Shift 2 Unleashed31.03.2011, Michael Krosta
Shift 2 Unleashed

Im Test:

Bei EA hat man sich viel vorgenommen: Mit Shift 2: Unleashed will man eine echte Alternative zu den exklusiven Konsolen-Simulationen Forza und Gran Turismo schaffen - aber das wollen viele. Doch mit der Erfahrung von den Slightly Mad Studios, die immerhin  schon bei der GTR-Serie mitgearbeitet haben, stehen die Chancen dafür nicht schlecht. Werden sie auch genutzt?

Ins kalte Wasser

Der Einstieg in den (virtuellen) Motorsport ist oft mit einer kleinen Enttäuschung verbunden, denn obwohl man am liebsten gleich in eine Rennmaschine wie die Dodge Viper oder einen flotten Porsche 911 GT3 einsteigen würde, muss man sich zunächst mit vergleichsweise lahmen Krücken wie einem Golf GTI oder Audi A3 abgeben. Nicht so bei Unleashed 2: Hier wird man beim Karrierestart gleich ins kalte Wasser geworfen und darf in Suzuka hinter dem Steuer eines geliehenen Nissan GT-R seine ersten Testrunden absolvieren. Dabei analysiert das Spiel, wie gut man damit zurecht kommt, die knapp 500 PS zu bändigen und unterbreitet anschließend einen entsprechenden Vorschlag bezüglich des Handling-Modells und Fahrhilfen wie ABS, Traktions- und Stabilitätskontrolle.

Aggro-KI

Das darauf folgende Rennen dient dagegen dazu, eine von drei KI-Stufen zu ermitteln - immerhin wird man sich später mit bis zu 15 Konkurrenten harte Positionskämpfe liefern, wobei die anderen Fahrer wie schon beim Vorgänger zu aggressiv auftreten und auch unabhängig vom gewählten Schwierigkeitsgrad eine unangenehme Abschussmentalität an den Tag legen. Aufgrund der vielen unfairen Manöver wünscht man sich fast schon eine Rückspulfunktion wie bei Forza Motorsport 3 oder Race Driver: GRID, doch haben die Entwickler auf dieses Anti-Frustmittel verzichtet. So muss man das Rennen häufig nach der ersten Kurve neu starten, denn die Konkurrenz hält gerne voll rein und die Wagen verkeilen schnell, so dass man sich kaum noch aus der Unfall-Falle lösen kann und quasi in den Schlamassel hinein gezogen wird. Hinzu kommt, dass das Starterfeld trotz gleicher Leistungsklassen oft unausgeglichen wirkt - wie schon bei Gran Turismo setzt sich einer der Fahrer deutlich vom Rest ab und kann nur durch massive Tuningmaßnahmen eingeholt werden. Davon abgesehen halten die Gegner schon auf der mittleren Stufe gut dagegen und fahren nahezu fehlerfrei; mit wenigen Ausnahmen, die dafür umso mehr stören, denn auf einigen Strecken setzt die KI sogar völlig aus. So z.B. im italienischen Enna Pergusa, wo die anderen Fahrer in einer schöner Regelmäßigkeit an einer Schikane scheitern, gegen die Bande fahren und sich anschließend gar nicht mehr sortieren können - und das jedes Mal und auf ALLEN drei Plattformen, unabhängig von der gewählten Fahrzeugklasse oder Rennserie. Ähnliches habe ich bei einer Haarnadelkurve im nächtlichen Shanghai beobachtet;

Die knallharten Nachtrennen zählen zu den neuen Features.
wohlgemerkt bei den Verkaufsfassungen! Das alles spricht nicht unbedingt für die Qualitätssicherung bei EA. Okay, diese KI-Aussetzer sind die Ausnahme, aber wie können diese gewaltigen Schnitzer unbemerkt bleiben? Mir ist das unbegreiflich!

Verbesserte Fahrphysik

Einer der großen Kritikpunkte am Vorgänger war das übertriebene Rutschen der Boliden, das den erhofften Simulationsansatz schnell zunichte gemacht hat. Leider tendieren die Fahrzeuge auch hier noch zu stark zum Übersteuern: Sowohl bei Heckschleudern, aber auch Frontantrieblern bricht das Heck immer noch zu schnell und stark aus, doch hat man den Effekt zumindest deutlich abgeschwächt. Fährt man mit dem gleichen Fahrzeug auf der gleichen Strecke zunächst in Shift 1 und dann hier, wird man schnell das verbesserte Grip-Niveau der Boliden bemerken. Trotzdem ist man selbst mit dem neuen Elite-Handling-Modell ohne Fahrhilfen noch weit von einem realistischen Fahrgefühl entfernt, denn dafür reagieren selbst schwachbrüstige Karossen zu bockig. Das Problem von Shift 2 ist, dass man im Gegenzug zu GT5 oder Forza kein Gefühl dafür entwickeln kann, sich langsam ans Limit heran zu tasten. Während man bei den Mitbewerbern seine Fahrfehler oft noch durch geschicktes Gegenlenken ausbügeln kann, bekommt man hier erst gar nicht mehr die Chance dazu, sondern landet gleich in der Leitplanke oder dem Kiesbett. PS-Monster wie der Porsche 911 GT3 reagieren dagegen fast schon zu gutmütig - auch ohne Hilfen scheinen die Reifen trotz Vollgas auf dem Asphalt zu kleben. PS3-Raser müssen mit dem üblichen, Pad-bedingten Nachteil leben; mit einem 360-Controller lassen sich Gas und Bremse einfach viel feiner dosieren, so dass das Fahrgefühl an der Microsoft-Konsole besser ist. 

     

Geteilte Lenkrad-Begeisterung

Anders sieht es beim Lenkrad-Einsatz aus: Mit einem lächerlich schwachen Force-Feedback und einer Lenkwinkelbegrenzung auf magere 210 Grad macht Shift 2 auf der Xbox 360 keinen Spaß, obwohl selbst hier die (analoge) Kupplung unterstützt wird, falls man das Porsche Turbo S-Wheel von Fanatec sein Eigen nennt. Warum man aber nicht auch Force Feedback und Lenkwinkel auf dieses Traum-Lenkrad zugeschnitten hat, bleibt mir schleierhaft. Sehr viel besser haben es PS3- und PC-Besitzer: Sie dürfen nicht nur den Lenkwinkel auf bis zu 900 Grad hochschrauben, sondern sich auch auf eine gelungene Force Feeback-Einbindung freuen, bei der man die Curbs unter den Reifen, Kollisionen und Kräfte endlich ordentlich spürt - und das ebenfalls mit dem besagten Porsche-Wheel, das an der 360 so enttäuscht. Egal ob Controller oder Lenkrad: In den Optionen

Die Pisten verteilen sich rund um den Globus - auch der Stadtkurs von Tokio ist wieder enthalten.
kann man sein Eingabegerät fein auf die eigenen Vorlieben abstimmen, denn angefangen von toten Zonen über das maximale Ansprechverhalten bis hin zur Force Feedback-Intensität und Knopfbelegungen stehen einem quasi alle Möglichkeiten offen. Nur die H-Gangschaltung wird leider nicht erkannt, so dass man auf die Wippen am Lenkrad beschränkt bleibt.

Intensives Erlebnis

Bei der Fahrphysik mag man nicht an die Platzhirschen heran reichen, doch zumindest in einem Punkt fährt man ihnen auf und davon: Vor allem mit der neuen Helmansicht, bei der die Kräfte auf den Fahrer und dessen Kopfbewegungen simuliert werden, erlebt man die Rennen sehr viel intensiver als bei GT5 & Co, denn man fühlt sich trotz der schlecht einsehbaren und von Pop-ups geplagten Außen- sowie Innenspiegel wie in einem echten Rennwagen. Jede noch so kleine Bodenwelle wird erfasst und wird mit einem Wackeln zuerst an die Karosserie und dann den Fahrer weitergegeben. Kommt es zu einer heftigen Kollision, wird man gar richtig durchgeschüttelt, das Bild wird kurz schwarzweiß und man hört sein Alter Ego schwer atmen. Das ist packend, das ist intensiv und sollte eigentlich bei viel mehr Rennspielen auf diese Art umgesetzt werden. Nur der Tunnelblick, der schon bei relativ niedrigen Geschwindigkeiten einsetzt und Armaturen sowie Kulissen mit einem Unschärfefilter belegt, wirkt eher störend, weil durch ihn der Blick in die Spiegel noch weiter verschlechtert wird. Damit wird der Blick nach hinten auf Knopfdruck die einzig brauchbare Option, obwohl die Verwendung der Spiegel realistischer wäre.

Da fehlt doch was...

Doch mit den Simulationsaspekten nimmt man es scheinbar ohnehin nicht so genau: Wie ist es sonst zu erklären, dass man auf ein so ein wichtiges Element wie den Reifenverschleiß verzichtet, obwohl man im Rahmen des Tunings verschiedene Mischungen anbietet? Auch Benzinverbrauch und folglich Boxenstopps sucht man hier genau so vergeblich wie unterschiedliche Witterungsbedingungen. Als Ausgleich darf man neuerdings bei Nacht hinters Steuer, was die Raserei doch deutlich schwieriger gestaltet als bei Tag oder in der Abenddämmerung über die Pisten zu düsen, die man für den Einsatz in der Dunkelheit schon genau kennen sollte. Leider sind die Tageszeiten im Vorfeld festgelegt - man startet also z.B. nicht während der Abenddämmerung und fährt in die Nacht hinein. Zumindest hat man an ein vollwertiges Schadensmodell gedacht, das sich optional aktivieren lässt. Zumindest optisch machen die Unfälle einiges her, denn hier gibt es nicht nur Beulen, sondern auch Teile fallen ab, so dass irgendwann von dem ursprünglichen Auto nicht mehr viel übrig bleibt. Die Auswirkungen lassen jedoch zu wünschen übrig, denn oft genug konnte ich selbst mit einem Wrack nach zig Einschlägen noch problemlos und mit voller Leistung weiter fahren. Ein anderes Mal zog die Karre allerdings leicht nach rechts und ich hatte mit weniger Motorleistung zu kämpfen. Sind erst die Reifen weg, kommt das einem Totalschaden gleich und man kann das Rennen

Am Anfang der Karriere reicht das Budget nur für einen der kleineren Sportwagen.
gleich neu starten - Reparaturen an der Box gibt es nicht. Leider fehlt eine Schadensanzeige, bei der man sehen könnte, was genau am Wagen defekt ist. So bleibt das Schadensmodell insgesamt nur ein netter Zusatz, dessen Auswirkungen stark schwanken und nur selten nachvollziehbar sind.

Motivierende Karriere

Zwar schaltet man nach der Einführung auch schnelle Events mit Einzelrennen, Zeitfahren, Ausscheidungs-Wettbewerben und Duellen frei, doch ist die Weiterführung der Karriere der Kern von Shift 2. Genau wie bei Mitbewerbern schaltet man auch hier durch ein Erfahrungssystem neue Wettbewerbe frei, steigt im Rang auf und sammelt fleißig Punkte. Die gibt es vornehmlich für Siege, doch auch eine saubere Fahrweise mit fehlerfreien Sektoren, dem Ansaugen im Windschatten sowie tollen Überholmanövern wird belohnt. Außerdem sind Strecken hier nicht nur Strecken - sie fungieren viel mehr als kleine Levels, bei denen das Ziel darin besteht, alle Kurven perfekt durchfahren und die Ideallinie zu halten. Je besser man sich schlägt, desto mehr Bonuspunkte winken. Pro Rennen gibt es außerdem weitere Sonderpreise, indem man bestimmte Aufgaben wie das Unterbieten einer Rundenzeit, mindestens eine Führungsrunde oder einen fehlerfreien Lauf erfüllt. Ein großer Vorteil der Shift 2-Karriere ist die Abwechslung: Auf ein Rennen folgt z.B. eine Zeit-Herausforderung und auch die Drift-Wettbewerbe sind wieder mit dabei. Damit man nicht ständig in seiner eigenen Kiste unterwegs ist - und viel kann man sich gerade zu Beginn nicht leisten - wird man auch öfters in einen Leihwagen gesetzt und bekommt damit schon am Anfang der Karriere einen Vorgeschmack auf die PS-Träume, die man sich später selbst leisten kann. An den Konsolen gibt es wie immer die Möglichkeit, das reale Portemonnaie zu öffnen und sich im Vorfeld schon Luxuswagen gegen Microsoft-Punkte und echte Euros zu kaufen. Innerhalb der Karriere bringt das selbstverständlich wenig, denn hier öffnet erst der Fahrer-Rang den Zugang zu den Wettbewerben, in denen die flotten Babys von Herstellern wie Lamborghini, Gumpert, Koenigsegg, Maserati & Co zum Einsatz kommen.   

Vom Nobody zum Champion

Das große Ziel ist der Gewinn der GT1-Meisterschaft, doch bis dahin ist es ein langer Weg. Und den geht man nicht alleine: Vor allem Formula D-Champion Vaughn Gittin Jr. steht den Spielern mit kleinen Film-Clips und Kommentaren zur Seite, obwohl

Das Driften ist ebenfalls wieder ein Bestandteil der Karriere, aber kein Muss, um weiter voran zu kommen.
sich Letztere schnell wiederholen und der künstliche "Kumpel-Slang" irgendwann nervt, man. Doch auch andere Fahrer wie Darren McNamara oder auch EAs Vice President und Hobby-Raser Patrick Soderlund begleiten mich durch die Karriere, die durch solche Elemente sehr viel lebendiger wirkt als die vergleichsweise trockenen Ansätze der Konkurrenz. Genau wie dort sind manche der Wettbewerbe auf Leistungs- und Fahrzeugklassen beschränkt. Die Entwickler nutzen ein ähnliches System wie Turn 10 bei Forza und ordnen die Fahrzeuge zunächst in eine Klasse von A bis D ein, um ihnen anschließend einen Leistungsindex in Form einer Zahl zu verpassen. Zudem unterscheidet man zwischen modernen und Retro-Fahrzeugen, so dass manche Events nur mit Boliden eines ältern Baujahrs in Angriff genommen werden können, was zusätzlich für Abwechslung sorgt. Mit 140 Autos wirkt die Fahrzeugliste im Vergleich zu Sammelbecken wie GT5 (mit mehr als 1000 Exemplaren) zwar etwas arm, doch dafür finden sich in der kleinen, aber feinen Auswahl überwiegend Modelle, die man auch tatsächlich gerne fahren will. Während einen die üblichen Anfänger-Boliden wie dem Mazda MX-5 oder Ford Focus zwar noch halbwegs kalt lassen, stellt sich spätestens hinter dem Steuer eines McLaren F1, Pagani Zonda R, dem Porsche 918 Spyder Konzept oder eines anderen der vielen Traumwagen die Freude am Fahren ein. Hinzu kommt das enorm motivierende Erfahrungssystem, bei dem man schon im Vorfeld die Belohnung angezeigt bekommt. Neben Geld-Boni und neuen Fahrzeugen winken vor allem weitere Aufkleber, Lack-Variationen und Folien.

Bitte lächeln

Zwar hat man beim Gestalten der Wagen nicht ganz so viele Freiheiten wie bei der Bastel-Referenz Forza 3, doch stehen auch hier eine große Zahl an Hersteller-Aufklebern, Grundformen und Motiven zur Auswahl, mit denen man das Äußere seines Boliden verschönern kann. An Lack-Variationen schaltet man mit der Zeit außerdem Metallic-, Candy-, Chrom-, Perleffekt- und Flipflop-Variationen frei. Nicht zu vergessen die Auswahl an lizenzierten Felgen verschiedener Größen, mit denen man den Bling-Faktor nach oben treiben kann. Mit Hilfe des Fotomodus lassen sich Schnappschüsse der Kunstwerke auf vier Rädern anfertigen und sogar mit anderen teilen, wobei die Möglichkeiten für Hobbyfotografen ohne Effekte sowie Blendeneinstellungen nur rudimentär bleiben.

Tuning-Wahnsinn

Doch es kommt ohnehin viel mehr auf die inneren Werte an, die sich dank der zahlreichen Tuningmaßnahmen stark aufmöbeln lassen und selbst aus einem unscheinbaren Einser-Golf eine eindrucksvolle Rennmaschine machen. Motoren-Upgrades wie ein Kaltluft-Ansaugsystem, Fächerkrümmer, Nockenwellen und Chips sorgen für das Plus an Leistung, während Rennkupplung, Differenzial oder ein schickes Gewindefahrwerk neben Rennreifen vor allem den Fahrkomfort verbessern. Dabei sollte auch der Austausch der Bremsanlage nicht vergessen werden - eine Option, die bei GT5 übrigens einfach so vergessen wurde. Gewichtsreduzierungen, Bodykits sowie neue Armaturen für das Renn-Cockpit gehören ebenfalls zur

Maximaler Anpressdruck... Bei der enormen Leistung ist ein Frontflügel nötig.
Ausstattung, während die Lachgas-Einspritzung für einen kurzen Geschwindigkeitsschub sorgt. Ab einem bestimmten Punkt kann man sich sogar für einen Werksumbau entscheiden, nach dem der Bolide endgültig zur Rennmaschine wird.

Wer schraubt, gewinnt

Die Möglichkeiten beim Setup stehen der Tuningauswahl in nichts nach: Nachwuchs-Mechaniker stellen in feinen Schritten Reifendruck, Bremsbalance sowie Bremsdruck ein, befassen sich mit Spurlauf, Lenkeinschlag, Spurwinkel und Sturz oder schrauben an der Bodenfreiheit, dem Differenzial, der Federung (inkl. Stabilisatoren, Federraten & Federwegbegrenzern), den Stoßdämpfern (inkl. Druck- und Zugstufendämpfung) sowie der Aerodynamik herum. Das Getriebe darf mit einem entsprechenden Equipment ebenfalls bearbeiten lassen - neben der Achsübersetzung lässt sich auch jeder Gang separat einstellen. Wenn einen die vielen Zahlen und Einstellungsmöglichkeiten in den Wahnsinn treiben, kann man optional auch auf ein Schnelltuning zurückgreifen, bei dem man Lenkung, Getriebe, Balance und Abtrieb mit Hilfe von Schiebereglern anpassen kann, ohne ins Detail zu gehen. Zumindest in diesem Bereich wird Shift 2 bei den Fülle an Optionen den Simulationsansprüchen gerecht. Nur die Einbettung des Setups in die Karriere ist schief gegangen: Zwar kann man während der Karriere auf seine Wagensammlung zugreifen und sogar mit einem weiteren Knopfdruck ins Tuning-Menü gelangen, doch der Zugriff auf das Setup erfolgt erst über die Garage, für deren Besuch man erst die Karriere komplett verlassen muss. Zumindest kann man für jedes Fahrzeug und für jede Strecke ein separates Setup abspeichern. Um die Sache zu vereinfachen, hat man sogar Pisten mit einer ähnlichen Charakteristik in Gruppen zusammengefasst, für die man ein universales Setup erstellen kann. In Testfahrten kann man seine Einstellungen außerdem sofort ausprobieren - eine Echtzeit-Telemetrie, die sich auch in normalen Rennen aktivieren lässt - liefert Experten ebenfalls sinnvolle Aufschlüsse. Trotzdem ist die Menü-Navigation insgesamt unglücklich geraten: Wer nur kurz etwas am Setup ändern will, muss unnötige Umwege in Kauf nehmen. Warum wurden die Einstellungen nicht wie bei Forza oder GT5 direkt in die Karriere integriert? Auch die Feineinstellungen bei der Steuerung wurden ausgelagert und sind nur über das Options-Menü erreichbar - man kann also Veränderungen nicht gleich auf der Strecke ausprobieren. Gerade auf den Konsolen mit ihren übermäßig hohen Ladezeiten reißt da schnell der Geduldsfaden.    

PC hat die Nase vorn

Wie so oft in letzter Zeit hat auch bei Shift 2 der PC im Vergleich zu den Konsolen die Nase technisch vorn - und das sogar recht deutlich. Während auf PS3 und 360 die Kulissen mit schwachen Texturen, groben Pixelschatten, Flimmerkanten und mitunter heftigen Pop-ups ernüchtern, glänzen potente PCs mit einer beeindruckenden Darstellung, höherer Framerate sowie feineren Staub- und Partikeleffekten, obwohl es auf Strecken wie der Nordschleife ebenfalls zu

Schönere Autos, schickere Kulissen und höhere Framerate: Technisch hat der PC gegenüber den Konsolen mehr PS.
einem sichtbaren Grafikaufbau am Straßenrand kommt. Bei den Automodellen fährt der PC den Konsolenverfolgern ebenfalls davon und bietet detailliertere Fahrzeuge, die aber auch hier nicht an die fantastischen Premium-Modelle aus GT5 heran reichen. Auf den Konsolen ist Shift 2 deshalb kein technischer Rohrkrepierer, denn die Rennen laufen auch hier überwiegend flüssig über den Bildschirm und vor allem die Lichteffekte können sich auf PS3 und 360 sehen lassen. Das Problem ist dort die schwankende Qualität: Vor allem bei Stadtkursen fallen die groben Texturen an den Häusern auf und auch die Nordschleife ist mit ihren hässlichen Bäumen sowie 2D-Tapeten keine Augenweide. Einen besseren Eindruck hinterlassen klassische Pisten wie Laguna Seca, Donington, Brands Hatch oder Catalunya, um nur einige Beispiele der exzellenten Streckenauswahl zu nennen, die neben Lizenz-Tracks und Stadtkursen auch ansprechende Fantasie-Konstruktionen zu bieten hat - diverse Ausführungen inklusive. Warum beim Start manchmal das Bild schwarz bleibt und erst mit einem Druck auf die Pause-Taste erscheint, dürfte wohl ein Geheimnis der Bug-Liste bleiben, zu der auch manchmal seltsam hüpfende Wagen in der Startaufstellung gehören. Zum Glück treten diese Phänomene nur selten auf; störend sind sie trotzdem.

Bräääääämmmm!

Was dagegen voll und ganz begeistern kann, ist die Klangkulisse: Das fängt bei dem starken Lizenz-Soundtrack von 30 Seconds to Mars, Jimmy Eat World & Co inklusive den fantastischen Remix-Versionen an, geht bei den röhrenden Motoren der Boliden weiter und endet schließlich bei den brachialen Soundeffekten bei Unfällen in einer totalen Begeisterung. Shift 2 klingt einfach phänomenal an einer 5.1-Anlage mit ordentlichem Subwoofer! Cool auch, dass sich das Motorengeheul mit den Tuning-Maßnahmen verändert, doch schon in den Standard-Ausstattungen flößen einem die meisten Sportwagen bei der Berührung des Gas-Pedals den nötigen Respekt ein. Eine Schande, dass im Gegensatz zu den meisten anderen EA-Titeln keine EA Trax-Option zur Verfügung steht, mit der man sich die Songs auch separat

Cockpit- und Helmansicht sorgen für ein intensives Fahrerlebnis.
zu Ohren führen könnte. Vor allem die Remixe haben es mir angetan, bei denen Teile der Lizenz-Songs mit orchestral angehauchter Spielmusik neu arrangiert werden.

Autolog macht süchtig

Das Autolog-System, das bereits im letzten Jahr bei Need for Speed: Hot Pursuit seine Premiere feierte, treibt auch bei Shift 2 die Langzeitmotivation und die Wettbewerbs-Sucht voran. Neben typischen Funktionen eines sozialen Netzwerks wie dem Teilen von Bildern und Replay-Ausschnitten bis zu 30 Sekunden oder Statistiken zum Karriere-Fortschritt, sorgt das System vor allem für einen ständigen Vergleich mit anderen Spielern in der Freundesliste. Bricht z.B. ein Bekannter meinen Runden-Rekord, werde ich umgehend darüber informiert und geradezu ermutigt, zurückzuschlagen. Ich habe schon bei Hot Pursuit Stunden damit verbracht, mir einen ständigen Schlagabtausch wegen ein paar hundertstel Sekunden mit einem Bekannten zu liefern. Selbst wenn man bei der Karriere irgendwann sämtliche Gold-Pokale gewonnen hat, hält das Autolog mit seinem ständigen Nachschub an Herausforderungen bei der Stange. Vor allem diesem System ist es deshalb auch zu verdanken, dass Shift 2 noch über die Achtziger-Marke in der Wertung gerast ist. Es ist eine Idee, von der sich die Mitbewerber eine gewaltige Scheibe abschneiden können und sollten. 

Destruction Derby ohne Konsequenzen

Doch auch online geht es in direkten Duellen um den Sieg - und das mit bis zu zwölf Teilnehmern, wobei zur Not auch KI-Fahrer dazugeschaltet werden können. Problem dabei: Es gibt keine Regeln, dafür aber viele Pistensäue da draußen. Wie bei vielen anderen Rennspielen, enden Positionskämpfe gegen fremde Fahrer auch hier meist in einem unfairen Destruction Derby, in dem fröhlich geschubst, gedrängelt und abgeschossen wird. Warum auch nicht? Das Strafsystem ist nicht mehr als ein schlechter Witz und bestraft lediglich das Abkürzen mit einer kurzzeitig gedrosselten Drehzahl - und selbst das nur manchmal. Wann werden die Entwickler endlich ein System entwickeln, das Rowdys in die Schranken weist? Das vollwertige Schadensmodell wäre wenigstens eine Hilfs-Option gewesen, die zu einer bedachten Fahrweise hätte anregen können - aber bei Onlinerennen steht es nicht zur Verfügung. Überhaupt halten sich die Einstellungsmöglichkeiten in Grenzen: Zwar darf man neben Strecke, Tageszeit und Fahrzeugklasse auch die Perspektiven einschränken, doch auf die erlaubten Fahrhilfen hat man keinerlei Einfluss. Bei privaten sowie öffentlichen Lobbys werden außerdem nur Einzel-Events ausgefahren - kleine Meisterschaften mit Punktevergabe sind nicht drin. Zumindest darf man aber den Spielmodus wechseln, denn neben Rennen stehen auch Zeitfahren im Qualifying-Stil, Fahrer-Duelle für zwei Piloten sowie Aufholjagden zur Verfügung. Als problematisch erweist sich allerdings das knappe Zeitlimit zwischen den Sessions. Wer als Host den Modus, Strecke und vielleicht auch noch die Autoklasse ändern will, kommt oft gar nicht dazu - ein Unding. Schön dagegen, dass der Host automatisch auf einen anderen Spieler wechselt, falls sich der aktuelle aus irgendwelchen Gründen vorzeitig mitten im Rennen verabschiedet.

Ein schöner Ansatz ist die Fahrer-Duell-Meisterschaft - ein K.O.-Wettbewerb, bei dem man sich zunächst qualifizieren und sich anschließend über mehrere Runden bis zum Finale vorkämpfen muss. Leider tritt man hier nur gegen zufällige Fahrer an - und was dabei meistens passiert, habe ich ja eben schon erläutert, wobei die Chance bei nur zwei Teilnehmern sicher höher ist, auch zwischendurch auf einen vernünftigen Spieler zu treffen. Wer gerne auch im Splitscreen oder LAN Gas geben würde, wird leider enttäuscht, da beide Mehrspieler-Optionen nicht angeboten werden. Auch Wiederholungen lassen sich nach Online-Rennen weder anschauen noch speichern. Neben den 30 Sekunden-Schnipseln für das Autolog lassen sich innerhalb der Karriere und bei Einzel-Events auch komplette Wiederholungen abspeichern - PS3- und PC-Besitzer dürfen diese sogar mit nur einem Klick direkt auf Youtube hochladen.   

Fazit

Was hat man bei EA im Vorfeld groß getönt: Langweiligen Sammelspielen wie Gran Turismo 5 und Forza wollte man Paroli bieten...ach was, sie sogar übertreffen...und mit Shift 2 die ultimative Simulation für PC und Konsolen abliefern. Selbst vor direkten Vergleichsvideos scheute der Publisher nicht zurück. Nur heiße Auspuffluft? Zumindest in Sachen Fahrphysik muss sich der selbsternannte Titel-Aspirant der Konkurrenz geschlagen geben, die man eigentlich hinter sich lassen wollte. Die übersensible Steuerung und der immer noch vorhandene, wenn auch verminderte Hang zum Übersteuern sorgen dafür, dass sich die Boliden längst nicht so gut und realistisch anfühlen wie bei einem Forza 3, Gran Turismo 5 oder einer der zahlreichen PC-Simulationen. Und auch bei der Technik fährt man zumindest auf den Konsolen mit z.T. grausigen Texturen, Pop-ups & mitunter starken Flimmerkanten hinterher. Was man dagegen hervorragend beherrscht, ist die Inszenierung: Die wackeligen Cockpitansichten sorgen vor allem mit der neuen Helmperspektive für ein extrem intensives Fahrerlebnis, das mich so gut in die Rolle des Piloten schlüpfen lässt wie kein anderes Rennspiel. Doch allein damit landet man nicht ganz oben auf dem Siegertreppchen, obwohl auch die abwechslungsreiche Karriere mit ihrem motivierenden Rangsystem und einer tollen Streckenauswahl, die famose Klangkulisse sowie die zahlreichen Tuning- und Setup-Funktionen zu den großen Stärken zählen. Neben dem nicht nachvollziehbaren Schadensmodell, fehlenden Optionen wie Reifenverschleiß, Benzinverbrauch und klassischen Rennwochenenden ist es aber in erster Linie die übermäßig aggressive sowie teilweise von Totalaussetzern geplagte KI, die den Spielspaß ausbremst. In diesem Zusammenhang wäre auch ein funktionierendes Strafsystem wünschenswert gewesen, dessen Abwesenheit auch die Online-Rennen zu frustrierenden Crash-Orgien verkommen lässt. Als Rettung erweist sich einmal mehr das grandiose Autolog-System, das die Motivation im Fernduell gegen die Leistungen der Freunde in ungeahnte Höhen treibt. Wer mit den Einschränkungen bei Fahrphysik und abgespeckter Technik auf den Konsolen leben kann, bekommt mit Shift 2 immer noch ein gutes Rennspiel.

Shift 2 in Bewegung? Hier geht's zum Video-Fazit!

Pro

intensives Fahrerlebnis (Cockpit- & Helmkamera)
röhrende Motoren & krachende Soundeffekte
verbesserte Fahrphysik...
überwiegend flüssige Darstellung
(optional) volles Schadensmodell...
lizenzierte Boliden (inkl. Retro-Fahrzeugen)
schöne Auswahl an lizenzierten & Fantasiepisten
detaillierte Setup-Möglichkeiten (speicherbar)
viele Tuning-Optionen
voll anpassbare Steuerung...
(optionale) Fahrhilfen
motivierende Karriere mit XP-System
sauberer Netzcode
Online-Rennen für bis zu zwölf Spieler
automatische Host-Übertragung (online)
Autolog-System (& Community-Features)
stylische Menüs...

Kontra

KI agiert oft übermäßig aggressiv
lange Ladezeiten
...aber generell immer noch zu starkes Übersteuern
z.T. totale KI-Aussetzer (falsche Wegfindung)
...das selten nachvollziehbar ist
schwankende Qualität der Kulissen (PS3, 360)
kein (optionaler) Reifenverschleiß
kein (optionaler) Benzinverbrauch
keine (optional) wechselnde Witterung
...aber Boliden reagieren zu direkt
keine (optionalen) Boxenstopps
kein klassisches Rennwochenende (inkl. Qualifying)
zu wenige Einstellungsmöglichkeiten (online)
Strafsystem inkonsequent und nicht effektiv
enttäuschendes Force Feedback (360)
Starterfeld oft schlecht ausbalanciert
...aber oft unnötig umständliche Navigation
vereinzelte Bugs (schwarzer Bildschirm, seltsam wackelnde Autos etc.)
kein Splitscreen
keine LAN-/Systemlink-Option
zu rasanter Countdown in der Lobby

Wertung

360

Auf den Konsolen fährt Shift 2 dem PC-Vorbild technisch deutlich hinterher. Die 360-Version steuert sich besser mit Pad, die PS3-Fassung besser mit Lenkrad.

PC

Keine Sim-Konkurrenz für GTR & rFactor, aber trotzdem ein intensives Motorsport-Erlebnis! Wertungsbremsen sind vor allem die KI-Probleme.

PlayStation3

Auf den Konsolen fährt Shift 2 dem PC-Vorbild technisch deutlich hinterher. Die 360-Version steuert sich besser mit Pad, die PS3-Fassung besser mit Lenkrad.

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