Flock!08.04.2009, Paul Kautz
Flock!

Im Test:

Dinge, die einem der Berufsberater vermutlich nie sagen wird: »Du solltest vielleicht eine Karriere im Bereich des Schafehütens in Erwägung ziehen, dein Persönlichkeitsprofil deutet unmissverständlich in diese Richtung« - obwohl die Wahrscheinlichkeit dafür nach einigen Runden Flock durchaus steigen würde. Denn aller Kuschelpräsentation zum Trotz erfordert das Spiel vor allem jede Menge Geduld und Frusttoleranz.

Alienspaß in Softwareform

Die Checkliste für Außerirdische beim Erdurlaub ist verhältnismäßig überschaubar:

a.) Disneyland besuchen.

b.) Kornkreise brennen.

c.) Hirnlosem Bauerntölpel Analsonde verpassen und sich über seine zukünftigen Talkshowauftritte scheckig lachen.

d.) Schafe entführen.

Das Ziel aller Schafe: Die Mother Flocker. Mit dem UFO werden die wolligen Kumpels (genau wie Schweine oder Hühner) in den Traktorstrahl des Mutterschiffs getrieben. Leider stehen dem Spaß nervende Steuerungsmängel im Weg.
 Wieso Schafe entführen? Nun: Wieso nicht? Wer ein Mutterschiff namens »Mother Flocker« hat, braucht sich nicht zu rechtfertigen. Die Mission in Flock ist es also, in jedem der mehr als 60 Levels möglichst viele der wolligen Gesellen zusammenzutreiben und zum Mother Flocker zu scheuchen, wo sie dann mit einem »Flupp!«-Geräusch aufgesaugt werden. Dazu steuert man ein Mini-UFO, vor dessen Lichtstrahl die Tiere Angst haben. Man treibt sie also indirekt vor sich her, muss aber darauf achten, dass sie nicht einfach seitlich abhauen - ständiges Korrigieren des Schäferkurses und Zusammenhalten der Herde ist also oberste Entführerpflicht.

Anfangs hat man es nur mit Schafen zu tun, später kommen weitere Tiere hinzu: Bullen sind grundsätzlich gemütlich; treibt man sie allerdings ein paar Sekunden lang vor sich her, verfallen sie in Raserei und stampfen wild drauflos - idealerweise in ein Hindernis hinein, das den Schafen den Weg blockierte. Hühner können kurzzeitig fliegen, Schweine wie Murmeln herumrollen. Außerdem muss man sich immer wieder mit Wasserfontänen herumschlagen, welche das Fell der Schafe benässen, wodurch sie auf einmal ganz winzig sind - und kurzzeitig unter Hindernissen hindurch schlüpfen können, bevor sie mit einem »Plopp!« wieder auf ursprüngliche Größe zurückschnalzen.

Wollige Lemminge

Hach, ist das süß: Die Landschaft wirkt wunderbar verspielt, die Tierchen sind putzig - und man kann das Ganze auch noch gemeinsam mit einem Freund spielen!
 Klingt einfach, aber natürlich gibt's den einen oder anderen Haken: Zum einen kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, wie wichtig es ist, die Herde zusammenzuhalten. Denn obwohl Schafe an Klippen kurz schaudern, aktivieren sich kurz darauf ihre Lemming-Gene und sie plumpsen unwiederbringlich in die feuchten Gräber. Verliert man zu viele Wollträger, kann man die Levelmindestquote nicht mehr schaffen und muss von vorn beginnen. Außerdem ist es in diesem Zusammenhang wahnsinnig ärgerlich, wenn man seine Schäfchen (oder andere Tiere) glücklich beim Mother Flocker abgeliefert hat und dann dort erst feststellen muss, dass ein Blödvieh fehlt - das sich irgendwo in der Landschaft verloren hat, in der schrägen Perspektive versteckt. In diesem Fall ist es nützlich, dass die Antenne des UFOs automatisch auf das nächstgelegene Schaf zeigt: Vermisst man eines, wird zielsicher darauf gedeutet.             

Was ein richtiges UFO ist, das kann auch künstlerisch wertvolle Kornkreise zeichnen - der Traktorstrahl macht's möglich.
 Allerdings sollte man das nicht zu oft passieren lassen, denn Haken Nummer zwei nennt sich »Zeitlimit« - und das ist ein bissiges Luder! Denn jede Mission wird mit Gold, Silber oder Bronze belohnt, je nachdem, wie schnell man seine Lämmer beim Mutterschiff abliefert. Schludern bedeutet, dass man Gold vergessen kann, auch Silber wird einem nicht hinterher geschmissen. Wie schon beim Klassiker Lemmings bedeutet erfolgreiches Flocken, dass man den Level auswendig kennt und die Tiere mit außerirdischer Effizienz vor sich her treibt. Das ist allerdings kein leichtes Unterfangen, da die Steuerung, unabhängig von der Plattform, keine Ausgeburt an Präzision ist. Das UFO reagiert sehr träge auf Richtungsangaben, weitaus träger, als z.B. nasse Schafe mähend und quietschend Reißaus nehmen - wenn die Herde an einem schmalen Pfad durch einen Eingabefehler auf einmal in alle Himmelsrichtungen von dannen rennt, hat man kaum noch eine Chance, sie zu retten. Da das viel mehr die Regel als die Ausnahme ist, kommt schnell Frust auf.

Boingboingquiiiiekboing!

Das Grundprinzip von Flock bleibt in jedem der kurzen Levels gleich - im Laufe der Zeit kommen nur ständig neue Funktionen dazu. Da wären z.B. Raubtiere, die nichts gegen einen wolligen Mitternachtssnack einzuwenden haben. Oder der Traktorstrahl, mit dem man Hindernisse wie Tore oder stabile Felsen anheben oder wegtransportieren kann. Nicht zu vergessen die Spielwiese für verliebte Schafe, auf der sich Mama Schaf und 

Wo kommen die kleinen Schafe her? Die Frage sollte mit diesem Screenshot erschöpfend beantwortet sein.
Papa Schaf zum wilden Knutschen treffen, woraufhin Bienchen und Blümchen ihre Arbeit aufnehmen und kleine Babyschafe dabei herauskommen. All dies kann man entweder allein oder gemeinsam mit einem befreundeten Menschenschaf erleben (nur lokal, nicht online), wobei die Levels für Einzel- und Grüppchenspieler unterschiedlich sind. Wem die immer noch nicht reichen, der kann auch zum beiliegenden Editor greifen, mit dem sich im Schafumdrehen eigene Treibjagd-Szenarien basteln lassen - entsprechende Bauteile werden in der Kampagne freigeschaltet. In diesem Zusammenhang gewinnt auch die Online-Komponente an Bedeutung: Man kann von anderen Spielern zusammengeschraubte Levels herunterladen und lokal zocken.

Technisch erinnert Flock im besten Sinne an LittleBigPlanet : Die Umgebung wirkt wunderbar verspielt, die Landschaft sieht aus, als wäre sie aus vielen unterschiedlichen Stofffetzen zusammengenäht worden. Die kleinen Schafe sind wunderbar wollig-kuschelweich, hüpfen panisch durch die Gegend und machen dabei drollige Geräusche - »boingboingquiiiiekboing!« schallt es durch den Wald. Dazu zappeln fröhliche Country-Melodien aus den Boxen, die Hauptmenü-Musik ist eine herrlich überdrehte Parodie auf UFO-Filme aus den 50er Jahren.      

Fazit

Man muss kein Schaffreund sein, um Flock 100 von 100 möglichen Stilpunkten zu bescheinigen: Die wie gesteppt aussehenden Levels wecken liebevolle Erinnerungen an LittleBigPlanet, die wunderbar wolligen Schäfchen quietschen und hopsen gar liebreizend über Auen und durch Wäldlein, die beschwingte Country-UFO-Musik könnte auch aus einem Mel Brooks-Film stammen. Der Leveleditor geht leicht von der Hand, und man darf auch noch kooperativ die blökenden Viecher hüten - Yay! Das strahlend schöne Bild bekommt aber unerwartete Knackser und Falten, sobald man das Pad in die Hand nimmt: Die Steuerung des UFOs und damit die indirekte Kontrolle der Herde leidet an zwei großen Problemen. Zum einen ist das Verhalten der herumstreunenden Tiere schwer unter Kontrolle zu halten - mit einem Mal tummelt sich die Hälfte der gerade eben noch so braven Herde wie ein Rudel Lemminge an einem Abgrund oder bereits auf dem Weg ins tödliche Wasser, ohne dass man etwas dagegen tun könnte. Das Problem könnte dadurch abgemildert werden, dass man sich einfach Zeit lässt, aber da kommt der andere Nervpunkt ins Spiel: Das harsche Zeitlimit kennt keine Gnade mit Trödlern und bestraft vorsichtiges Herangehen eiskalt mit Bronzemedaillen. Dieses Spiel schreit danach, genossen und gemocht zu werden, setzt den Spieler aber gleichzeitig unter enormen Druck, der beides schwer macht. Was irre schade ist, denn dadurch steht es sich nur selbst im Weg.

Pro

niedliche Präsentation
herausforderndes Leveldesign
einfacher Leveleditor liegt bei
unterhaltsamer Mehrspielermodus
beachtlicher Umfang

Kontra

fummelige UFO-Steuerung
teilweise harsche Zeitlimits
gelegentliche Übersichtsprobleme
nervend hirnloses Herdenverhalten

Wertung

360

Zuckersüß und albern - aber die zickige Steuerung verhindert den spielbaren Schafshimmel.

PlayStation3

Zuckersüß und albern - aber die zickige Steuerung verhindert den spielbaren Schafshimmel.

PC

Zuckersüß und albern - aber die zickige Steuerung verhindert den spielbaren Schafshimmel.

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