Halo 5: Guardians27.10.2015, Jan Wöbbeking

Im Test: Locke jagt den Chief

343 Industries will das Vertrauen der Halo-Fans zurückgewinnen: Nach der vor Fehlern strotzenden Master Chief Collection soll Teil 5 die Wogen glätten und der Serie einen gebührenden Einstand auf der Xbox One bereiten. Diesmal erlebt man die Jagd auf den Master Chief gleich aus zwei Perspektiven und ist stets im Team unterwegs. Im ersten Teil unseres Tests überprüfen wir, ob sich der Ausflug für Einzelspieler lohnt, bevor wir im zweiten Teil die Online-Qualitäten ins Visier nehmen.

Jagd auf den Chief

Im ersten Teil des Tests dreht sich alles um den Story-Modus, in dem sich Agent Locke mit seinem Team auf die Suche nach dem Master Chief begibt. Die Handlung startet acht Monate nach den Geschehnissen in Halo 4. Nachdem ich eine von der Allianz besetzte Forschungsstation an mich gerissen habe, sieht der Master Chief eine kryptische Vision seiner ehemaligen KI-Gefährtin Cortana. Sie ruft ihn nach Meridian, also vertraut der behelmte Held seiner Intuition, widersetzt sich dem Befehl zur Rückkehr und begibt sich zusammen mit dem Spartan-Team Blau auf den Weg zu seiner alten Bekannten. In einigen der Missionen schlüpfe ich in seine Haut, die meiste Zeit über spiele ich aber Agent Locke, der sich mit seinem Team Osiris auf die Suche nach dem Abtrünnigen macht. Neueinsteiger werden sich vermutlich wieder gelegentlich verwirrt am Kopf kratzen – im Verlauf der Geschichte werden aber auch sie den wichtigen Kern der Handlung verstehen. Der Auftrag führt die Spartans z.B. in eine zerklüftete Minenwelt, durch antike Tempel, auf  einen Blutsväter-Planeten und überwucherte Planetenoberflächen, auf denen sie ganz klassisch gegen Horden von Allianz-Kriegern oder den in Halo 4 eingeführten Prometheanern kämpfen.

Die nicht gerenderten Zwischensequenzen laufen in nur 30 Bildern pro Sekunde ab, liefern aber ansehnliche Details.
Die leuchtenden "Neulinge" sehen nach wie vor richtig schick aus, wenn sie sich blitzschnell umher beamen oder ihre futuristischen Waffen in Einzelteilen durch die Luft morphen. Außerdem dabei sind natürlich die namensgebenden gigantischen „Wächter“, die plötzlich unheilvoll über Planeten schweben – auch ihrem Geheimnis müssen der Chief und Locke natürlich auf den Grund gehen.

Stetige Begleiter

Eine einschneidende Neuerung im Gefecht ist, dass ich nie alleine unterwegs bin, sondern immer vom jeweiligen Spartan-Team begleitet werde. Das ist vor allem daher schade, weil ich in den Vorgängern auch die ruhigen Momente genossen habe, in denen ich alleine fremdartige Welten durchstreift habe. Solche beschaulichen Augenblicke gibt es aber nur noch selten. Gerade dieser Rhythmus aus Entspannung, Massenschlachten und knallharten Zweikämpfen hat für mich immer das Spielgefühl der Serie ausgemacht. Auch auf den Kampf nimmt die ständige Begleitung Einfluss: Ab und zu ist es richtig praktisch, meine Kollegen mit einem einfachen Druck aufs Steuerkreuz zu einem lästigen Sniper oder anderen Störfaktoren zu schicken, damit ich mich auf der anderen Seite um einen fetten Brocken kümmern kann. Einfach einen Punkt oder Gegner anpeilen, und schon rücken die Partner dorthin aus oder kümmern sich um den Widersacher.

Zeit für die großen Kaliber!
Auch leere Fahrzeuge oder Geschütze bemannen sie, wenn ich es befehle. Das System bleibt allerdings sehr minimalistisch, da es nur eine Taste gibt und sich Kommandos nicht weiter verfeinern lassen. So erwische ich in der Hektik auch schon mal den falschen Punkt oder Gegner. Wer keine Lust auf Kommandos hat, kann sie einfach ignorieren. Schade, dass 343 das Level-Design so wenig darauf zugeschnitten hat – clevere Taktik-Kniffe oder das Flankieren wie in Socom sind hier nicht nötig.

Auf in den Kampf!

Stattdessen gibt es meist klassische Shooter-Scharmützel in linearen Levels, in denen mein Team kleine Grüppchen und Vehikel aufs Korn nimmt. Ein klarer Vorteil ist wieder die gute KI. Nach dem faden „Abernten“ von zaghaften Gegnern in Destiny war es eine schöne Abwechslung, endlich wieder gegen renitentere Widersacher zu kämpfen, die sich nicht zu schade sind, auch mal aus ihrer Komfort-Zone zu sprinten. Mal zischen sie schnell von Felsnadel zu Felsnadel, später versteckt sich ein versprengter Kämpfer auch schon mal ängstlich eine halbe Minute hinter einem Findling, um mich beim Vorrücken hinterrücks zu überfallen. Auch die Kollegen arbeiten gut mit – sie erledigen hier und da eine ganze Reihe von Gegnern, nehmen mir aber nicht zu viel ab. Es gibt allerdings einen Haken an ihrer Präsenz. Falls ich nicht gerade mitten im Getümmel sterbe, werde ich fast immer wieder vom Team wiederbelebt, was der Action viel von seiner Spannung raubt. Wenn ich früher in einer engen Schlucht zwischen bulligen Jägern, und mehreren Allianz-Panzern umher tänzelte, kam ich wortwörtlich richtig ins Schwitzen, bis ich die Sache mit minimaler Energie und piepsenden Schild schließlich doch noch irgendwie meisterte. Neuerdings dagegen habe ich neben dem selbstaufladenden Schild fast immer einen beruhigenden zweiten Rettungsanker in der Hinterhand.

Weitläufige Areale sind diesmal eher Mangelware.
Manchmal kämpfe ich zusätzlich Seite an Seite mit dem Gebieter und seinen Truppen gegen die Allianz-Horden, was die Angelegenheit noch entspannter macht. Außerdem mangelt es an knackigen, gut choreographierten Bosskämpfen – nur ab und zu finde ich mich z.B. auf dem Blutsväter-Planeten einer Arena mit dicken Brocken wieder, die mir das Leben mit fetten Geschützen und großen Plasmaschwertern erschweren.

Leichter als früher

Allgemein ist das Spiel im Alleingang viel leichter geworden als früher – schraubt den Schwierigkeitsgrad also am besten schon zu Beginn hoch! Im Internet-Koop für bis zu vier Spieler bin ich dagegen deutlich häufiger gestorben und das Metzeln machte eine ganze Ecke mehr Spaß. Offenbar haben die Entwickler die Balance vor allem auf das gemeinsame Spiel zugeschnitten. Einfaches Ein- und Aussteigen ist allerdings nicht möglich, stattdessen startet man zu Beginn einer Mission, wählt dort freigeschaltete Schädel und andere Feinheiten aus. Unverständlich ist die Entscheidung, den beliebten Splitscreen-Koop komplett zu streichen – gemeinsames Metzeln vor der Konsole ist also nicht mehr drin.

Stillgestanden! Die nur spärlich animierten Passanten vor der Mine wirken reichlich steif.
Auch die mittlerweile obligatorischen Audio-Botschaften liegen gut versteckt in Grotten und anderen Ecken. Die Aufzeichnungen können die Geschichte allerdings bei weitem nicht so interessant ergänzen wie anderswo. Nervige Geschicklichkeitstests oder dergleichen haben sich die Entwickler zum Glück verkniffen – nur ab und zu spurte ich über zerbröckelnde Brücken oder instabile Konstruktionen. Die monumentalen  Kultstätten und gigantischen Wächter wurden richtig ansehnlich designt, technisch wirkt das Gebotene dagegen eher mittelmäßig. Eine klare Stärke sind die 60 Bilder pro Sekunde, die bemerkenswert sauber und flüssig aufrechterhalten werden. Im Gegenzug  wird ähnlich wie bei WipEout HD dynamisch die Auflösung skaliert: Mitten in der Action wechselt sie zwischen 1080p, 1152x810 und einigen Stufen dazwischen (die Technik-Spezialisten von Digital Foundry haben das System hier genauer analysiert). Das Ergebnis funktioniert beeindruckend gut, so dass ich die Unterschiede nur bemerkt habe, wenn ich in der Action genau auf die Details achtete. Den fließenden Übergang zwischen den Stufen habe ich dagegen nicht registriert.

Animations-Problemchen

Weniger schön wirken die Gegner-Animationen, die in der Entfernung nur mit 30 Bildern abgespielt werden, was oft ein wenig abgehackt aussieht. Auch in 60 Frames bewegen sich meine Partner neben mir etwas steif: Ihre ruckartigen Kopfbewegungen erinnern ein wenig an Hühner. Die Übergänge zwischen den Animationsphasen wirken ebenfalls manchmal abrupt. Weitere Schwachpunkte sind die aus der Nähe oft unscharfen Texturen und die in der Entfernung nachladenden Detailstufen. Ein Hingucker sind dagegen alle hübsch modellierten Metalloberflächen – und auch die fein ausgearbeiteten Gesichter der Protagonisten wirke durchaus zeitgemäß. Sehr stark präsentiert sich der Soundtrack von Kazuma Jinnouchi, der mit seinem ungewöhnlichen Mix aus pompösen Orchester-Instrumenten, leichten Electro-Klängen und Gitarren-Einlagen die mystische Halo-Stimmung gut einfängt. Immer wenn ich mit Aufnahmen fürs Videofazit fertig war, musste ich die Musik sofort wieder aufdrehen, weil die Kämpfe dann um einiges mehr Spaß machten.

Der Riese erwacht.
Der komplette Score lässt sich übrigens hier auf Soundcloud anhören. Die Surround-Abmischung ist den Entwicklern ebenfalls gelungen: Insbesondere die Explosionen in Zwischensequenzen und die Waffengeräusche machen die Wucht der Schlacht spürbar (von kleinen Totalausfällen wie dem „Piu, piu!“ der Plasmapistole abgesehen).

Mit voller Wucht

Wuchtig ist übrigens auch der Bodenstampfer. In meinen ersten Mehrspielermatches kam er nur selten zum Einsatz, weil menschliche Gegner oft mit dem neuen kurzen Raketen-Schub ausweichen. In der Kampagne kann es aber durchaus nützlich sein, sich auf einer Anhöhe an einen schwach gepanzerten Gegner anzuschleichen und in von oben zu zermalmen. Rund eine Sekunde schwebe ich in der Luft, um das Ziel am Boden anzupeilen, dann folgt die tödliche Überraschung aus der Luft. Deutlich häufiger habe ich die frontale Ramme eingesetzt, die poröse Wände zu kleinen Grotten durchbricht oder im Nahkampf ordentlich Schaden anrichtet. Außerdem besitzen viele Waffen neuerdings die Möglichkeit, wie in anderen modernen Egoshootern per Visier ein wenig heran zu zoomen. Ich bin noch unentschlossen, ob mir diese Neuerung gefällt – manchmal kann ich mich nicht so recht entscheiden, ob ich direkt aus der Hüfte schießen oder erst anlegen soll.

Schlagende Argumente...
Ein wenig schade ist, dass es insgesamt an den Halo-typischen Massenschlachten und Panoramen mangelt. Stattdessen bin ich meist auf eher schmalen Korridoren unterwegs, die für die Panzer oder mächtig bewaffneten Mantis-Walker ein wenig zu eng gebaut wurden. Die Geschichte um die beiden Spartan-Teams konnte mich ebenfalls nur bedingt motivieren, zumal die Zwischensequenzen oft etwas zu bemüht auf cool getrimmt sind. Das Schicksal von Cortana und der Hintergrund ihrer geheimnisvollen Botschaft haben in der zweiten Spielhälfte aber wieder mein Interesse geweckt. Die Qualität der deutschen Synchro schwankt: Es gibt namhafte Sprecher, die aber offenbar nicht immer ausführlich genug von der Regie vorbereitet wurden. Immer wieder unterhalten sich die Mitglieder des Teams über die Motivationen des Chiefs, den Zusammenhalt seines eingeschworenen Teams – oder sie reißen in der Action einfach ein paar Witze über die kreischenden Grunts. Ein kleines Highlight in der deutschen Vertonung ist die Blutsväter-Illuminatin  „Exuberant Witness“, die lange in Einsamkeit auf ihrem vor Abwehrmechanismen strotzenden Planeten ausharren musste. Als die Spartans endlich für ein wenig Action sorgen, ist das für sie wie Geburtstag und Weihnachten zusammen: Ihr Gemütszustand schwankt dann ständig zwischen der gebotenen Höflichkeit des Protokolls und der Begeisterung eines überdrehten Teenagers, der seine Idole anfeuert: „Sie schlagen sich wacker, finde ich! Es gibt jetzt weniger von ihnen als vorher, was – nehme ich an – ihre Absicht war!“

Fokus statt Vielfalt

Nach dem technischen Debakel bei der Master Chief Collection konzentriert sich 343 Industries im Mehrspieler-Bereich diesmal auf zwei große Modi: Klassische Schießereien auf kleinen Karten in der „Arena“ sowie Schlachten gegen Menschen und die KI im weitläufigen „Kriegsgebiet“. Statt alle Fans zufrieden stellen zu wollen, wurden altbekannte Modi gestrichen. Es ist natürlich schade, dass Klassiker wie der hochspannende Arcade-Modus Firefight oder das ähnlich gestrickte Spartan Ops nicht mehr an Bord sind. Auch der Wegfall von Matches im Splitscreen oder LAN ist eine bittere Pille für die Serie. Die turbulenten Big-Team-Battles und der Level-Editor „Schmiede“ fehlen ebenfalls, sie sollen aber immerhin per Update in den kommenden Monaten nachgeliefert werden. Andererseits tut die Konzentration auf zwei Bereiche dem Multiplayer gut. Der neue Modus Kriegsgebiet ist für mich das klare Highlight: In einem von drei weitläufigen Arealen liefert man sich spannende Schlachten mit anderen Spielern und der KI. Das Spielgefühl wirkt wie ein wilder Mix aus Big Team Battle, Firefight und Planetside 2. Zunächst bin ich noch ahnungslos übers Spielfeld geirrt, nach ein paar Matches konnte ich aber gar nicht mehr aufhören. Seltsam, dass die Entwickler keinerlei Tutorials mitliefern – schaut euch am besten diesen Einleitungs-Trailer an, bevor ihr loslegt.

Attacke!
Ziel des Matches für 24 Spieler ist es, 1000 Punkte zu erreichen. Wie eins der zwei Teams das anstellt, bleibt seinen Mitgliedern überlassen. Belohnt wird z.B. das Erobern von Basen und das Erledigen gegnerischer Spartans. Außerdem wuseln ab und zu KI-Gegner wie Allianzler, Prometheaner und zähe Bosse über die Karte. Wer ihnen den Rest gibt, streicht Punkte für sich und sein Team ein. Damit es noch spannender wird und auch ein unterlegenes Team noch zurückkommen kann, gibt es auch eine alternative Möglichkeit, zu gewinnen: Hält eine Mannschaft drei Basen, öffnet sich der empfindliche Generator-Kern des Gegners. Seine Zerstörung führt zu einem sofortigen Sieg.

Dynamische Schlachtfeld-Atmosphäre

Das Salz in der Suppe sind die Dynamik und die große Entscheidungsfreiheit. Wenn ich respawne und aus einer besetzten Basis zu einem fetten Boss am Strand sprinte, kann es passieren, dass die informative Sprecherin mit mitteilt, dass gerade die Bergspitze vom Gegner eingenommen wurde. Also plane ich kurzerhand um und helfe mit, das Häufchen penetranter Gegner zurückzudrängen, damit sie gar nicht erst dauerhaft Fuß fassen. Falls dort schon viele meiner Kollegen herumgewuselt wären, wäre ich vielleicht zum Strand abgebogen und hätte beim Erlegen von Panzermeister Rok geholfen. Auch dabei ist geschickte Koordination gefragt. Alleine ist es gar nicht so einfach, den fetten Energiebalken zu leeren und seine starken Schergen auszuschalten; in einem koordinierten Angriff mit Flakgeschützen und starken Energiewaffen geht es manchmal trotzdem ruck-zuck.

Im Modus Kriegsgebiet kämpft man gegen 12 Gegner und die auf der Karte herumwuselnde KI.
Wichtig ist hier, die KI nicht nur angzugreifen, sondern sie auch vor gegnerischen Spartans zu beschützen. Wenn ein Sniper des anderen Teams dem Alien aus der Deckung den Rest gibt, streichen schließlich nur er und sein Team die Punkte ein – und unsere ganze Vorarbeit war umsonst. Auf dem Weg zur nächsten Basis kürze ich durch die Höhlen ab und liefere mir noch ein paar Schusswechsel, während ich mit den neuen Ausweich-Düsen von einem Durchbruch zum nächsten husche. Mit letzter Schild-Energie haue ich schließlich zwei Gegner im Nahkampf über den Haufen – ein gutes Gefühl!

Weitläufiges Terrain

Die drei weitläufigen Karten bieten eine hübsche Mischung aus Bergen, Dschungel, Eis und charakteristischen kantigen Alien-Monumenten. Trotz der Größe läuft das Gemetzel auf den dedizierten Servern bemerkenswert flüssig. Lediglich in der minimalistisch gehaltenen Lobby und in Ausrüstungs-Menüs kommt es gelegentlich zu Verbindungsproblemen und Abstürzen. Ein Freund z.B. hing nach einem unserer Matches am nächsten Tag noch in unserem Fireteam fest und konnte erst nach einem weiteren Neustart des Spiels wieder online zocken.

Neuerdings besitzen alle Waffen ein Visier. Im Nahkampf trifft man mit einigen Exemplaren aber aus der Hüfte nach wie vor präzise.
Die zahlreichen Waffen und Fahrzeuge bringen natürlich noch mehr Spaß in die Jagd. Ähnlich wie in Planetside 2 werden sie an kleinen Terminals des so genannten „Requirierungs-Systems“ (kurz Req.) herbeigerufen. Hat unser Team im Match bereits viele Ziele erledigt und Punkte eingestrichen, steigt auch der „Rang“ des Systems. Bei Level 3 kann ich mir einen hübschen kleinen Ghost aus der Waffenkammer abholen, mit dem ich agil über den Strand gleite und meine Widersacher mit schnellen Salven ärgere. Steigt das Level weiter, werden mächtigere Vehikel wie Panzer, ein fliegender Banshee oder ein Mech mit Stampfattacke freigeschaltet – sogar in diversen aufgemotzten Varianten. Um sie bestellen zu können, muss ich mir allerdings vor dem Match entsprechende Einwegkarten verdienen, die ich ähnlich wie in Plants vs. Zombies: Garden Warfare in kleinen Sammelpäckchen freischalte, z.B. beim Levelaufstieg. In ihnen stecken zufällig zusammengewürfelte Einweg-Karten für Vehikel, Waffen und Extras wie mehr Schildenergie oder ein Geschwindigkeits-Boost. Manchmal sind auch permanente Verbesserungen wie Zoom-Visiere für bestimmte Waffen dabei – oder man erwischt stattdessen nur ein paar öde visuelle Rüstungs-Mods zum Aufhübschen des eigenen Spartans. Die Überraschungs-Tütchen der Klasse Bronze, Silber und Gold lassen sich auch mit Echtgeld erwerben – eine unschöne Entwicklung, die aber zum Glück nur leicht in die Chancengleichheit eingreift.

Schon wieder In-App-Käufe…

Wer sich mit z.B. mit massenhaft schweren Geschützen eindeckt, kann im Match nicht pausenlos darauf zugreifen, da sich nach einer Anforderung erstmal sein Cooldown-Timer aufladen muss. Dauerhafte Verbesserungen oder mehr Glück beim Kärtchengewinn bekommt man als zahlender Spieler aber etwas schneller. Es kann durchaus von Vorteil sein, wenn man in einer überrannten Basis zur passenden Zeit immer ein Energieschwert zur Hand hat. Wer sich seine Extras lieber ehrlich verdienen will, kann z.B. eine festgelegte Anzahl von Kills mit der Magnum austeilen oder bestimmte Gegner-Arten erledigen, um „Belobigungen“ zu kassieren. Von kleinen Dämpfern abgesehen bietet der Modus Kriegsgebiet aber einen großartigen Mix aus unterschiedlichen Einflüssen, die zusammen erstaunlich gut funktionieren. Es gibt Anleihen ans Freiheitsgefühl von Planetside 2, in Halo 5 fühlte ich mich aber nur selten verloren, weil alles im überschaubaren Rahmen eines klassischen langen Einzel-Matches abläuft. Wer möchte, kann sich auch an einem modifizierten Spielmodus auf leicht abgewandelten Karten versuchen: Der „Kriegsgebiet-Angriff“ erinnert ein wenig an Battlefield. Dort nimmt man hintereinander liegende Basen des Gegners ein oder muss sie im anderen Team verteidigen. Die Action fühlt sich hier aber weniger dynamisch an als in EAs Militär-Shooter oder Plants vs. Zombies: Garden Warfare – vor allem, weil das Terrain sich nicht zerstören lässt.

Schnelle Schusswechsel

In der klassischen Arena bekriegen sich bis zu acht Spartans ohne Freischalt-Schnickschnack. Oft geht es darum, sich eine der auf dem Feld erscheinenden Spezialwaffen zu sichern.
Ebenfalls gelungen wirkt der klassische Multiplayer in der „Arena“ für bis zu acht Spieler. Anders als im Kriegsgebiet herrscht hier grundsätzlich Chancengleichheit. Man erhöht zwar sein Level, es starten aber alle Spieler ganz klassisch mit den gleichen Voraussetzungen ins Match, ohne Perks und Freischaltungen. Hier fetzt sich vor allem die Infanterie auf kleinen Karten. Der flotter gewordene Schlagabtausch nähert sich Call of Duty an, vor allem durch das häufige Anvisieren, Ausweichen per Düsenschub sowie das schwungvolle In-Deckung-Rutschen. Die neuen Steuerungsmöglichkeiten greifen aber gut ineinander, so dass ich nach der Eingewöhnungsphase immer souveräner wurde. In den 15 kleinen Arenen fallen kahle Wände und grob aufgelöste Texturen noch etwas stärker auf, weil die Grafik hier eher auf Funktionalität getrimmt wurde. Am Rande einer Unterwasser-Basis schwimmt z.B. ein fetter Wal vorbei – trotzdem wirkt die Welt aber ähnlich starr und unbelebt wie in Activisions Shootern. Manche der Schauplätze sind einfach überarbeitete Arenen aus älteren Spielen.

Spielerisch gefällt mir das Design der 15 Karten aber richtig gut (mehr als 15 weitere sollen übrigens in kostenlosen Updates folgen). Auf den oft symmetrischen Arealen gibt es kleine Schlupfwinkel, die aber gut durch alternative Durchgänge angegriffen werden können. Jeder Bereich der Karte besitzt Namen wie „Grube“, „Draußen“ oder „blauer Hof“, die am unteren Rand eingeblendet werden. Stehen meine Mitspieler unter Druck, teilen mir das ihre Spartans oft kurz und bündig mit: „Stehe unter Beschuss beim Kino“ oder ähnlich Sätze schallen oft durch den Raum, damit man schnell zur Hilfe eilen kann – praktisch!

Fast wie beim Paintball

Diesmal wird neben der mittelmäßig gelungenen deutschen Synchro auch der englische Originalton mitgeliefert.
Eine schöne Abwechslung für zwischendurch bietet eine blitzschnelle Runde „Ausbruch“. Die schmalen minimalistischen Drahtgitter-Areale erinnern an Paintball-Felder. Nachdem das Team von einer Seite auf den Platz geschleudert wurde, versucht man, sich möglichst schnell die Flagge zu schnappen und ins gegenüberliegende Ziel zu sprinten -  oder man schaltet einfach alle Gegner aus. Eine Runde ist meist nach wenigen Sekunden vorbei, da man wie in Counter-Strike nur ein Leben besitzt. Alternativ zum Matchmaking der Spiellisten gibt es nach wie vor die Möglichkeit eines eigens erstellten Matches: Mit eingeladenen Spielern startet man dann auf der Karte seiner Wahl und stellt die Regeln nach seinen Vorlieben ein. Tauschen lassen sich erstellte Spiel-Varianten allerdings noch nicht – vermutlich reichen die Entwickler die Funktion zusammen mit dem Level-Editor nach. Enthalten sind die von den Entwicklern mitgelieferten Klassiker wie (Team-) Deathmatch, verschiedene Flaggen-Eroberungen oder das Halten von Zonen.

Fazit

In meinen ersten Online-Matches hat Halo 5 schon richtig gerockt – die rund acht Stunden lange Kampagne scheint bei der Entwicklung aber die zweite Geige gespielt zu haben. Die Geschichte rund um die beiden Spartan-Teams und Cortanas kryptische Botschaft hat erst gegen Ende mein Interesse geweckt und auch spielerisch bietet mir das Abenteuer zu wenig serientypische Momente. Warum gibt es nicht mehr offene Areale mit knackigen Massenschlachten oder wenigstens ein paar stimmungsvoll ruhige Levels, in denen ich mich alleine mit dem Chief durchschlage? Stattdessen liefere ich mir viele Standard-Scharmützel gegen Kriegergrüppchen, in denen ich dank der bewährten Halo-KI und fetter Fahrzeuge aber immerhin mehr Spaß hatte als in Destiny. Auch technisch halten sich Stärken und Schwächen in etwa die Waage. Einerseits beeindruckt die Darstellung mit hochstabilen 60 Bildern und nahtlos umgesetzter dynamischer Skalierung der Auflösung. Das angenehm augenschonende Bild wird aber mit teils unscharfen Texturen, nachladenden Detailstufen und etwas abrupten Animationen erkauft. Schade auch, dass der launige Splitscreen-Modus gestrichen wurde, denn im gut ausbalancierten Online-Koop macht das Gemetzel noch eine ganze Ecke mehr Spaß. Wen ich jetzt schon eine Wertung vergeben müsste, würde ich den Solo-Part im mittleren befriedigenden Bereich einordnen. Der vielversprechende Multiplayer dürfte das Ergebnis aber stark verbessern, falls die Matches in den kommenden Tagen flüssig laufen. Vor allem der neue Modus Kriegsgebiet scheint ein toller Mix aus Kampf gegen Menschen und die KI zu werden.



Update zum Multiplayer vom 29. Oktober 2015:


Die Kampagne von Halo 5 ließ mich ein wenig ernüchtert zurück, im Mehrspieler-Part hatte ich aber schon lange nicht mehr so viel Spaß an einem Shooter: Vor allem im neuen Modus Kriegsgebiet entwickeln sich herrlich flüssige, dynamische und turbulente Massenschlachten mit viel persönlicher Freiheit. Ich hätte nicht gedacht, dass 343 Industries die vielen Zutaten zu solch einer tollen Mischung mit Kämpfen gegen Menschen und die KI vermischen kann. Für einen kleinen Dämpfer sorgen allerdings die Mikrotransaktionen, Menü-Fehler und das Streichen altbekannter Modi und Features. Die klassischen Arena-Gefechte auf kleinen Karten passen aber gut zur gestiegenen Agilität der Spartans. Schön, dass die Entwickler wieder eine Alternative zum Freischalt-Trend anbieten, bei dem jederzeit Chancengleichheit herrscht. Auch hier machen sich Microsofts dedizierte Server bezahlt, die im Hintergrund für beinahe lagfreie Matches sorgen.

Pro

typisch verbissene Halo-Zweikämpfe gegen agile Aliens
Computer-Kollegen kämpfen sinnvoll mit
einfache Befehle an die KI erleichtern den Kampf
Story-Schwierigkeitsgrad motivierend auf Online-Koop abgestimmt
hübsch designte, transformierende Alien-Krieger
gigantische Kultstätten und beindruckende Wächter
sehr feinfühlige, präzise Steuerung
butterweiche, stets stabile 60 Bilder pro Sekunde
mystisch-energetischer Musikmix aus Orchester, Rock und Electro
tolles Sound-Design lässt Waffen und entfernte Welten lebendig werden
druckvolle Surround-Abmischung, vor allem in Zwischensequenzen
Kriegsgebiet ist eine dynamische, unheimlich motivierende Schlacht gegen Menschen und KI
weitläufige Schlachtfelder mit idyllisch-charakteristischen Bauwerken
kleine Arenen mit geschickt platzierten Schlupfwinkeln und Durchgängen
bemerkenswert saubere Online-Matches, fast komplett ohne Lags
Matchmaking vermittelt meist gleichwertige Gegner
nützliche neue Nahkampf-Attacken und Ausweichmanöver
viele durchdachte Mechanismen zum Aufrechterhalten der Balance
Req-System und Freischaltungen sorgen für Extra-Motivation
spannende kleine Mehrspieler-Matches mit Chancengleichheit in der Arena

Kontra

kaum weite Areale
nur wenige epische Massenschlachten
kaum atmosphärisch ruhige Momente, da man immer im Team unterwegs ist
Befehle an die KI bringen kaum taktische Finessen in die Kampagne
schwach aufgelöste Texturen
unschönes Nachladen der Detailstufen
ruckartige 30-Frames-Animationen in der Entfernung
weniger knackig-spannende Momente als früher, u.a. aufgrund der Wiederbelebung durch KI-Spartans
Splitscreen-Modi, LAN und lokaler Koop komplett gestrichen
Erzählung wird erst in den letzten Missionen spannend
Geschichte setzt etwas zu häufig Serienkenntnisse voraus
Server für Spielvermittlung und Freischaltungen gelegentlich überlastet
Big Team Battle und Level-Editor nicht zum Start dabei
spannender Arcade-Modus Firefight bzw. Spartan Ops wurde gestrichen
Mikrotransaktionen im Kriegsgebiet (mit minimalem Einfluss auf Balance)
kleine Bugs und seltene Abstürze
fehlende Tutorials machen Einstieg in den Multiplayer verwirrend
Freischaltungen und Menüs unübersichtlich strukturiert

Wertung

XboxOne

Die Kampagne enttäuscht mit einer schwachen Story und zu wenig Herausforderung, das neue Mehrspieler-Gemetzel Kriegsgebiet ist aber intensiv und aufregend.

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