Neuroshima Hex!13.02.2013, Jörg Luibl
Neuroshima Hex!

Im Test:

Angesichts der Flut neuer Spiele für iOS und Android vergisst man oft, dass viele Perlen bereits veröffentlicht, aber leider viel zu selten besprochen worden sind.  Einer dieser wenig bekannten Geheimtipps für Rundentaktiker kommt aus Polen, macht mit seinen dynamischen Hexfeldgefechten richtig Laune und beruht auf einem Brettspiel.

Knallharter Kampf um Lebenspunkte

Tolles Artdesign, intutive Steuerung: Neuroshima Hex inszeniert edle Rundentaktik nach Brettspielvorbild.
Tolles Artdesign, intutive Steuerung: Neuroshima Hex inszeniert edle Rundentaktik nach Brettspielvorbild.
Das Schlachtfeld sieht zunächst aus wie eine leere Wabe: 19 sechseckige Felder warten auf die ersten Spielzüge in einem Gefecht zwischen zwei bis vier postapokalyptischen Armeen mit bis zu 14 unterschiedlichen Truppentypen. Wer sich für Moloch, Borgo, Outpost oder Hegemony entscheidet, findet also auch andere Schwerpunkte, was Angriffsarten und Zusatzkarten betrifft. Allerdings treten die Truppen nicht in Form von Miniaturen oder Figuren auf, sondern als Symbole auf Hexfeld-Plättchen. Diese bilden quasi das eigene Deck, aus dem zufällig gezogen wird.

Zuerst wird immer die Basis ausgelegt, die nicht zerstört werden darf. Wo platziert man dieses Hauptquartier mit 20 Lebenspunkten? Das kommt darauf an, was es leisten kann: Denn es ist nicht nur das Ziel des Feindes, sondern kann auch Boni für die Inititative oder die Trefferquote liefern sowie am Ende der Züge aktiv angreifen – und zwar in alle sechs Richtungen. Auf den meisten anderen Karten zeigen Pfeile an, wo man Schaden zufügen kann; manchmal nur geradeaus, in zwei oder drei Richtungen.

Zufallskarten aus dem Armee-Deck

Zu Beginn legt jeder seine Basis aus: Die hat 20 Lebenspunkte und sollte geschützt werden.
Zu Beginn legt jeder seine Basis aus: Die hat 20 Lebenspunkte und sollte geschützt werden. Interessant ist, dass sie passive Boni bringt und selbst angreifen kann.
Jeder Spieler legt nach seinem Hauptquartier abwechselnd bis zwei von drei verfügbaren Plättchen aus (eines davon muss jede Runde abgeworfen werden), die zufällig aus dem vorhandenen Deck gezogen werden – und das kann schon mal die entscheidende Wendung bringen, was reine Taktikfüchse vielleicht nerven wird. Wie in einem Sammelkartenspiel gibt es klassische Truppen mit Lebenspunkten sowie Unterstützer bzw. Ereignisse. Man kann alles frei platzieren, profitiert aber von der cleveren Nachbarschaft: Neben Nah- und Fernkämpfern gibt es nämlich auch effektive Verstärker. Hinzu kommen Überraschungen wie umgedrehte Waffengattungen, direkt eingeleitete Kämpfe oder Flächen deckende Bomben.

Die Steuerung ist simpel: Einfach Plättchen antippen und so drehen, dass man möglichst effizient trifft. Manchmal kann das aktive Drehen per Finger etwas fummelig sein, aber man gewöhnt sich daran und ansonsten läuft die Bedienung intuitiv. Schön für Einsteiger ist nicht nur das knackige Tutorial auf dem iPad (auf Android wird auf ein Video verlinkt), sondern auch, dass man sich jederzeit kontextsensitive Hilfe zu den Karten anzeigen lassen kann, indem man das Info-Icon anklickt. Schade ist, dass das komplette Spiel bisher nur auf Englisch erhältlich ist; allerdings muss man nicht allzu viel lesen.

Die Macht der Reihenfolge

Es gibt vier Armeen mit unterschiedlichen Truppentypen: Per Info-Icon kann man sich alle Fähigkeiten anschauen.
Es gibt vier Armeen mit unterschiedlichen Truppentypen: Per Info-Icon kann man sich alle Fähigkeiten anschauen.
Das Besondere an Neuroshima Hex! ist zum einen die Macht der Reihenfolge: Denn sobald es zu einem Kampf kommt, schlagen zuerst die schnellsten Einheiten oder Manöver zu. Wer seinen Nahkämpfer mit Initiative 3 direkt an einen feindlichen mit Initiative 2 anlegt, wird diesen also vernichten, bevor er überhaupt zuschlagen kann – es sei denn, er hat mehr als einen Lebenspunkt. Oder es sei denn, der Gegner legt vor dem Kampf noch einen weiteren mit Initiative 4 direkt neben jenen mit 3 aus. Verwirrt? Keine Bange, denn unter iOS und Android wird alles automatisch in kleinen animierten Gefechten abgerechnet.

Die zweite Besonderheit ist zum anderen die Dynamik: Das Schlachtfeld ist ständig in Bewegung, weil nicht nur gefallene Truppen oder verbrauchte Karten vernichtet werden, sondern weil man auch aktiv Plättchen ein Feld weiter schubsen oder gar fangen kann, indem man Truppen mit Netzen auslegt, die ihre Nachbarn quasi kampfunfähig machen.

Ihr seht schon: Obwohl das Zugglück eine Rolle spielt, kann man Runde für Runde kontern, für Überraschungen sorgen und muss seine Taktik stetig anpassen. Man kann sich auf direkten Schaden gegen die feindliche Basis konzentrieren, aber es kann cleverer sein, zunächst die Fernkämpfer auszuschalten oder die eigenen Fähigkeiten zu erhöhen.

Vom Brettspiel zum Toucherlebnis

Das Spiel ist bereits im vollen Gange: Man kann Karten blocken, kontern und aufrüsten.
Das Spiel ist bereits im vollen Gange: Man kann Karten blocken, kontern und aufrüsten.
Man kann per Pass&Play oder online über GameCenter mit bis zu vier Leuten kämpfen. Die haben evtl. über Zusatzkäufe neue Armeen erworben - ärgerlich ist, dass es keine Kampagne gibt, in der man weitere Karten bzw. Truppen für seine bestehende Armee freischalten kann. Schön ist, dass Solisten in den separaten Gefechten auch von der KI gefordert werden: Man kann sie in drei Stufen einstellen, wobei schon die zweite sehr clever agiert. Da werden gezielt die wichtigsten Truppen vernichtet oder geblockt.

Neuroshima Hex! beruht übrigens auf dem Brettspiel von Michal Oracz aus dem Jahr 2006. Leider ist es damals komplett an mir vorbei gegangen, deshalb findet ihr es auch noch nicht in unserem Brettspielarchiv. Es gab meines Wissens auch mehrsprachige Varianten inkl. deutscher Anleitung wie jene der niederländischen Rocks Games aus dem Jahr 2010. Aber aktuell kursiert lediglich die englische Ausgabe für 30 bis 40 Euro im Netz. Seitdem sind bereits viele Erweiterungen wie etwa „Duel“ im August 2012 erschienen.

Fazit

Voller Überraschungen, taktisch fordernd und spannend bis zur letzten Karte: Neuroshima Hex ist einer der Geheimtipps für Freunde anspruchsvoller Legetaktik. Vor allem die Macht der Reihenfolge und die Unberechenbarkeit auf dem Schlachtfeld sorgen dafür, dass kein Gefecht dem anderen gleicht. Das Spiel für iOS und Android beruht auf dem Brettspiel von Michal Oracz aus dem Jahr 2006 und wurde sehr vorbildlich digitalisiert – ansehnliche Kulisse, intuitive Bedienung, knackige KI, Spiel für bis zu vier Leute und GameCenter-Unterstützung. Lediglich die Kauft-euch-Armeen-Politik stößt mir sauer auf: Warum hat man nicht eine Kampagne oder Herausforderungen eingebaut, damit man zusätzliche Truppen freischalten kann? Die Entwickler von Big Daddy’s Creations haben übrigens auch eine Knobelvariante namens "Neuroshima Hex Puzzle" veröffentlicht, in der man Herausforderungen ohne Glücksfaktor meistern  kann. Und sie sitzen gerade an der iPad-Umsetzung des Brettspiels Eclipse.

Pro

kreative Rundentaktik
ansehnliche Präsentation
viel Überraschungspotenzial
vier unterschiedliche Armee-Decks
sehr gute Brettspielumsetzung
GameCenter-Unterstützung mit Ranglisten
Spiel mit bis zu vier Leuten (online & Pass&Play)
zuschaltbare, angenehm fordernde KI in drei Stufen
gutes Tutorial (iPad), Hilfen & Übersichten

Kontra

keine Kampagne
Zufallsfaktor kann entscheidend sein
weitere Armeen nicht freischalten, sondern dazukaufen

Wertung

iPhone

Läuft als Universal App auch auf iPhone und iPod touch.

iPad

Voller Überraschungen, taktisch fordernd und spannend bis zur letzten Karte!

Android

Etwas günstiger als für das iPad, aber dafür fehlt das interaktive Tutorial.

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