Im Test: Locke jagt den Chief
Jagd auf den Chief
Im ersten Teil des Tests dreht sich alles um den Story-Modus, in dem sich Agent Locke mit seinem Team auf die Suche nach dem Master Chief begibt. Die Handlung startet acht Monate nach den Geschehnissen in Halo 4. Nachdem ich eine von der Allianz besetzte Forschungsstation an mich gerissen habe, sieht der Master Chief eine kryptische Vision seiner ehemaligen KI-Gefährtin Cortana. Sie ruft ihn nach Meridian, also vertraut der behelmte Held seiner Intuition, widersetzt sich dem Befehl zur Rückkehr und begibt sich zusammen mit dem Spartan-Team Blau auf den Weg zu seiner alten Bekannten. In einigen der Missionen schlüpfe ich in seine Haut, die meiste Zeit über spiele ich aber Agent Locke, der sich mit seinem Team Osiris auf die Suche nach dem Abtrünnigen macht. Neueinsteiger werden sich vermutlich wieder gelegentlich verwirrt am Kopf kratzen – im Verlauf der Geschichte werden aber auch sie den wichtigen Kern der Handlung verstehen. Der Auftrag führt die Spartans z.B. in eine zerklüftete Minenwelt, durch antike Tempel, auf einen Blutsväter-Planeten und überwucherte Planetenoberflächen, auf denen sie ganz klassisch gegen Horden von Allianz-Kriegern oder den in Halo 4 eingeführten Prometheanern kämpfen.
Stetige Begleiter
Eine einschneidende Neuerung im Gefecht ist, dass ich nie alleine unterwegs bin, sondern immer vom jeweiligen Spartan-Team begleitet werde. Das ist vor allem daher schade, weil ich in den Vorgängern auch die ruhigen Momente genossen habe, in denen ich alleine fremdartige Welten durchstreift habe. Solche beschaulichen Augenblicke gibt es aber nur noch selten. Gerade dieser Rhythmus aus Entspannung, Massenschlachten und knallharten Zweikämpfen hat für mich immer das Spielgefühl der Serie ausgemacht. Auch auf den Kampf nimmt die ständige Begleitung Einfluss: Ab und zu ist es richtig praktisch, meine Kollegen mit einem einfachen Druck aufs Steuerkreuz zu einem lästigen Sniper oder anderen Störfaktoren zu schicken, damit ich mich auf der anderen Seite um einen fetten Brocken kümmern kann. Einfach einen Punkt oder Gegner anpeilen, und schon rücken die Partner dorthin aus oder kümmern sich um den Widersacher.
Auf in den Kampf!
Stattdessen gibt es meist klassische Shooter-Scharmützel in linearen Levels, in denen mein Team kleine Grüppchen und Vehikel aufs Korn nimmt. Ein klarer Vorteil ist wieder die gute KI. Nach dem faden „Abernten“ von zaghaften Gegnern in Destiny war es eine schöne Abwechslung, endlich wieder gegen renitentere Widersacher zu kämpfen, die sich nicht zu schade sind, auch mal aus ihrer Komfort-Zone zu sprinten. Mal zischen sie schnell von Felsnadel zu Felsnadel, später versteckt sich ein versprengter Kämpfer auch schon mal ängstlich eine halbe Minute hinter einem Findling, um mich beim Vorrücken hinterrücks zu überfallen. Auch die Kollegen arbeiten gut mit – sie erledigen hier und da eine ganze Reihe von Gegnern, nehmen mir aber nicht zu viel ab. Es gibt allerdings einen Haken an ihrer Präsenz. Falls ich nicht gerade mitten im Getümmel sterbe, werde ich fast immer wieder vom Team wiederbelebt, was der Action viel von seiner Spannung raubt. Wenn ich früher in einer engen Schlucht zwischen bulligen Jägern, und mehreren Allianz-Panzern umher tänzelte, kam ich wortwörtlich richtig ins Schwitzen, bis ich die Sache mit minimaler Energie und piepsenden Schild schließlich doch noch irgendwie meisterte. Neuerdings dagegen habe ich neben dem selbstaufladenden Schild fast immer einen beruhigenden zweiten Rettungsanker in der Hinterhand.
Leichter als früher
Allgemein ist das Spiel im Alleingang viel leichter geworden als früher – schraubt den Schwierigkeitsgrad also am besten schon zu Beginn hoch! Im Internet-Koop für bis zu vier Spieler bin ich dagegen deutlich häufiger gestorben und das Metzeln machte eine ganze Ecke mehr Spaß. Offenbar haben die Entwickler die Balance vor allem auf das gemeinsame Spiel zugeschnitten. Einfaches Ein- und Aussteigen ist allerdings nicht möglich, stattdessen startet man zu Beginn einer Mission, wählt dort freigeschaltete Schädel und andere Feinheiten aus. Unverständlich ist die Entscheidung, den beliebten Splitscreen-Koop komplett zu streichen – gemeinsames Metzeln vor der Konsole ist also nicht mehr drin.
Animations-Problemchen
Weniger schön wirken die Gegner-Animationen, die in der Entfernung nur mit 30 Bildern abgespielt werden, was oft ein wenig abgehackt aussieht. Auch in 60 Frames bewegen sich meine Partner neben mir etwas steif: Ihre ruckartigen Kopfbewegungen erinnern ein wenig an Hühner. Die Übergänge zwischen den Animationsphasen wirken ebenfalls manchmal abrupt. Weitere Schwachpunkte sind die aus der Nähe oft unscharfen Texturen und die in der Entfernung nachladenden Detailstufen. Ein Hingucker sind dagegen alle hübsch modellierten Metalloberflächen – und auch die fein ausgearbeiteten Gesichter der Protagonisten wirke durchaus zeitgemäß. Sehr stark präsentiert sich der Soundtrack von Kazuma Jinnouchi, der mit seinem ungewöhnlichen Mix aus pompösen Orchester-Instrumenten, leichten Electro-Klängen und Gitarren-Einlagen die mystische Halo-Stimmung gut einfängt. Immer wenn ich mit Aufnahmen fürs Videofazit fertig war, musste ich die Musik sofort wieder aufdrehen, weil die Kämpfe dann um einiges mehr Spaß machten.
Mit voller Wucht
Wuchtig ist übrigens auch der Bodenstampfer. In meinen ersten Mehrspielermatches kam er nur selten zum Einsatz, weil menschliche Gegner oft mit dem neuen kurzen Raketen-Schub ausweichen. In der Kampagne kann es aber durchaus nützlich sein, sich auf einer Anhöhe an einen schwach gepanzerten Gegner anzuschleichen und in von oben zu zermalmen. Rund eine Sekunde schwebe ich in der Luft, um das Ziel am Boden anzupeilen, dann folgt die tödliche Überraschung aus der Luft. Deutlich häufiger habe ich die frontale Ramme eingesetzt, die poröse Wände zu kleinen Grotten durchbricht oder im Nahkampf ordentlich Schaden anrichtet. Außerdem besitzen viele Waffen neuerdings die Möglichkeit, wie in anderen modernen Egoshootern per Visier ein wenig heran zu zoomen. Ich bin noch unentschlossen, ob mir diese Neuerung gefällt – manchmal kann ich mich nicht so recht entscheiden, ob ich direkt aus der Hüfte schießen oder erst anlegen soll.
Fokus statt Vielfalt
Nach dem technischen Debakel bei der Master Chief Collection konzentriert sich 343 Industries im Mehrspieler-Bereich diesmal auf zwei große Modi: Klassische Schießereien auf kleinen Karten in der „Arena“ sowie Schlachten gegen Menschen und die KI im weitläufigen „Kriegsgebiet“. Statt alle Fans zufrieden stellen zu wollen, wurden altbekannte Modi gestrichen. Es ist natürlich schade, dass Klassiker wie der hochspannende Arcade-Modus Firefight oder das ähnlich gestrickte Spartan Ops nicht mehr an Bord sind. Auch der Wegfall von Matches im Splitscreen oder LAN ist eine bittere Pille für die Serie. Die turbulenten Big-Team-Battles und der Level-Editor „Schmiede“ fehlen ebenfalls, sie sollen aber immerhin per Update in den kommenden Monaten nachgeliefert werden. Andererseits tut die Konzentration auf zwei Bereiche dem Multiplayer gut. Der neue Modus Kriegsgebiet ist für mich das klare Highlight: In einem von drei weitläufigen Arealen liefert man sich spannende Schlachten mit anderen Spielern und der KI. Das Spielgefühl wirkt wie ein wilder Mix aus Big Team Battle, Firefight und Planetside 2. Zunächst bin ich noch ahnungslos übers Spielfeld geirrt, nach ein paar Matches konnte ich aber gar nicht mehr aufhören. Seltsam, dass die Entwickler keinerlei Tutorials mitliefern – schaut euch am besten diesen Einleitungs-Trailer an, bevor ihr loslegt.
Dynamische Schlachtfeld-Atmosphäre
Das Salz in der Suppe sind die Dynamik und die große Entscheidungsfreiheit. Wenn ich respawne und aus einer besetzten Basis zu einem fetten Boss am Strand sprinte, kann es passieren, dass die informative Sprecherin mit mitteilt, dass gerade die Bergspitze vom Gegner eingenommen wurde. Also plane ich kurzerhand um und helfe mit, das Häufchen penetranter Gegner zurückzudrängen, damit sie gar nicht erst dauerhaft Fuß fassen. Falls dort schon viele meiner Kollegen herumgewuselt wären, wäre ich vielleicht zum Strand abgebogen und hätte beim Erlegen von Panzermeister Rok geholfen. Auch dabei ist geschickte Koordination gefragt. Alleine ist es gar nicht so einfach, den fetten Energiebalken zu leeren und seine starken Schergen auszuschalten; in einem koordinierten Angriff mit Flakgeschützen und starken Energiewaffen geht es manchmal trotzdem ruck-zuck.
Weitläufiges Terrain
Die drei weitläufigen Karten bieten eine hübsche Mischung aus Bergen, Dschungel, Eis und charakteristischen kantigen Alien-Monumenten. Trotz der Größe läuft das Gemetzel auf den dedizierten Servern bemerkenswert flüssig. Lediglich in der minimalistisch gehaltenen Lobby und in Ausrüstungs-Menüs kommt es gelegentlich zu Verbindungsproblemen und Abstürzen. Ein Freund z.B. hing nach einem unserer Matches am nächsten Tag noch in unserem Fireteam fest und konnte erst nach einem weiteren Neustart des Spiels wieder online zocken.
Schon wieder In-App-Käufe…
Wer sich mit z.B. mit massenhaft schweren Geschützen eindeckt, kann im Match nicht pausenlos darauf zugreifen, da sich nach einer Anforderung erstmal sein Cooldown-Timer aufladen muss. Dauerhafte Verbesserungen oder mehr Glück beim Kärtchengewinn bekommt man als zahlender Spieler aber etwas schneller. Es kann durchaus von Vorteil sein, wenn man in einer überrannten Basis zur passenden Zeit immer ein Energieschwert zur Hand hat. Wer sich seine Extras lieber ehrlich verdienen will, kann z.B. eine festgelegte Anzahl von Kills mit der Magnum austeilen oder bestimmte Gegner-Arten erledigen, um „Belobigungen“ zu kassieren. Von kleinen Dämpfern abgesehen bietet der Modus Kriegsgebiet aber einen großartigen Mix aus unterschiedlichen Einflüssen, die zusammen erstaunlich gut funktionieren. Es gibt Anleihen ans Freiheitsgefühl von Planetside 2, in Halo 5 fühlte ich mich aber nur selten verloren, weil alles im überschaubaren Rahmen eines klassischen langen Einzel-Matches abläuft. Wer möchte, kann sich auch an einem modifizierten Spielmodus auf leicht abgewandelten Karten versuchen: Der „Kriegsgebiet-Angriff“ erinnert ein wenig an Battlefield. Dort nimmt man hintereinander liegende Basen des Gegners ein oder muss sie im anderen Team verteidigen. Die Action fühlt sich hier aber weniger dynamisch an als in EAs Militär-Shooter oder Plants vs. Zombies: Garden Warfare – vor allem, weil das Terrain sich nicht zerstören lässt.
Schnelle Schusswechsel
Spielerisch gefällt mir das Design der 15 Karten aber richtig gut (mehr als 15 weitere sollen übrigens in kostenlosen Updates folgen). Auf den oft symmetrischen Arealen gibt es kleine Schlupfwinkel, die aber gut durch alternative Durchgänge angegriffen werden können. Jeder Bereich der Karte besitzt Namen wie „Grube“, „Draußen“ oder „blauer Hof“, die am unteren Rand eingeblendet werden. Stehen meine Mitspieler unter Druck, teilen mir das ihre Spartans oft kurz und bündig mit: „Stehe unter Beschuss beim Kino“ oder ähnlich Sätze schallen oft durch den Raum, damit man schnell zur Hilfe eilen kann – praktisch!
Fast wie beim Paintball
Fazit
In meinen ersten Online-Matches hat Halo 5 schon richtig gerockt – die rund acht Stunden lange Kampagne scheint bei der Entwicklung aber die zweite Geige gespielt zu haben. Die Geschichte rund um die beiden Spartan-Teams und Cortanas kryptische Botschaft hat erst gegen Ende mein Interesse geweckt und auch spielerisch bietet mir das Abenteuer zu wenig serientypische Momente. Warum gibt es nicht mehr offene Areale mit knackigen Massenschlachten oder wenigstens ein paar stimmungsvoll ruhige Levels, in denen ich mich alleine mit dem Chief durchschlage? Stattdessen liefere ich mir viele Standard-Scharmützel gegen Kriegergrüppchen, in denen ich dank der bewährten Halo-KI und fetter Fahrzeuge aber immerhin mehr Spaß hatte als in Destiny. Auch technisch halten sich Stärken und Schwächen in etwa die Waage. Einerseits beeindruckt die Darstellung mit hochstabilen 60 Bildern und nahtlos umgesetzter dynamischer Skalierung der Auflösung. Das angenehm augenschonende Bild wird aber mit teils unscharfen Texturen, nachladenden Detailstufen und etwas abrupten Animationen erkauft. Schade auch, dass der launige Splitscreen-Modus gestrichen wurde, denn im gut ausbalancierten Online-Koop macht das Gemetzel noch eine ganze Ecke mehr Spaß. Wen ich jetzt schon eine Wertung vergeben müsste, würde ich den Solo-Part im mittleren befriedigenden Bereich einordnen. Der vielversprechende Multiplayer dürfte das Ergebnis aber stark verbessern, falls die Matches in den kommenden Tagen flüssig laufen. Vor allem der neue Modus Kriegsgebiet scheint ein toller Mix aus Kampf gegen Menschen und die KI zu werden.
Update zum Multiplayer vom 29. Oktober 2015:
Die Kampagne von Halo 5 ließ mich ein wenig ernüchtert zurück, im Mehrspieler-Part hatte ich aber schon lange nicht mehr so viel Spaß an einem Shooter: Vor allem im neuen Modus Kriegsgebiet entwickeln sich herrlich flüssige, dynamische und turbulente Massenschlachten mit viel persönlicher Freiheit. Ich hätte nicht gedacht, dass 343 Industries die vielen Zutaten zu solch einer tollen Mischung mit Kämpfen gegen Menschen und die KI vermischen kann. Für einen kleinen Dämpfer sorgen allerdings die Mikrotransaktionen, Menü-Fehler und das Streichen altbekannter Modi und Features. Die klassischen Arena-Gefechte auf kleinen Karten passen aber gut zur gestiegenen Agilität der Spartans. Schön, dass die Entwickler wieder eine Alternative zum Freischalt-Trend anbieten, bei dem jederzeit Chancengleichheit herrscht. Auch hier machen sich Microsofts dedizierte Server bezahlt, die im Hintergrund für beinahe lagfreie Matches sorgen.
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Die Kampagne enttäuscht mit einer schwachen Story und zu wenig Herausforderung, das neue Mehrspieler-Gemetzel Kriegsgebiet ist aber intensiv und aufregend.
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