Dexter: The Game06.11.2009, Benjamin Schmädig
Dexter: The Game

Im Test:

Dexter Morgan ist ein hoch interessanter Charakter. Auf den ersten Blick der Liebling aller Schwiegermütter, versteckt er hinter seinem unschuldigen Lächeln ein tödliches Geheimnis. Denn Dexter kann sich nicht beherrschen: Er muss Menschen töten! Den "Dunklen Passagier" nennt er seine heimliche Sucht nach Blut - und den führt er seit einigen Wochen auch auf Apples Wackel-Systemen spazieren. Doch dort entpuppt sich der finstere Mitreisende leider als spielerischer Weichspüler.

Der Spock der Jetztzeit

Auch wenn die US-Serie seit drei Jahren frenetische Anhänger um sich schart: Mir hat der adrette Massenmörder im Dienst der Polizei zu wenig Erzählfleisch auf der Brust. Einen zwanghaften Killer, der seine Leidenschaft nur auslebt, indem er andere, definitiv schuldige Mörder zur Strecke bringt, halte ich für belanglos. Nicht zuletzt geht die Prämisse zudem Hand in Hand mit einer Rechtsprechung, welche die Todesstrafe als probate Bestrafung akzeptiert. Dexters Bemühungen, ein normales soziales Leben zu führen sowie seine Arbeit als Blutfleck-Analyst bei der Polizei wären nur dann interessant, wenn er die Gesellschaft damit unterwandern wollte. Ohne diesen Aspekt wirken sie wie die Kopie von Spocks holprigen Versuchen, seine Menschlichkeit zu entdecken.

Kleine Bühne statt großes Kino

Und ohne fehlt auch dem Spiel das Besondere. Denn anstatt eines Ritts in die Abgründe der menschlichen Psyche, erwartet den virtuellen Dexter höchstens der Abgrund seines halbherzigen interaktiven Egos. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen, denn neben einer Schulterperspektive bietet Dexter: The Game auch eine Ego-Perspektive sowie drei Steuerungsvarianten. Am besten steht dem Killer-Cop dabei die Variante,

Angenehm, Dexter. Mörder. Polizist. Moderner Spock.

für dich ich zum Umsehen über den Bildschirm streife und zum Laufen einen virtuellen Analogstick benutze. Unhandlich ist hingegen das Kippen des Bildschirms zur Vorgabe der Laufrichtung. Dann bewegt sich Dexter nämlich erst beim Drücken des Vor- oder des Rückwärts-Knopfs - eine denkbar unpraktische Lösung. Immerhin habe ich dann aber nicht ständig einen Finger vor der Linse. Schlimmer ist, dass mitunter kein Symbol auf meine Auswahl reagiert, so dass ich das Spiel evtl. erst verlassen muss, bevor der Fehler behoben ist. Ebenfalls unangenehm: Während mir beim Blick über Dexters Schulter immer wieder Türen oder sonstige Objekte die Sicht versperren, schiebt sich der Hauptdarsteller selbst sogar bei aktivierter Egosicht ins Bild. Nein, technisch bietet die Umsetzung nicht das, was die Screenshots versprechen. Einige Innenräume wurden zwar detailliert modelliert, Szenen im Freien wirken aber klobig und werden durch unsichtbare Mauern auf unnatürlich enge Bühnen reduziert.

Technik pfui, Spiel hui? Kann die Mischung aus Krimi-Adventure und Minispielen wenigstens inhaltlich überzeugen? Und was beschäftigt eigentlich einen Killer, der kein Killer sein darf? Nun, beruflich beschäftigt ihn genau das, was ihm auch in der Flimmerkiste aufgetragen wird: Er sucht nach Spuren, indem er Blutflecken analysiert. Allerdings macht das entsprechende Minispiel, bei dem ich mit der richtigen Waffe Blutflecken in richtiger Form und Größe nachzeichnen muss, nur einen sehr kleinen Teil dieser Episode aus. Ich bin sogar richtig angetan, wie abwechslungsreich Dexters Alltag aussieht; seine Mördersuche ist in vier Kapitel unterteilt, die nicht hintereinander abgespult werden, sondern parallel verlaufen. Sein wichigstes Ziel ist das Sicherstellen der Schuld seines nächsten Opfers (deshalb die Arbeit als Polizist), und um die entsprechenden Beweise zu erhalten, muss er verschiedene Aufgaben lösen. Mal knacke ich dafür durch das gefühlvolle Schaukeln des Handhelds Schlösser, mal entschlüssele ich Codes durch das Lösen Sudoku-ähnlicher Puzzles, mal wähle ich im Gespräch mit Zeugen oder Kollegen eine von drei Antworten aus, ein andermal verfolge ich ähnlich wie Solid Snake einen Verdächtigen und im Polizeirevier löse ich eine Vielzahl weiterer Minispiele.

Knopfdruck-Schleichen

Letztere stehen mir nach Lust und Laune offen - "hauptberuflich" klappere ich jedoch meist nach vorgefertigtem Plan Tatorte ab, statte Angehörigen von Opfern einen Besuch ab oder suche in Akten nach Hinweisen. Leider muss ich meistens aber nur das blinkende Ziel ausmachen und aufsuchen. Die spielerische Herausforderung ist dabei so dünn wie die emotionale Haut einer Mimose - falls das genannte Ziel nicht mal wieder unnötig schwer zu erkennen ist. Bevor ich allerdings weiß, was überhaupt zu tun ist, muss ich mich durch Dexters Journal wühlen; die einleitenden Worte der guten Sprecher geben nur selten präzise Hinweise. Und wer

Zumindest die Innenräume wurden vergleichsweise aufwändig modelliert - der spielerische Level-Aufbau ist hingegen stark eingeschränkt.

kein Englisch beherrscht, wird Dexter übrigens weder hörend noch lesend verstehen.

Glück im Unglück: Weiß man einmal, wo man überhaupt hin muss, schlaucht man sich dermaßen geradlinig voran, dass man ohnehin nichts verstehen muss. Dass Dexter seine soziale Maske wahren, während er gleichzeitig seine mörderische Gier stillen muss, hat z.B. keine nennenswerten Auswirkungen. Es heißt wohl "Game Over", wenn eine Seite gewinnt. Dazu kam es aber nie, weil diese Balance entweder ohnehin das Spielziel war oder weil es egal scheint, wie willkürlich ich in Dialogen die weiße, die graue oder die schwarze Antwort gewählt habe. Erzählerisch könnten die Unterhaltungen sogar interessant sein; spielerisch haben die unterschiedlichen Antworten keine spürbaren Auswirkungen. Dank der schleierhaft beschrifteten Dialogoptionen kann ich ohnehin kaum ahnen, was Dexter anschließend antworten würde.

Ähnlich holprig werden jene Abschnitte inszeniert, in denen sich der Killer-Cop an ein Opfer oder einen Verdächtigen heranschleichen soll: Durch Tastendruck geht er in Deckung - ansonsten muss er prinzipiell nur auf sein Ziel zulaufen. Im schlimmsten Fall steht die entsprechende Person dann auf der gegenüberliegenden Straßenseite, so dass ich einfach auf sie zu gehe und auf dem Weg zweimal die Taste zum "Untertauchen" drücke. Das war's.

...

Hat Dexter schließlich alle Beweise, dass es sich bei der gesuchten Person tatsächlich um den Mörder handelt, darf er seinem "Dunklen Passagier" - in kontrollierten Grenzen - endlich freien Lauf lassen. Dann bereitet er den Ort der Tötung penibel genau vor, verfolgt sein Opfer, entlockt ihm ein Geständnis und bringt es schließlich um. Klingt nach einem grausigen Finale für Erwachsene? Ist es auch! Besser noch: Später darf ich sogar wählen, ob ich dem Mörder den Garaus machen oder ihn mit einem anonymen Tipp der Polizei übergeben will. Grafisch, akustisch und spielerisch bleiben die Showdowns aber deutlich hinter meinen Erwartungen zurück. So darf ich zur Vorbereitung gerade mal Plastikvorhänge zuziehen, um später keine verräterischen Blutspritzer zurückzulassen. Anschließend "verhöre" ich das Opfer, indem ich einen spitzen Gegenstand wähle und in der Nähe des Opfers auf "verhören" klicke. Zum Abschluss ziehe ich dann auf einem schwarzen Bildschirm Pfeile nach oder drücke auf angezeigte Punkte, um das Opfer zu töten. Das ist richtig langweilig, in keiner Weise fordernd und mitnichten provozierend. Ich tue es nur, damit ich endlich weiter komme. Dexters angeblich dunkle Seite ist mir egal.    

Fazit

Als spielerischer Protagonist bleibt Dexter ein oberflächlicherer Killer als im Serienvorbild: Verschiedene Handlungsebenen gaukeln zwar eine tiefgründige und vor allem abwechslungsreiche Geschichte vor - die jedoch im spielerisch zusammenhangslosen Abklappern kurzer Herausforderungen gipfelt. Echte Kopfnüsse gibt es in diesem Krimi nicht; die einzige Schwierigkeit besteht oft darin, Dexters schlecht erklärtes Ziel überhaupt ausfindig zu machen; den Rest erledigen enge Levelschläuche. Zahlreiche Minispiele machen das Abenteuer zwar unterhaltsamer, während viel Blut und zerschnittene Leichen einen düsteren Thriller suggerieren - inhaltlich und selbst spielerisch bleibt all das aber ohne echten Nutzen. Nicht zuletzt blockieren eine unhandliche Steuerung, eine unübersichtliche Kameraführung sowie technische Macken den Zugang zu der Serien-Umsetzung. Eine Umsetzung, die sich zwar aufwändig und umfangreich gibt - die inhaltlich aber in allen Belangen unausgereift wirkt.

Pro

abwechslungsreiche Mördersuche
interessante Minispiele
originalgetreue Stimmen
stimmungsvolle...
verschiedene Steuerungsarten und Perspektiven

Kontra

streng linearer Ablauf
Ziel nur mit Blick ins Journal zu erkennen
starres, spielerisch belangloses Schleichen- ... aber wenig abwechslungsreiche Musik
Figuren bleiben trotz gut gedachter Ansätze blass
kokettiert zu oberflächlich mit erwachsenen Inhalten
kleine, durch unsichtbare Mauern beengte Schauplätze
kaum durchschaubare Dialog-Optionen
unhandliche Steuerung
Kameraprobleme 
teilweise auch in Ego-Perspektive

Wertung

iPhone

Abwechslungsreiche, aber spielerisch unausgegorene Serien-Umsetzung.

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