2Dark16.03.2017, Benjamin Schmädig

Im Test: Im Dunkeln tappen

Vermisste Kinder, furchteinflößende Gestalten und jede Menge Finsternis: In unserem Test wird 2Dark (ab 11,99€ bei kaufen) (Deutsch: „zu dunkel“) seinem Namen mehr als gerecht. Ein Privatschnüffler macht sich auf die Spur vermisster Kinder, die in einer Achterbahn oder einem Sterbeheim festgehalten werden und stolpert über Grausamkeiten, die noch weit über das Kidnapping hinausgehen… Vor mehr als 20 Jahren hat Frédérick Raynal mit Alone in the Dark den Erfolg des Survival-Horrors eingeläutet – löst sein neuestes Abenteuer in unserem Test eine ähnliche Faszination am Gruseln aus?

Gruselige Stealth-Action

Um 2Dark zu verstehen, sollte man nicht nur erwähnen, dass Raynal vor etlichen Jahren mal mit Horror zu tun hatte, denn der Franzose zeichnet auch für Little Big Adventure sowie das Actionspiel Time Commando verantwortlich. Und tatsächlich hat 2Dark im Grunde ähnlich viel mit Survival-Horror zu tun wie eins dieser beiden Spiele.

Denn hier geht es nur am Rande um den Kampf und das Verwalten knapper Heilkanister; hauptsächlich schleicht man an Wachen vorbei und eskortiert gefangene Kinder zum Ausgang. Weil es dabei für viele Situationen unterschiedliche Lösungen gibt, erinnert 2Dark an ehesten an ein Hitman aus der Vogelperspektive. Immerhin erhält man beim

"Zu dunkel" ist es fast überall. Taschenlampe und Kerzen bringen Licht in die Umgebung.
Erkunden der Umgebung und dem Belauschen ihrer Bewohner und Wachen Hinweise darauf, welche Objekte welche Funktion haben, wann eine Figur was tun wird oder wo Geheimnisse versteckt sind. So tastet man sich langsam vor, versteckt sich in tiefschwarzen Schatten und kehrt in bereits besuchte Räume zurück, um nicht vollendete Aufgaben zu erledigen.

Automatik-Unterhaltung

Bis man sich unbeschwert und vor allem ungesehen so bewegt, kann es allerdings eine Weile dauern, denn 2Dark verzichtet in vielen Bereichen auf eine vertraute Steuerung. In der Rolle des erwähnten Schnüfflers und ehemaligen Detektivs Mr. Smith aktiviert man Hebel und Schalter nämlich, indem man einfach dagegen läuft. Auf die gleiche Weise hebt man Gegenstände auf, während sogar Dialoge automatisch ablaufen. Diese und andere Kleinigkeiten ergeben durchaus Sinn. Sie erzeugen allerdings einen ungewohnten Spielfluss, an den man sich u.a. deshalb gewöhnen muss, weil der Ablauf nie unterbrochen wird.

Ebenso unübersichtlich wie unhandlich fällt dabei das Wühlen in dem großen Inventar aus. Im schlimmsten Fall kostet das sogar lebenswichtige Sekunden. Praktisch wäre zumindest die visuelle Trennung der vielen Informationen und Hinweise von Gebrauchsgegenständen wie Taschenlampe, Brecheisen oder Pistolen.

Viele Charaktere, auf die Mr. Smith trifft, verfolgen ganz verschiedene Agendas.

Immerhin darf man jederzeit speichern – aber nur auf einem einzigen Spielstand, was Spielbarkeit und Anspruch perfekt verbindet. Stilvoll kombiniert man dafür übrigens Feuerzeug und Zigaretten, woraufhin Smith einen Glimmstängel anzündet, raucht und wieder austritt.

Die Kippe im Dunkeln

2Dark lebt von solchen Kleinigkeiten. Gelegentlich hustet Smith beim Speichern etwa, was natürlich Krach macht. Und tobt draußen ein Gewitter, ist er selbst im Schatten dunkler Zimmer sichtbar, wenn es blitzt. Das sollte man beim Verstecken also unbedingt beachten. Überhaupt spielen Licht und Schatten eine große Rolle, da Wachen oft mit Taschenlampen patrouillieren, während man nur Smiths Fußspuren sieht, während er durch einen Schatten huscht. Von seiner Zigarette sieht man an solchen Stellen nur den glühenden Tabak und will man dort einen aufgelesenen Zettel lesen, muss man eine Kerze oder eine Taschenlampe anmachen – das gehört zu diesen Kleinigkeiten.

Verschiedene Personen verfolgen übrigens ganz unterschiedliche Interessen: Manche wollen dem Eindringling sofort an den Kragen, andere holen Hilfe oder lösen Alarm aus und wieder andere plaudern gar mit ihm. Dass diese und andere Unterhaltungen erstens von selbst und zweitens komplett in Textform ablaufen, ist allerdings ein Problem. Dadurch wird man nämlich selbst dann zum Lesen gezwungen, wenn man sich gerade versteckt, vor einem Gegner davonläuft oder gar aufpassen muss, nicht in eine tödliche Falle zu tappen. So wichtig viele Informationen sind, die

Bevor Smith weiß, wohin er als Nächstes muss, kombiniert man die gesammelten Indizien.
man verschiedenen Gesprächen entnimmt, so sehr schwebt da ständig die Angst mit, etwas Wichtiges zu verpassen. Natürlich ist eine Vertonung vor allem für ein kleines Studio finanziell aufwändig – nichtsdestotrotz wäre sie in 2Dark aber wichtig gewesen.

Gehen Kinder über Leichen?

Schade ist auch, dass sich die Figuren nicht immer logisch verhalten. Im Einzelfall übersehen sie etwa eine Leiche und es fällt leicht ihnen davonzulaufen. Sie suchen nicht gründlich genug, schalten den Alarm zu schnell ab und ändern anschließend nicht ihre Laufwege. Dass man auf leisen Sohlen langsam hinter ihrem Rücken schleichen kann und sie mit geworfenen Bonbons oder einem lauten „Hey!“ ablenken kann, verleiht der Stealth-Action eine angenehme Dynamik. Insgesamt begnügt sich 2Dark aber mit einem relativ oberflächlichen Katz-und-Maus-Spiel.

Immerhin ist es schwierig, die Gebäude so zu infiltrieren, dass man keiner einzigen Wache das Leben nimmt. Die sind nämlich so aufmerksam, dass das heimliche Vorbeistehlen oft gar nicht einfach ist. Richtig knifflig wird das spätestens dann, wenn man die Kinder aus den hintersten Winkeln unversehrt zum Ausgang bringen will. Immerhin kann man sie zwar anhalten Mr. Smith zu folgen oder auf sein Zeichen zu warten, manche weinen aber, bleiben unvermittelt stehen oder weigern sich, über Tote zu steigen. Schön, dass man die Leichen aus dem Weg schleppen darf! Wer eine Herausforderung sucht, wiederholt einmal erledigte Level außerdem, um sämtliche Bonbons zu finden, alle Kinder unversehrt zu befreien und jede Wache am Leben zu lassen.

Gruselig ist nicht nur, was mit den entführten Kindern geschieht - unheimlich ist auch da unübersichtliche Inventar.

Manche Gefahren erkennt man aber leider erst, nachdem man einmal in die entsprechende Falle getappt ist oder nach dem prophylaktischen Abspeichern einfach mal ausprobiert hat, ob dieser oder jener Charakter Mr. Smith eigentlich feindlich gesinnt ist. Raynal hat in seinem aktuellen Projekt zwar viele Ideen untergebracht, aber nicht die Mittel gefunden, diese in jedem Fall schnell und klar zu kommunizieren.

Makaber statt gefühlvoll

Und leider ist die Geschichte übrigens kaum der Rede wert, weil sie dem gruseligen Schleichen zwar einen passenden morbiden Rahmen verleiht, für sich genommen aber nur ein schmales Comicheft füllen könnte. Als getriebenen Vater, der seine vor sieben Jahren entführten Kinder sucht, nimmt man Mr. Smith jedenfalls kaum wahr. Dazu stehen die makaberen Details der aktuellen Entführungen viel zu sehr im Vordergrund – und dienen selbst als solche hauptsächlich als spielerischer, kaum als emotionaler Antrieb.

Interessant sind immerhin die Zwischenstopps des ehemaligen Detektivs in seinen eigenen vier Wänden, wo er nach jedem Ausflug die gefundenen Indizien sammelt und kombiniert, um das Ziel seines nächsten Einsatzes zu erfahren. Dass nicht einfach nur ein Level an den nächsten gereiht wird, verleiht der Suche nach seinen Kindern ein wenig zusätzliche Tiefe, weil die Abstecher zwar kurz sind, man die möglichen Beweise aber selbst richtig kombinieren muss.

Fazit

Dem Vater des Surivial-Horrors ist mit 2Dark eine recht eigenwillige Mischung aus gruseliger Stealth-Action und Adventure gelungen: Auf den ersten Blick ist vieles so unübersichtlich und im Detail nicht ausgefeilt, dass man ein, zwei Stunden lang tatsächlich Arbeit investieren muss, um überhaupt ins Spiel zu finden – einmal angekommen ermöglichen durchdachte Kleinigkeiten aber ein so spannendes Rätseln, oft mit verschiedenen Lösungswegen, dass die Suche nach den entführten Kindern einen ganz eigenen Charme entfaltet. Die Stealth-Action bleibt oberflächlich, die Steuerung teilweise unhandlich und selbst starken Wachen entwischt man allzu leicht. Dafür genießt man eine relativ große Freiheit beim Manipulieren der Umgebung und erhält wichtige Hinweise, wenn man Dialoge belauscht und Wachen oder Bedienstete beobachtet. 20 Jahre nach Alone in the Dark gelingt Frédérick Raynal damit erneut ein wohl kaum wegweisendes, aber ebenso besonderes wie liebenswertes Grusel-Abenteuer.

Pro

verschiedene Lösungen für viele Situationen
Umgebung auf verschiedene Weise manipulierbar
Bonusziele motivieren gründliches Durchsuchen und umsichtiges Vorgehen
Anwählen abgeschlossener Levels zum Perfektionieren des Durchlaufs
Kinder reagieren auf Ereignisse und verhalten sich z.T. unvorhersehbar
Speichern jederzeit möglich, aber nur auf einem Spielstand
kleine Rätsel beim Kombinieren von Indizien

Kontra

manche Probleme und Gefahren nur durch Trial&Error zu erkennen
Verhalten der Gegner nicht immer nachvollziehbar
Wachen lassen sich schnell abschütteln, Alarms leicht aussitzen
unhandliche und unübersichtliche Steuerung im Inventar, besonders mit Controller
selbstlaufende, ausschließlich geschriebene Dialoge erschweren Übersicht und Verständnis

Wertung

PC

Eigenwilliges und teilweise sperriges Grusel-Abenteuer, das von einer angenehmen spielerischen Freiheit und sympathischen Ideen lebt.

PlayStation4

Eigenwilliges und teilweise sperriges Grusel-Abenteuer, das von einer angenehmen spielerischen Freiheit und sympathischen Ideen lebt.

XboxOne

Eigenwilliges und teilweise sperriges Grusel-Abenteuer, das von einer angenehmen spielerischen Freiheit und sympathischen Ideen lebt.

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