Gene Rain30.07.2018, Mathias Oertel
Gene Rain

Im Test: "All curses is come true"

Angesichts der Spieledürre im Sommer scheinen sich manche Indie-Entwickler besondere Chancen mit einer kurzfristigen Veröffentlichung in den Digitalstores auszurechnen. Doch wie verzweifelt muss man als Entwickler eigentlich sein, um den Deckungs-Shooter Gene Rain in dieser Form zu veröffentlichen? Denn der Test hat gezeigt, dass bei dem Gears-of-War-Klon nicht viel zusammenpasst.

Bitte was?

Dass Spiele von Indie-Entwicklern in dem einen oder anderen Bereich nicht ganz so hochglanzpoliert sind wie Titel mit entsprechend hohem Budget, ist normal. Ich kann gewisse Defizite verschmerzen, wenn das Ergebnis unter dem Strich cool ist und zumindest noch irgendwie Spaß macht. Doch was das chinesische Team von Deeli Networks in manchen Punkten mit Gene Rain abliefert, ist amateurhaft. Vor allem hinsichtlich englischer Übersetzung und Sprachausgabe rutscht der Deckungs-Shooter nicht nur gelegentlich in den Trash-Bereich ab, sondern geht weit über den Punkt hinaus, an dem man sich über das Fehlen der Qualität amüsieren könnte. Stattdessen fasst man sich nur noch verzweifelt an die Stirn. Nicht nur, dass die Übersetzung  von irgendeinem schlechten Internet-Bot angefertigt worden zu sein scheint. Darüber hinaus wurden sehr häufig asiatische Sprecher hinter das Mikro gezerrt, die ihre Probleme mit englischer Aussprache haben. Andere wiederum scheinen während der Aufnahmen einige Fehler im Rahmen der Übersetzung realisiert zu haben und versuchen, eigenmächtig Korrekturen zu setzen, so dass es mitunter zu Diskrepanzen zwischen geschriebenem und gesprochenem Text kommen kann. Dass dadurch das Verständnis-Chaos nicht verkleinert wird, ist klar. Dummerweise wird bei Gene Rain die ohnehin hanebüchene Story, die sich mir auch nach Stunden nicht erschließt, von den Übersetzungs- oder Sprechfehlern komplett torpediert.  

Derart volumenarme Explosionen habe ich zuletzt in Earth Defense Force gesehen. Dort war es im Gegensatz zu hier allerdings stylisch...
Zwar kann ich mir z.B. in den Optionen zusammen reimen, was „Auxilliary Collimation“ bedeutet, nämlich Zielhilfe. Doch wenn man über das Reindrücken des linken Sticks den „Gallop Mode“ (Sprint-Modus) aktiviert, man hinter „low, middle or high shelter“ Schutz sucht oder man über den Satz „I hope this city is as peaceful as ist shows out“ stolpert, der fast schon aus dem Deutschen ins Englische übersetzt sein könnte, ist dies nur die Spitze des Eisbergs, der stellvertretend für den Produktionsaufwand steht, den man bei Gene Rain betrieben hat – nahezu keinen. Und das setzt sich auch bei der Kulisse fort. Selbst von einem Spiel eines unabhängigen Teams darf man erwarten, dass es mit der Unity-Engine einigermaßen zeitgemäße bzw. vorzeigbare Kulissen präsentiert. Doch abseits einiger Texturen von Protagonisten (immerhin steuert man im Wechsel drei Figuren) wirkt Gene Rain wie ein unspektakuläres Spiel aus den Anfängen der PS3- bzw. 360-Zeit. Und selbst dort gab es schon deutlich imposantere Explosionen als hier.

Klon of War

Doch nicht alles ist auf dem nahezu unterirdischen Niveau der Soundkulisse oder großer Teile der visuellen Umsetzung. Denn in seinen besten Momenten (aka den weniger schlechten) sorgt die hemmungslos von Gears of War (minus die Kettensäge) „inspirierte“ Mechanik tatsächlich für etwas, das entfernt an Unterhaltung erinnert. Per Knopfdruck kann man hinter entsprechenden Objekten in Deckung gehen und von dort die Gegner mit einer von drei Waffen (die später noch aufgerüstet werden dürfen) sowie Granaten unter Beschuss nehmen. Erleichtert wird dies durch die KI, die keinen Überlebensroutinen zu folgen scheint, sondern wie eine Horde wilder Hühner mal in Deckung ist, dann wieder rausspaziert und sich offenbar nicht

Angesichts einiger technischer Macken wirken viele der herben Übersetzungs- und Sprachausgabe-Probleme wie Kleinkram...
darum schert, dass man gerade auf sie anlegt. Immerhin: Auf „Normal“, dem mittleren von drei Schwierigkeitsgraden, erweist sie sich trotz ihrer Bewegungs-Defizite als durchaus zielsicher und kann einem das Vorwärtskommen immer mal wieder erschweren.

Nach einem Ableben bekommt man häufig einen weiteren Schock: Die Rücksetzpunkte sind mitunter sehr unglücklich gesetzt und können sich auch durchaus mal vor etwas längeren Dialogsequenzen befinden, die man als Strafe für seine Unvorsichtigkeit nicht abbrechen darf. Doch es sind nicht nur die mit viel Gutmütigkeit „unterdurchschnittlich“ umgesetzten Mechaniken, die die Action so sperrig machen. Weitgehend fehlendes Trefferfeedback (außer man wird selbst getroffen), ein blecherner Sound aller Wummen, Probleme mit Animationsphasen, mitunter erst spät reagierende Umsetzung der Pad-Eingaben: In zu vielen Punkten wirkt Gene Rain wie ein Hobbyprojekt von enthusiastischen Entwicklern, deren Ambition ihre Fähigkeit um ein Vielfaches übertrifft. Immerhin: Es gibt durchaus ansprechende Gegnervariation. Das macht das Spiel als Gesamtes jedoch nicht besser...

Fazit

Au Backe. Während das chinesische Indie-Team von Deeli Network bei ideellen Werten wie Umfang, der prinzipiellen Mechanik oder einer variantenreichen Spielzeit seine Hausaufgaben gemacht hat, ist man technisch in vielerlei Hinsicht ein bis zwei Konsolengenerationen zu spät. Die Kulisse ist im Bestfall auf PS3- oder 360-Niveau. Die Akustik ist angefangen von den blechernen Schussgeräuschen über die nervtötenden Musikloops bis hin zur sehr häufig unverständlichen englischen Sprachausgabe ein Graus und schafft es nicht einmal, sich über den Trash-Faktor zu definieren. Darüber hinaus sorgen die Probleme, die sich aus der Kombination „schlechte Übersetzung mit noch schlechteren Sprechern“ ergeben, für eine vollkommen unverständliche Geschichte – in nahezu jeder Hinsicht. Jedes Mal, wenn die deutlich von Gears of War inspirierte Baller- und Deckung-Action auch nur einigermaßen in Fahrt kommt, stolpert man hier über irgendeinen technisch Makel. Dass es manchmal besser sein kann, gut zu kopieren, anstatt schlecht selbst zu machen, ist bekannt. Doch was, wenn man nicht einmal gut kopieren kann? Dann heißt das Ergebnis „Gene Rain“. Und so tief kann das Sommerloch gar nicht sein, dass man sich damit längerfristig beschäftigt.

Pro

prinzipiell funktionierende Balleraction mit Deckungsmechanik
ordentlicher Umfang
passable Gegner-Vielfalt
drei Protagonisten
Waffen können aufgerüstet werden
Horde-Modus (nach Kampagnen-Ende)

Kontra

vollkommen hanebüchene Story
altbackene Kulisse auf PS3-Niveau
magere Akustik
schwache KI
häufig unverständliche englische Übersetzung und Sprachausgabe
kein bzw. nur minimales Treffer-Feedback
durchaus häufig hakelige Steuerung
niedrig aufgelöste Zwischensequenzen
mitunter unpassend gesetzte Kontrollpunkte

Wertung

XboxOne

Jegliche Ansätze, die der stark von Gears of War inspirierte Deckungs-Shooter bietet, werden von der maroden Technik und mageren Akustik mitsamt schwacher englischer Übersetzung zunichte gemacht.

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