Spyborgs24.09.2009, Jörg Luibl
Spyborgs

Im Test:

Nach dem ersten Anspielen im Frühjahr war ich angenehm überrascht: Spyborgs (ab 14,99€ bei kaufen) servierte nicht nur kooperative Action mit präziser Steuerung, sondern sah auch noch unheimlich gut aus - kein anderes Wii-Abenteuer fackelte ein dermaßen ansehnliches Feuerwerk ab! Kann das Spiel die Vorschusslorbeeren bestätigen und einen Award abräumen?

Frühe Euphorie, späte Ernüchterung

Zwei Helden, ein Auftrag: Der mächtige Roboter Bouncer und die elegante Schwertkämpferin Clandestine.
Nein, kann es nicht. Ich bin zwar technisch immer noch angetan von diesem explosiven Brawler im Stile eines Double Dragon, der ohne Zweifel zu den schönsten Spielen auf Wii gehört: Vor futuristischen Hintergründen geht es mit butterweich animierten Comic-Helden seitwärts scrollend gegen zig Roboterkreaturen zur Sache: Zackbäng. Haudrauf. Kombozähler hoch. Zackbängbum. Hauhiebdrauf. Kombozähler höher. Die Feinde rasen mal wie kleine Wiesel heran, kommen hinterhältig wie Skorpione angezischelt oder füllen als metallene Riesen den ganzen Bildschirm aus.

Wieso, weshalb, warum diese Viecher überhaupt die Spyborg-Zentrale angreifen? Und warum gerade deren ehemaliger Chef Jackal sie anführt? Zwei gute Fragen, die irgendwann von einer schlechten und fragmentarischen Story beantwortet werden, die selbst nach dem Abspann mehr Verwirrung als Verstehen hinterlässt. Um es kurz zu machen: Man spielt einen kybernetisch aufgemotzten Polizei-Superheldentrupp auf Seiten der Guten gegen die zahlreichen Robotertrupps der Bösen.  Wichtiger als der Plot ist in einem Beat'em Up natürlich die Schlacht: Um diesen aggressiven Schergen Paroli zu bieten, kann man ein schlagkräftiges Duett steuern. Zur Wahl stehen der mit Maschinenpistole ballernde Blondschopf Stinger, der mit Fäusten kämpfende Gorilla-Roboter Bouncer sowie die Katana schwingende Zopflady Clandestine. Vor jedem Level sucht man ein Paar aus, kann aber im Spiel jederzeit zwischen beiden wechseln oder einen Freund einsteigen lassen - sehr schön.

Brawler ohne Charakter

Clandestine brutzelt ihren Gegner, der daraufhin für kurze Zeit bewegungsunfähig ist.
Bis hierher hört sich das gut an und es sieht auch so aus: Es kracht und scheppert im Sekundentakt, Metallschrott und Funken fliegen einem um die Ohren, das Interieur lässt sich (allerdings nur teilweise) brachial in seine Einzelteile zerlegen und die Kampfanimationen sind ebenso geschmeidig wie wuchtig. Man freut sich nicht nur über die malerisch gezeichneten Kulissen, die von Hallen und Laboren über Dschungel bis hin zu Riesenschiffen reichen, sondern auch über die präzise Steuerung.

Lediglich die Kamera macht Zicken, denn ab und zu kämpft man ohne Sicht auf seine Helden, da Mauern nicht wie üblich transparent werden. Außerdem schaltet man irgendwann die angenehm rockige, aber viel zu selten variierende und für Capcom'sche Verhältnisse erschreckend uninspirierte Hintergrundmusik ab, weil sie zusammen mit dem gleichzeitigen Stakkato metallisch hallender Soundeffekte schnell für Dissonanzen aka Kopfschmerzen sorgt.

Trotzdem hat diese pure Action nach einer halben Stunde Probespiel im Mai zum Fit4Hit geführt. Aber Spyborgs entpuppt sich nach insgesamt sechs Stunden als ein Blender, dem drei wichtige Dinge fehlen: Abwechslung, Entwicklung, Charakter. Dieser Brawler bereichert weder das Genre um eine kreative Duftmarke noch - und das ist wesentlich fataler - entwickelt er sich in seinem eigenen Spielverlauf! Das bricht der Motivation das Genick und ist richtig schade, denn die Voraussetzungen für sehr gute Action alter Schule waren da und blitzen kurzfristig auf.

      

Keine Charakterunterschiede

Bouncer schlägt zu und lässt kein Gras wachsen.
Normale Attacken erfolgen ohne Gefuchtel über klassische Knopfkombos: C,C,B und B,B,B,C sorgen z.B. für Schleuderangriffe; Sprungattacken erfolgen über A,B oder A,C. Leider bekommt man keine Boni, wenn man Feinde einen Abgrund hinunter wirft oder besonders stilvoll kämpft. Das Belohnungssystem setzt lediglich auf einfache Trefferketten: Je öfter man einen Gegner attackiert, desto höher fällt der Punktebonus aus - ähnlich wie in Viewtiful Joe erscheinen je nach Erfolg Sprechblasen von "Cool" über "Brillant" bis "Astrein!". Wer reichlich Punkte ergattert, kann diese in den Ausbau der Fähigkeiten investieren.

Das ist eine Stunde vielleicht noch cool, aber dann gibt es auf lange Sicht zwei Probleme: Erstens spielen sich die drei Charaktere trotz unterschiedlicher Waffen viel zu ähnlich, als dass man sie wirklich im taktischen Duett als gegenseitige Ergänzung einsetzen könnte - es ist eigentlich egal, wer von den Dreien im Team loslegt. Selbst ihre Karriere läuft identisch ab: Man kann die gewonnenen Kombopunkte bei allen bis zu vier Ränge hoch in die Kategorien Gesundheit, Schaden, Moves und Spezial investieren - Letzteres sorgt dafür, dass sich die Leiste für Teamattacken schneller füllt. Interessant ist lediglich der Bereich Moves, aber selbst da gibt es enttäuschend wenig und Unspektakuläres wie das Ducken zu lernen. Und wenn man nach zwei Stunden die Blitzattacke beherrscht, hat man auch schon das effektivste Manöver in petto. Wo bleibt die Abwechslung? Warum gibt es keine individuelleren Moves? Natürlich wird das Ducken z.B. je nach Held anders animiert, aber es wäre viel interessanter, wenn die Helden mit eigenen Techtrees mehr Charakter zeigen könnten.

Blocks aus der Steinzeit

Wenn es weniger Gegnerwellen, aber dafür markantere Feinde geben würde, hätte Spyborgs auch mehr Spannung aufbauen können.
Zweitens macht das Blocken einfach keinen Spaß, weil man damit keine Konter einleiten kann und die Defensivhaltung komplett statisch bleibt - man hält einfach die Z-Taste, darf sich dann nicht mehr bewegen und wehrt alle Angriffe außer Projektile und Granaten automatisch ab. Das ist Actionsteinzeit! Es wäre wesentlich motivierender gewesen, wenn es bei gutem Timing des Blocks einen mächtigeren Gegenschlag gegeben hätte. Denn so führt das Blocken sogar zu einem kleinen Zeitnachteil, da es etwas dauert, bis man in der defensiven Haltung ist und da man nicht fließend aus ihr heraus Moves einleiten kann. Die Folge: Man verzichtet darauf und haut gleich drauf.

Zu Beginn hat man ja noch Hoffnung, dass über die Gegnertypen etwas mehr Spannung und Kampfvariation ins Spiel kommt - immerhin gibt es Scharfschützen oder Granatwerfer, die aus der Distanz operieren und möglichst frühzeitig angegriffen werden müssen, damit man ihre Schüsse unterbricht. Außerdem krabbeln große Metallspinnen auf einen zu, die richtig gut designt wurden. Und schön ist, dass neue Feinde mit einem kurzen Kameraschwenk samt Einblendung ihres Namens kurz vorgestellt werden. Aber die Spielmechanik gleicht einer Einbahnstraße ohne Auffahrt auf eine Autobahn - man fährt immer nur 50.

Das Hauen, Stampfen, Schlitzen, Ballern und Explodieren sieht zwar richtig gut aus, aber irgendwann herrscht eher buntes Chaos mit wildem Knopfgedrücke als geplanter Teamkampf, weil man einfach zu wenig erkennt und fast blind immer

Aber stattdessen spulen die Entwickler Welle für Welle an Feinden ab und bieten dem Spieler zu wenig Möglichkeiten der Individualisierung von Held und Kampfmoves.
dieselben Kombos abruft. Nach der zehnten Welle an Gegnern tendiert man einfach zum Buttonmashing und hat sogar Erfolg damit. Unterm Strich gibt es zu wenig markante Feinde, die einem wirklich eine andere Taktik abverlangen. Man haut drauf und gut, denn irgendwann verschwimmen sie alle in einer ebenso blechernen wie bunten Masse. Selbst die größeren Spinnenviecher lassen sich mit den Teamangriffen sehr leicht erledigen.

Monotones Gekloppe

Das, was für kurze Zeit gerade mit einem Freund unterhaltsam ist, wird deshalb Episode für Episode langweiliger, weil man lediglich immer mehr Gegner im ermüdenden Stile eines Dynasty Warriors vernichtet - warum werden einem noch mal zwanzig kleine 08/15-Kreaturen in die Arena geworfen, nachdem man bereits drei ihrer Wellen sowie einen großen Gegner vernichtet hat? Das ist dramaturgisch Unsinn und riecht nach künstlicher Streckung - selbst das hat mit sechs Stunden Spielzeit nicht geklappt.

Das Spieldesign käut lediglich bekannte Mechanismen wieder anstatt frische anzubieten. Nicht falsch verstehen: Es geht nicht darum, dass Spyborgs als Brawler nicht innovativ ist, sondern darum, dass es sich selbst und damit dem Spieler keine unterhaltsame Entwicklung gönnt. Man macht quasi immer dasselbe. Was zunächst spektakulär aussieht, verliert spätestens bei der dreißigsten Wiederholung an Reiz.

    

Teamattacken nach Schema F

Der erste Bosskampf gegen 86 gehört noch zu den Höhepunkten der ersten drei Stunden. Warum hat man nicht mehr davon angeboten? Lediglich drei Bosse warten in sechs Stunden auf euch.
Auch das vielversprechendste Element, die Teamattacken in Zeitlupe, die zur sofortigen Zerstörung selbst größerer Gegner führen, ist viel zu statisch: Ja, es sieht gut aus, wenn Bouncer eine Riesenspinne in die Luft schmeißt, damit Clandestine im eleganten Sprung den finalen Stich setzen kann. Aber man ahmt mit Remote und Nunchuk immer dieselben dualen Gestenmanöver nach. Sprich: Je nachdem, wer sie auslöst, macht man erst die eine und dann die andere Bewegung.

Es gibt also weder einen nennenswerten Zuwachs an Kombos oder individuellen Fähigkeiten noch frische Teamangriffe, die vielleicht mal drei oder vier Gesten hintereinander fordern. Nach knapp drei Stunden hat man dann auch schon drei Episoden und damit die Hälfte des Spiels gelöst. Alles läuft bis zum Finale strikt linear ab, man hetzt quasi von einer gut aussehenden Arena zur nächsten - und die Barrieren werden erst dann geöffnet, wenn man alle Feindwellen besiegt hat.

Die Mauer muss weg!

Neben futuristischen Hallen steht auch ein Dschungel auf dem Programm - allerdings geht es strikt linear zur Sache.
Hier haben die Entwickler dann auch noch geschlampt: Es kann passieren, dass man alle Feinde vernichtet hat, aber einer außerhalb (!) der Barriere übrig ist - dann heißt es tatsächlich: Level neu laden. Oder es kann sein, dass die Barriere nicht verschwindet, weil einfach keine weiteren Gegner auftauchen - man muss dann die betreffende Stelle mit dem Auslöser finden, damit man den Rest vernichten kann.

Aber auch ohne Mauerbug oder erfolglose Monstersuche kann es zu nervigen Wiederholungen kommen: Es gibt nämlich kein Checkpointsystem - wenn beide Helden sterben, muss man alles von vorne angehen. Es gibt fünf Schwierigkeitsgrade, wobei zu Beginn nur vier zur Verfügung stehen. Schon der dritte "Hardcore" hat es in sich: Hier kommt es nämlich darauf an, dass man gut blockt und clever Kombos sowie Teamangriffe ausführt. Ersteres ist leider so gut wie untauglich, da es zum Stillstand führt und keine Riposte erlaubt. Und die KI ist nicht der beste Partner, denn sie kämpft relativ zurückhaltend, kann selbst keine Teamattacke einleiten und auch keine Befehle wie passives oder aggressives Verhalten entgegen nehmen - man hat also keinerlei Einfluss. Das wird zwar dadurch relativiert, dass man auf Knopfdruck auch in die Haut des Partners schlüpfen kann, aber erst wenn man mit einem menschlichen Spieler zusammen loslegt, kann man wirklich effizient attackieren. Und erst dann sollte man "Hardcore" spielen.

 

Post mortem

Ich hatte gehofft, dass Capcom noch Abwechslung über Jump'n Run-Elemente oder Rätsel einbringen wird, schließlich steckt ja Spionage im Titel, aber es gibt nichts. Dazu sollte man wissen, dass dieses Spiel von den Entwicklern eigentlich auf Action und Puzzel ausgelegt wurde und auch so beim ersten Mal präsentiert wurde. Allerdings hat Capcom dann alles bis auf die geradlinige Action gestrichen. Warum eigentlich? Das war ein Fehler!

Spyborgs ist unterm Strich ein wunderschöner, aber leider viel zu monotoner Brawler alter Schule.
So fehlt es an akrobatischen Herausforderungen und Erkundungsreizen, denn das Scannen der Umgebung nach "Geheimnissen" entpuppt sich als schnödes Absuchen, ähnlich belanglos arrangiert wie in The Conduit : Man hält die Remote dahin, wo es flimmert und kann dann Kisten mit Energie oder Schalter finden - toll. Und die sorgen nach der Bedienung immer wieder dafür, dass leuchtende Plattformen auf dieselbe Art gefühlte hundertmal ausgefahren werden; es gibt selbst hier keine Abwechslung!

Das höchste der Entdeckungsgefühle wird erreicht, wenn man unsichtbare Feinde auf diese Art enttarnt - warum gibt es nicht mehr dieser Überraschungen? Immerhin kann man auch gut versteckte Tonbänder finden und dann allerdings erst im Menü anhören, um noch weiter verwirrt zu werden. Warum macht man das so umständlich und spielt den Inhalt nicht sofort ab? Und man hat irgendwann gar keine Lust mehr, sich die Bänder zu Gemüte zu führen, denn das Erzählte ist so fragmentarisch, dass sich kaum ein roter Faden ergibt.

Zwar gibt es auch Zwischensequenzen, in denen die drei Helden theoretisch über Dialoge greifbarer werden könnten, aber praktisch bleiben sie Abziehbilder ohne Charakter. Sie sehen zwar ähnlich sympathisch aus wie die Comicfiguren in Ratchet & Clank , aber sie versprühen nicht mal ansatzweise den Witz und den Charme der Vorbilder - und das, obwohl einige der Entwickler von Insomniac kommen.

    

Fazit

Wie heißt das schönste Wii-Spiel im ganzen Land? Spyborgs! Das Figurendesign ist klasse, die futuristische Welt erinnert ein wenig an Ratchet&Clank und vor allem die Explosionen rocken. Aber was nutzt einem dieses Schneewiichen, wenn sie immer wieder nur denselben Satz sagt? Beim ersten und zweiten Mal hört man ihr gerne zu, aber beim dreißigsten Mal verliert die Lady ihre Reize. Spyborgs ist leider nur ein hübscher Blender, dem drei wichtige Dinge fehlen: Abwechslung, Entwicklung und Charakter. Dass die Story, der Humor und die Soundkulisse für Capcom'sche Verhältnisse schwach sind, ist nur eine Seite der enttäuschenden Medaille. Wichtiger ist, dass das monotone Abenteuer nicht mal ansatzweise mit einem kreativen Plattformer der Marke Viewtiful Joe oder Shadow Complex mithalten kann. Es geht dabei nicht um fehlende Innovation, sondern um fehlende Qualität innerhalb des Spieldesigns. Natürlich geht es hier in erster Linie um den Kampf, natürlich ist das ein Brawler und kein Jump'n Run - aber dann müssen die Gefechte auch rocken! Und das tun sie nicht, denn die Actionplatte hat einen Sprung, spult in schier endlosen Wellen immer dasselbe 08/15-Gekloppe ab. Schlimmer noch: Das Kampfsystem stammt mit seinen statischen Blocks aus der Steinzeit und die drei viel zu ähnlichen Helden entwickeln sich nicht so, dass man sich über coole neue Kombos oder Teamattacken freuen könnte. Man ertappt sich im bunten Metallgeschepperchaos irgendwann bei einem ermüdenden Buttonmashing à la Dynasty Warriors. Hinzu kommen zwar nur sporadische, aber dennoch ärgerliche Bugs, die zum Neustart eines Levels zwingen können. Das alles bricht der Motivation das Genick und ist richtig schade, denn die Voraussetzungen für sehr gute Action waren ja da. Es steuert sich präzise. Es sieht klasse aus. Und mit einem Freund sorgt es zwischendurch für solide Unterhaltung. Aber Spyborgs kann als uninspirierter Aufguss alter Spielmechaniken keinen bleibenden Eindruck im Genre hinterlassen.

Pro

kooperative Action
sehr gute Steuerung
ansehnliche Kulissen
fließender Charakterwechsel
sehr gute Explosionseffekte
tolles Figurendesign & Animationen
viele Kombos und Gesten-Team-Attacken
vier Schwierigkeitsgrade

Kontra

viele nervige Gegnerwellen in Arenakämpfen
nur drei Bosskämpfe
lineares Leveldesign
nur statisches Blocken möglich
kaum Hüpf
oder Rätsel-Abwechslung
Spezialangriffe immer nach Schema F
drei Helden spielen sich zu ähnlich
Charakteraufstieg ohne markante Unterschiede
sporadischer Mauerbug zwingt zum Levelneustart
schwache Hintergrundmusik & Soundeffekte
schwache Story

Wertung

Wii

Schönheit ohne Charakter: Ein wunderschöner Brawler, der an seinem unheimlich monotonen Spieldesign leidet.

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