Trailblazers11.05.2018, Jan Wöbbeking

Im Test: Splatoon trifft Future-Racer

Warum mixen wir nicht einfach Splatoon mit Project Gotham Racing und Fast RMX? Schön, dass solche Ideen in manchen Firmen keine Brainstorming-Experimente bleiben. Trailblazers (ab 12,01€ bei kaufen) wirkt wie eine wilde Mischung aus Fun- und Future-Racer mit Punkte-Kombos sowie einem einfachen, aber genialen Kniff: Hier zeichnet man seine Boost-Streifen einfach selbst auf die Strecke – oder pinselt die des gegnerischen Teams über.

Ein Geheimtipp für Experimentierfreudige?

Kooperative Aspekte spielen hier eine wichtige Rolle: Soll ich mir auf der langen Geraden einen schönen roten Pfad für mein Team aufbauen? Dann könnten wir in ein bis zwei Runden ungestört über die Außenbahn durch den langen Loop düsen und das Boost-Level auf die höchste Stufe treiben – bis sich die Sicht wie in Fast RMX mit einer Fischaugenoptik verzerrt. Oder male ich lieber erstmal die feindliche Farbe über, damit die Gegner uns nicht heimlich auf der Abzweigung überholen? Ich könnte auch einen Widersacher vor mir mit einem Schwall Farbe zum Rotieren bringen, was für ähnlich viel Genugtuung sorgt wie beim Paintball. Zunächst arbeite ich mich effektiv auf unserer Farbspur an ihn heran, vooorsichtig zielen, flatsch, Treffer! Und dann schnell ein Schlenker zur Seite, damit ich nicht selbst in den Unfall rausche. Die Attacke leert zwar den kompletten Farbtank, der sich nur langsam wieder füllt. Trotzdem kann es sinnvoll sein, auf die Jagd zu gehen – etwa, wenn schon mein Vordermann den Weg effektiv mit unserem Farbton vollgekleistert hat.

In der realen Welt sind Straßen aus Solarwaben noch nicht ausgereift – in Trailblazers bedecken sie bereits die komplette Strecke. In Wahrheit wird der Kurs also gar nicht mit Farbe vollgekleistert, sondern die kleinen Waben leuchten einfach in der entsprechenden Farbe auf, wenn man sie „markiert“.
Ihr merkt schon: Die ungewöhnliche Kreuzung aus Splatoon und Rennspiel eröffnet viele Möglichkeiten für spannende taktische Verfolgungsjagden – und das Punktesystem zwingt den Spieler zur Kooperation. Ähnlich wie in Project Gotham Racing baue ich für die finale Wertung Mal-, Boost- und Rennkombos auf, wobei ich peinlich genau auf eine saubere Fahrweise achten sollte. Schon eine sachte Berührung mit der Bande lässt die mühsam aufgebaute Kette zusammenkrachen, bevor die entsprechenden Punkte mit einem Klingeln aufs Konto wandern. Vor allem in den schwerfälligeren Gleitern ist bei Drifts viel Feingefühl gefragt. Oft wird dabei allerdings von der übertrieben ruppigen KI in die Bande gerammt - manchmal sogar von den eigenen Teamkollegen! Zusätzlich muss ich auf die Aufgaben achten, die einem im Story-Modus vor dem Rennen gestellt werden: Erreiche eine bestimmte Kombo-Punktzahl, komme vor Konkurrent XY ins Ziel, durchfahre eine bestimmte Anzahl an Toren.

Variantenreiche Duelle

Letztere kippen beim Durchfahren einen Schwall Farbe auf die Strecke sind eine schöne Ergänzung für den Aufbau zusammenhängender Linien. Mit zehn Strecken und fünf Modi fällt der Umfang nicht gerade üppig aus, die Story bietet dank des eigenwilligen Spielprinzips und variierender Regeln aber trotzdem genügend Abwechslung.

Steilkurve gefällig? Die Gleiter haften sich stets an die Oberfläche.
Zudem kann man ein wenig mit den individuellen Fähigkeiten der acht Karts und ihrer fest vorgegebenen Fahrer experimentieren. Das Handling unterscheidet sich nur leicht und erinnert mit den relativ schwerfälligen Gleitern generell an Future-Racer wie WipEout. Der Großteil der Strecken kann mit seinen zahlreichen Abzweigungen und Besonderheiten wie langen Korkenziehern überzeugen – auch wenn die Comic-Kulisse am Rand ziemlich schlicht bleibt. Die Fahrt führt durch die Wüste, einen nebligen Sumpf voller verschlungener Abzweigungen und in futuristische Städte mit achterbahnähnlichen Konstruktionen. Trotz der bestenfalls zweckmäßigen Grafik geht die Unity-Engine leider regelmäßig in die Knie. Liegt es eventuell an den vielen wabenförmigen Flächen, die ständig dynamisch ihre Farbe wechseln?

Ein technischer Unfall?

Vor allem auf der PlayStation 4 kommt es oft zu Ruckel-Einlagen, die manchmal sogar das Fahrgefühl stören. Die PC-Version lässt sich viel flüssiger spielen, da das Problem dort deutlich seltener auftritt. Doch selbst eine leicht übertaktete GeForce GTX 1070 schafft es nicht, das Spiel auf den höchsten Grafikoptionen komplett flüssig zu halten. Windows-Nutzer haben immerhin noch die Möglichkeit, einige Grafikdetails für eine flüssigere Bildrate herunterzuschrauben. Unsere PC-Fassung schien allerdings Probleme mit dem Speicher-System zu haben: Im Story-Modus wurde einmal der Speicherstand zurückgesetzt und auch online gab es Probleme mit dem Fortschritt, der nach gewonnenen Rennen oft einfach stehen blieb. Auch die Auflösung wird bei jedem Neustart wieder auf den Standard-Wert zurückgesetzt. Achtet am besten auch in der PS4-Fassung darauf, dass das Speichersystem nicht in euren Einstellungen herumpfuscht und z.B. das schon aktivierte Cross-play oder die Matchmaking-Region zurücksetzt.

Einige Sprünge erweisen sich als ziemlich knifflig, weil man danach schnell mal vor einem Baum landet und dann die mühsam aufgebaute Kombo abschreiben kann.
In manchen Bereichen präsentiert sich der Multiplayer vorbildlich: Man darf on- und offline zu viert im Splitscreen antreten sowie im Netz zusammen mit Nutzern der anderen Plattformen (und Bots) spielen, was von kleinen Lags abgesehen meist gut funktioniert. Oft mangelt es allerdings an genügend Mitspielern. Vermutlich haben die Entwickler aus diesem Grund den Online-Modus extrem einfach gehalten. Nach dem Start des entsprechenden Menüpunkts landet man direkt in der automatischen Spielersuche. Vor einer Runde darf man lediglich zwischen zwei zufällig gewählten Strecken und Modi wählen – ziemlich dürftig! Zudem fallen die Lobbies und Ergebnisbildschirme zu simpel aus, statt dem Spieler dediziert zu erklären, wie sich die Punktewertung zusammensetzt.

Get freaky!

Alles in allem wirkt die Technik oft dilettantisch, in punkto Design hatte Entwickler Supergonk aber ein glücklicheres Händchen: Außerirdischen Figuren wie ein Rennfrosch, Roboter oder die hochnäsige galaktische Kaiserin passen gut zum albernen Thema, auch wenn der (überspringbare) Lockerrom-Talk in Textform manchmal zu sehr ausufert. Ungewöhnlich klingt der basslastige Soundtrack, der den Subwoofer ordentlich arbeiten lässt. Zunächst wusste ich nicht so recht, was ich von den mitunter ziemlich infantilen Melodien, zerhackten Kinderchor-Samples oder ewig langen Rap-Zeilen wie "Tricktricka-Tricktricka-Tricktricka-Tricktricka-Tricktricka-Tricktricka-Tech-Technology" von A. Skillz & Krafty Kuts halten sollte. Doch schon nach kurzer Zeit haben sie sich derart in mein Ohr gebrannt, dass ich mittlerweile über den Kauf des Soundtracks nachdenke. Der Aufbau der funklastigen Breakbeats erinnert stark an Jet Set Radio und ähnlich „flippige“ Tracks der Jahrtausendwende. Gab es etwa vor kurzem eine Art Big-Beat-Revival, von dem ich nichts mitbekommen habe? Zeitlich würde es zumindest passen, schließlich ist in den letzten Jahren auch der damals beliebte Jump-up-Sound zurückgekommen.

Fazit

Tests wie der von Trailblazers sind frustrierend: So viel Potenzial – aber auch so viele nervige Macken! Das Spiel hätte das Splatoon der Fun-Racer werden können, doch der Fahrspaß wird immer wieder von Rucklern, der ruppigen KI und Speicher-Bugs gestört. Selbst die Online- und Splitscreen-Lobbies wirken halbgar und zusammengeschustert. In seinen besten Momenten erzeugt Trailblazers trotzdem ein angenehm frisches Spielgefühl: Das Malen der eigenen Boost-Streifen eröffnet ungeahnte Möglichkeiten für spannende Verfolgungsjagden. Wer sich früh eine clever platzierte, lange Linie zeichnet, kann dort später viel Geschwindigkeit und eine hohe Boost-Kombo aufbauen. Oder will man lieber den Gegner schwächen und überpinselt seine Farbe auf einer Abkürzung? Alternativ kann man ihn auch aus der Nähe mit einem Farbschwall abschießen. Oder man baut sich kooperativ lange Boost-Felder auf. Hier ist vieles möglich – daher ist es umso trauriger, dass das Spiel derart unfertig wirkt und man dem ambitionierten Projekt nicht mehr Entwicklungszeit gegönnt hat.

Update zur Xbox-One-Fassung vom 15. Mai 2018

Mittlerweile haben wir auch einen Key für die Xbox-One-Version bekommen, dort läuft Trailblazers überraschenderweise flüssiger als auf den übrigen Plattformen. Von seltenen Ausnahmen abgesehen bleibt es sowohl auf der Xbox One X als auch auf der One S durchgehend flüssig, was dem Spiel und seinem Handling etwas mehr Leichtigkeit verpasst. Da wir auch keine Speicher-Bugs beobachten konnten, würden wir für den Story-Modus also die Microsoft-Version empfehlen. Online hat die Umsetzung dagegen mit eigenen Problemen zu kämpfen: Anders als auf PS4 und PC funktionierte das Cross-Plattform-Spiel nicht. Wir fanden stundenlang keine Mitspieler - nicht einmal abends oder wenn wir selbst auf dem PC oder der PS4 eine Runde starteten. Einmal hängte sich das Spiel im Online-Modus sogar komplett auf. Selbst Xbox-Spieler bekommen also eine fehlerbehaftete Fassung des ambitionierten Fun-Racers. Wer primär offline spielt, wird hier aber am besten bedient.

Pro

Malen eigener Boost-Streifen ermöglicht viele taktische Alternativen
Kooperation wird stark belohnt
vielfältige Modi und Aufgaben im Story-Modus
farbenfrohes Comic-Design
passender fröhlicher Bigbeat-Soundtrack
bis zu vier Spieler im Splitscreen - auch online
im Netz können Besitzer aller Systeme miteinander spielen (Cross-Platform)

Kontra

regelmäßige Ruckel-Attacken, vor allem auf der PS4 (auch Pro!)
verschiedene Speicherstand-Bugs setzten unseren Fortschritt zurück (PC)
verwirrend präsentierte Menüs und Ergebnisse
zu simpel gestrickter Online-Modus
etwas klobige Hintergründe wirken technisch bestenfalls zweckmäßig
lange Ladezeiten und ausufernde Dialoge im Story-Modus

Wertung

XboxOne

Tolles Spielprinzip, schwache Umsetzung: Viele Fehler und technische Probleme stören die eigentlich spannenden kooperativen Rennen mit selbstgemalten Booststreifen.

PC

Tolles Spielprinzip, schwache Umsetzung: Viele Fehler und technische Probleme stören die eigentlich spannenden kooperativen Rennen mit selbstgemalten Booststreifen.

PlayStation4

Tolles Spielprinzip, schwache Umsetzung: Viele Fehler und technische Probleme stören die eigentlich spannenden kooperativen Rennen mit selbstgemalten Booststreifen.

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