitman Blood Money "nur" gut. Auf der Xbox 360 oder dem PC bleibt das erwartete Next Generation- Feuerwerk aus. Warum? Trotz schicker Lichteffekte und einem bemüht hochpolygonisierten Hauptcharakter sind viele Levels karg eingerichtet und gewisse Raumbausteine wiederholen sich in den weitläufigen Arealen. Außerdem trefft ihr ständig auf geklonte Gegner-Modelle und nicht alle Texturen gehören zur hochaufgelösten Marke. Insgesamt sieht Blood Money zwar besser aus als der wesentlich düstere dritte Teil, kommt jedoch nicht an die Kulisse von Splinter Cell: Chaos Theory heran. Auch die Konsolen der gegenwärtigen Generation brauchen sich optisch nicht verstecken, können aber mit den hoch aufgelösten 360- oder PC-Versionen nicht mithalten. Hier liegt allerdings die Xbox-Variante deutlich vorne, die nicht nur mit einer feinen Weitsicht und stimmungsvollen Lichteffekten punkten kann, sondern die auch weniger Treppchenbildung auf den Bildschirm bringt als die PS2-Variante.
Fazit
Hitman Blood Money ist trotz der Tatsache, dass interessante Neuerungen fehlen, eine durchweg gute Fortsetzung. Die Entwickler haben das motivierende Waffen- und Ausrüstungskaufsystem aus dem ersten Teil reaktiviert und die computergesteuerten Schergen endlich so angepasst, dass das Schleichen und Erkunden nicht mehr so häufig tödlich endet. Außerdem gibt es ein sinnvolles Belohnungssystem für kreativ vorbereitete Morde, die wie Unfälle aussehen. Bis es allerdings zum Attentat kommt, verbringt ihr viel Planungszeit mit dem genauen Beobachten der Umgebung, denn die Missionen bieten erstaunlich viele funktionierende Lösungsvarianten. Trotzdem kann einem die dafür notwendige Trial-&-Error-Mechanik mächtig auf den Wecker fallen. Dieses Killer-Abenteuer ist eine gelungene Fortsetzung ohne große Veränderungen, ohne Prachtkulisse, aber mit tollem Level-Design, viel Freiheit und klasse Soundtrack.
Pro
Kontra
Wertung
360
Grandiose Freiheit in den Levels im altbackenen Hitman-Korsett
PC
PlayStation2
XBox
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