Dungeons & Dragons: Daggerdale31.05.2011, Jens Bischoff
Dungeons & Dragons: Daggerdale

Im Test:

Abgesehen von diversen Add-Ons zu Neverwinter Nights gab es schon seit Jahren keine Spiele mehr im Dungeons & Dragons-Universum. Auf der aktuellen Konsolengeneration ließ sich die Traditionsmarke sogar überhaupt noch nicht blicken. Dank Atari und Bedlam Games ist damit nun Schluss. Doch wird das jüngst via Xbox Live Arcade veröffentlichte Daggerdale dem großen Namen überhaupt gerecht?

Hässliches Entlein

Leider sorgt bereits der Auftakt für erste Ernüchterung: Die Story um einen von Tyrannos-Jünger Rezlus erbauten Turm, den es zu erobern gilt, wird ähnlich billig inszeniert wie Ataris letzter XBLA-Ausflug Star Raiders. Statische verwaschene Artworks werden uninspiriert über den Bildschirm gezogen, während englische Sprecher grob den Plot umreißen. Danach findet man sich mit seinem generischen Charakter, auf dessen Aussehen man keinerlei Einfluss nehmen kann, in einer Tutorial-Höhle wieder, die grafisch maximal auf einen PS2-Tiel schließen lässt und dennoch mit starkem Tearing zu kämpfen hat.

Das schwache optische Niveau wird bis zum Ende, das einen schon nach fünf bis sechs Stunden erwartet, gehalten und auch die kaum vorhandene Soundkulisse setzt bis zum Schluss keinerlei Akzente. Sprachausgabe gibt es nur in zwei, drei weiteren primitiven Zwischensequenzen, während die Schauplätze aus immer gleichen Höhlen und Gemäuern bestehen. Die Aufgabenstellungen sind wenig spektakulär, aber durchaus abwechslungsreich: Neben simplen Such-, Bring- und Killdiensten, müssen auch mal Sabotageakte aufgeklärt, Zwergenarbeiter gerettet, Belagerungsgeräte aufgehalten oder ein Gefangenenaufstand angeführt werden. Auch der Endkampf ist bis auf das dröge Quick-Time-Finale eine nette Abwechslung zum sonst Spiel dominierenden Dauermetzeln.

Es gibt sogar eine Hand voll optionaler Nebenquests sowie von Kapitel zu Kapitel wechselnde Stützpunkte. Wer will kann sogar mit einem (offline) oder bis zu drei (online) weiteren Mitspielern in die Schlacht ziehen. Der lokale Koop-Modus leidet jedoch unter einigen Übersichtsproblemen, da die Kamera lediglich Drehungen erlaubt und sich in erster Linie auf den Hauptspieler konzentriert. Weit ärgerlicher ist allerdings, dass immer nur ein Spieler aufs Charaktermenü zugreifen kann und auch bei Shopbesuchen ist gleichzeitiges Stöbern und Ausmisten tabu.

Lust auf Roulette?

Die biedere Präsentation ist noch das geringste Übel.
Die dürftige Präsentation ist dabei noch das geringste Übel.

Online gibt es diese Einschränkungen natürlich nicht. Man kann sich sogar jederzeit von der Gruppe entfernen, um einen Händler aufzusuchen oder Aufgaben an verschiedenen Orten parallel erfüllen, sofern sie nicht von Türen blockiert werden, die sich nur gemeinsam öffnen lassen. Nur bei Quest-Aktivierungen oder grundlegenden Ortswechseln wird man unvermittelt an den Ort des Geschehens teleportiert - auch wenn man sich gerade mitten im Kampf oder Einkaufsbummel befindet. Dank Voice-Chat kann man das aber natürlich jederzeit signalisieren.

Problematisch ist allerdings das Finden passender Partien oder Mitspieler, da das Matchmaking abgesehen von rein privaten Sessions keinerlei Klassifizierungen bietet - weder beim Erstellen, noch beim Beitreten. Man sieht lediglich wie viele Spieler sich bereits in einer Gruppe befinden und wie der Host heißt. Charakterstufen, Aufenthaltsorte, Spielfortschritt, Nationalität oder Verbindungsqualität sind nicht einsehbar. Wer Pech hat, landet immer wieder in Partien mit Lags, Spielern, die weder deutsch, noch englisch sprechen oder Charakteren, die weit unter oder über dem eigenen Level liegen. Vor allem Letzteres ist ziemlich nervig, da sich die sämtliche Gegnerstufen stets am höchsten Spielerlevel orientieren...

Die Zielfixierung ist vor allem bei Distanzangriffen hilfreich.
Die Zielfixierung ist vor allem bei Distanzangriffen hilfreich.

Die Maximalstufe ist aber ohnehin sehr schnell erreicht, denn mit Level 10 ist bereits Ende Gelände, was die Charakterentwicklung betrifft. Nach besserer Ausrüstung und mehr Reichtum kann man zwar auch dann noch streben, aber sobald der Endgegner einmal bezwungen ist, gibt es keine Möglichkeit mehr, bereits besuchten Orten einen weiteren Besuch abzustatten oder Quests zu wiederholen. Nur die mickrige Anfangshöhle aus Kapitel eins kann immer und immer wieder aufgabenlos durchkämmt werden. Online kann man sich zwar jederzeit Gruppen anschließen, die den finalen Sieg noch nicht errungen haben, ist dann aber meist mit entsprechend niedrigstufigen Gefährten unterwegs.

Spurlos verschwunden

Wer sich länger als nur ein paar Stunden mit Daggerdale beschäftigen will, muss auf anstehende Erweiterungen warten oder mit einer anderen Charakterklasse nochmals von vorn beginnen. Zur Auswahl stehen Krieger, Schurke, Zauberer und Kleriker, deren Werdegang und Ausrüstung man durch Zuteilen von Fertigkeiten, Talenten und Attributen individuell beeinflussen kann. Zudem beherrscht jede Klasse eine Spezialaktion wie Blockstellung, Ausweichmanöver oder Heilgebet. Zwar ist es etwas merkwürdig, dass man nicht zweimal in Folge dasselbe Attribut wie Stärke, Geschicklichkeit oder Konstitution erhöhen kann, weit schlimmer ist jedoch, dass erworbenen Fertigkeiten plötzlich verschwinden und entsprechend verteilte Punkte unwiederbringlich verloren gehen können.

Bei meinem ersten Charakter ist mir das gleich zweimal passiert, auch wenn die entsprechenden Fertigkeiten anfangs auf der frei belegbaren Skill-Palette noch angezeigt und die dazugehörigen Animationen auf Knopfdruck nach wie vor ausgeführt wurden - nur eben ohne jeden Effekt. Später verschwanden sie dann gänzlich, konnten nicht erneut erworben werden und stattdessen hatte ich plötzlich mehrere Wurfangriffe, zu denen ich überhaupt keine Waffe besaß. Bei einem Rollenspiel brechen so massive Bugs und Unstimmigkeiten der ansonsten durchaus gelungenen Charakterentwicklung natürlich das Genick.

Qualitätskontrolle, nein danke!

Wer plötzlich seiner Fertigkeiten beraubt wird, hat nichts zu lachen.
Wer plötzlich seiner Fertigkeiten beraubt wird, hat nichts zu lachen.

Aber auch sonst wirkt Daggerdale vielerorts undurchdacht, schlampig programmiert und lieblos konzipiert. Die KI hat Wegfindungsprobleme, die Grafik leidet unter Tearing und Popups und die Kollisionsabfrage schlägt immer wieder wundersame Kapriolen: Gegner frieren einfach ein, Objekte schweben in der Luft, Figuren gleiten wie von Geisterhand gezogen Gänge entlang oder springen unkontrolliert umher. Zudem gibt es weder einen charakterübergreifenden Stauraum, noch eine dezidierte Tauschfunktion, zum Ärger von Zauberern und Distanzschützen keine gerechte Beuteverteilung, man kann während Zwischensequenzen sterben, die Kartenfunktion bietet weder Feindanzeigen, noch lässt sie sich navigieren, die Menüs sind teils unnötig umständlich, manche Untermenüs nur mit Glück und Geduld überhaupt anwählbar, und die deutsche Übersetzung extrem durchwachsen.

Vor allem die Erklärungen während der Ladeunterbrechungen scheinen von hoffnungslosen Legasthenikern oder einer frühen Alphaversion von Babel Fish ohne jede Gegenkontrolle übersetzt worden zu sein. Sätze wie "Achten Sie auf die Schäden Resistenzen, die neben einem feindlichen Ziel den Namen.", "Kill Posten so schnell wie möglich, um sie vor Ladung mehr Feinde zu verhindern." oder "Verwenden Sie eine andere Macht, während Sie auf anderen Macht's Cooldown auslaufen warten." hätte doch selbst ein betrunkener Vorschüler als Lektor moniert. Und wer hat bitte diese chaotischen Zeilenspringereien bei Dialogeinblendungen verbrochen? Egal, die kuriose Lokalisierungsarbeit ist noch das geringste Übel, unter dem Daggerdale leidet, vor dem man im aktuellen Zustand trotz durchaus unterhaltsamer Beutehatz, freier Charakterentwicklung und Koop-Komponente nur warnen kann.

Fazit

Kooperative Dungeon-Streifzüge in Diablo-Manier sind nach wie vor beliebt und konnten auch schon im Dungeons & Dragons-Gewand diverse Erfolge feiern. Doch was Atari und Bedlam Games hier abgeliefert haben, ist wirklich eine Zumutung: Die schwache Technik und billige Inszenierung kann man ja noch verschmerzen, den geringen Umfang angesichts des Preises von knapp 15 Euro zähneknirschend hinnehmen, aber hat der Titel denn überhaupt eine Qualitätskontrolle durchlaufen? Was einem hier an Bugs und Unstimmigkeiten serviert wird, grenzt ja fast schon an Körperverletzung. Hart erarbeitete Fertigkeiten verschwinden einfach auf Nimmerwiedersehen, man kann während einer Sequenzeinspielung plötzlich den Löffel abgeben, Menüs spielen verrückt, die Lokalisierung scheint teils einfach durch Babel Fish gejagt und das Matchmaking ist geradezu ein Witz. Aber auch Spieldesign, KI, Kollisionsabfrage, Beuteverteilung, Kartenfunktion, Kamera und Item-Management sind alles andere als überzeugend. Selbst eingefleischte Fans sollten um diese stümperhaft und lieblos hin gerotzte Lizenzgurke einen großen Bogen machen oder zumindest warten, bis die massiven Fehler behoben sind!

Pro

unterhaltsame Beutehatz
individuelle Charakterentwicklung
Koop-Modus für bis zu vier Spieler

Kontra

massive Bugs
geringer Umfang
schwache Technik
miserables Matchmaking
dürftige Story & Inszenierung
durchwachsene KI & Kollisionsabfrage

Wertung

360

Ungemein kurzer, unansehnlicher und lieblos zusammen geschusterter Dungeon-Crawler mit schwerwiegenden Bugs und Designfehlern.

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