Grand Theft Auto 4: The Ballad of Gay Tony18.11.2009, Paul Kautz
Grand Theft Auto 4: The Ballad of Gay Tony

Im Test:

Dinge, die einem den Tag versauen können: Da geht man ganz gemütlich zur Bank, um ein bisschen Kohle für den bestenfalls schleppend laufenden Nachtclub abzuheben - und schon wird das blöde Ding überfallen! GTA 4-Spieler, erinnert ihr euch an die Dreh- und Angel-Mission »Four Leaf Clover«? In der sich ein allzu enthusiastischer Möchtegern-Held den Bankräubern in den Weg stellen wollte, nur um ein paar Ladungen Schrot ins Fleisch zu bekommen? Der Held des frischen GTA-Add-Ons »The Ballad of Gay Tony« ist der Typ, der neben ihm am Boden lag.

GayTA 4!

Video: The Ballad of Gay Tony ist GTA in Reinkultur - voller Action, aufregend, hochmotivierend und verdammt unterhaltsam!Es gibt Momente im Leben einer langjährigen Spieleserie, in denen fühlt man einfach, dass die Luft raus ist. Sobald es sich Entwickler auf ihren gemütlichen Lorbeeren erstmal bequem gemacht haben, ist die Gefahr groß, dass sich diese Faulheit negativ auf das nächte Spiel auswirkt. Dieses Gefühl hatte ich z.B. bei der PS2-Umsetzung des fabelhaften Vice City Stories , das mit jedem Bit Faulheit versprühte. Bei der ersten Präsentation von The Ballad of Gay Tony (TBOGT) hatte ich ähnliche Befürchtungen: Zum einen bin ich kein großer Freund von Episoden und dem damit verbundenen zwangsläufigen Recyceln von Inhalten, zum anderen zeigte Rockstars RAGE-Engine bereits damals erste Alterserscheinungen. Für mich gleichzeitig ärgerlich und erfreulich: Ich habe mich geirrt, Rockstar hat's immer noch drauf. Und wie!

Wie schon bei der ersten Episode The Lost and Damned  wird auch bei TBOGT eine Figur in den Mittelpunkt gedrängt, die vorher bestenfalls eine Randnotiz wert war. Der Latino Luis Lopez hat eine ereignisreiche Vergangenheit in der Armee und im Gefängnis - hat sich in den letzten Jahren aber darauf beschränkt, Geschäftspartner, Bodyguard und Freund von Tony Prince zu sein. Der war unter dem Namen »Gay Tony« als König des Nachtlebens von Liberty City bekannt, hat aber aufgrund einiger mit nicht völlig legalen Drogen im Zusammenhang stehender Geschäfte sowohl sein Leben als auch sein Konto fast völlig ruiniert. Nun liegt es an Luis, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen.

Altbekannte Gangstervisagen

Ein GTA ist ein GTA ist ein GTA - oder? Natürlich ändert sich das bewährte Spielprinzip auch hier nicht; die Entwickler bleiben der Mischung aus krachender Action, offenem Missionsdesign, riesiger freier Welt und massig Vehikeln, mit denen man selbige erkunden kann, treu. Natürlich dreht sich ein Großteil der Aufträge darum, einen oder 

Links Gay Tony, rechts Luis Lopez. Ein Team, das unterschiedlicher kaum sein könnte, aber wunderbar zusammen funktioniert.
mehrere Zielpersonen auszuschalten und sich dabei nicht von der Polizei erwischen zu lassen, aber das Drumherum versprüht mehr frischen Wind als eine Batterie Klimaanlagen: So gibt es jetzt eine bemerkenswerte Tendenz zu Aufträgen in der Luft; mit dem schwer bewaffneten Helikopter ist man ebenso häufig unterwegs wie mit dem Fallschirm am Rücken. Mal muss man eine Yacht versenken, mal im Golfwägelchen flüchten, mal einen Gangster auf das höchste Gebäude von Liberty City verfolgen, mal vorher von einem selbst gestohlene Diamanten zurückklauen. Wie mittlerweile gewohnt gibt es innerhalb der Aufträge sinnvoll platzierte Checkpunkte, so dass man eine Mission nach dem Scheitern nicht von ganz vorne beginnen muss. Aber vielleicht will man das ja, denn es gibt ein Bonussystem, dessen Highscores nur gezählt werden, wenn man eine Aufgabe am Stück schafft. Die Geschwindigkeit bei der Ausführung spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Präzision beim Schießen, der erlittene Schaden oder die zivilen Verluste. Vergleichbar zum DS- und PSP-GTA Chinatown Wars  werden bereits gemeisterte Missionen gespeichert, so dass man sie hinterher für einen besseren Score jederzeit wieder in Angriff nehmen kann. Wie schon bei der Vorgänger-Episode überschneiden sich einige Aufträge  mit bekannten Missionen aus GTA IV  und The Lost and Damned, außerdem läuft man immer wieder bekannten Gesichtern wie Niko,
Kein Mann der langen Worte: In den meisten Aufträgen geht es gewohnt heftig zur Sache. Nichtsdestotrotz ist das Missionsdesign wunderbar abwechslungsreich.
Brucie, Roman oder Johnny Klebitz und seinen Boss Billy Grey über den Weg.

Zusätzlich zu den für die Hauptstory wichtigen Missionen gibt es natürlich nebenher jede Menge zu tun: Da wären z.B. Sekundäraufträge, die man von in der Stadt herumstehenden Personen bekommt - wie einem besoffenen Franzosen oder Luis' depressiver Ex-Freundin. Allein die Verbindung aus diesen und den Hauptmissionen sorgt für locker zehn Stunden aufregender GTA-Unterhaltung. Kenner der Serie wissen: Da kommt noch mehr. Bingo! Zum einen kann man auf den diversen Tanzfluren der Liberty City-Discos das rhythmische Bein schwingen; die Tanzspiele sind etwas anders als in San Andreas , aber immer noch sehr einfach. Stellt man sich dabei gut an, tanzt in Kürze die halbe Besucherschaft mit. Stellt man sich sehr gut an, begleitet man die Tanzmaus der Wahl mit aufs Klo...         

Das Basejumping kommt nicht nur in einigen Missionen zum Zuge, sondern stellt auch einen großen Teil der Nebenbeschäftigungen.
Weiterhin kann man sich mit VIP-Kunden ein Champagner-Trinkspiel geben oder beim »Club Management« selbst zum Rausschmeißer mit Knopf im Ohr werden. Wem das noch nicht genug Action ist, der stattet dem LC Fight Club einen Besuch ab und kämpft sich dort Runde für Runde zum Cagefight-Champion herauf. Außerdem kann Luis seinen beiden debilen Kumpels Henrique und Armando in den »Drug Wars« dabei helfen, das Drogengeschäft der Stadt unter ihre Fuchtel zu bekommen - kurz gesagt geht es nur darum, anderen Dealern das Geschäft zu vermasseln, nichtsdestotrotz machen diese knackigen Missionen sehr viel Spaß. Allerdings nicht so viel Spaß wie das brandneue »Basejumping«, in dem sich alles darum dreht, mit einem Fallschirm von einem möglichst hohen Gebäude zu springen und präzise auf einem Zielpunkt zu landen - was nicht zuletzt aufgrund der lockeren Steuerung angenehm von der Hand geht. Im Gegensatz dazu ist die Driving Range eine Enttäuschung: Klar macht es Laune, den einen oder anderen Ball zu kloppen, allerdings ist hier die Ballphysik derart merkwürdig, dass einem schnell die Lust an diesem Hobby vergeht.

Dinge, die ich dir zeigen muss!

The Lost and Damned, so großartig es auch war, ließ vor allem eines vermissen: Die GTA-typischen, irrwitzig abgedrehten Figuren - das Rockerleben ist halt eher ein ernstes. TBOGT hat dieses Problem nicht und schöpft gleich mit Eimern aus dieser Freiheit! Gay Tony ist ein Kracher,

Im neuen Liberty City geht's des Öfteren in die Lüfte: Ausflüge im schwer bewaffneten Helikopter kommen immer wieder vor.
Yusuf Amir ist ein Comedy-Hammer, selbst Nebenfiguren wie Mauri sorgen pausenlos für meterweites Grinsen im Spielergesicht. Das ist nicht zuletzt der einmal mehr brillanten englischen Sprachausgabe zu verdanken, die den Wortwitz und die lässigen Dialoge mit treffsicherem Timing auf den Bildschirm bringt. Deutsche Sprache gibt es nicht, dafür aber entsprechende Untertitel, die ihre Sache ebenfalls sehr gut machen. Alles in allem sind die teilweise sehr langen, edel inszenierten Zwischensequenzen sowie die ebenfalls ausufernden Dialoge während längerer Fahrten höchstes Unterhaltungs-Niveau! Wer lieber der Musik als dem Gelaber lauscht, dürfte sich über einige neue Radiosender freuen, die vor allem den House- sowie Eighties-Sektor aufpäppeln.

Neben neuen Missionen gibt es auch frische Waffen und Vehikel im Angebot: An Oberflächen klebende Sprengsätze, die sich auf Knopfdruck zünden lassen sind ebenso nützlich wie das Schrotgewehr, das explosive Munition verschießt, mit der man auch Helikopter aus der Luft bekommt. All das sowie Neuerungen wie die Fallschirme lassen sich auch im Mehrspielermodus nutzen, den man wie üblich jederzeit über das Handy aufrufen kann. 16 Spieler dürfen sich auf etwas übersichtlicheren Karten als vorher beharken, wobei die Entwickler die Modi etwas beknappt haben: Gab es gerade bei Episode Eins noch irre viele Spielvarianten, warten derer jetzt gerade mal vier - (Team) Deathmatch sowie zwei Rennarten. Schade außerdem, dass all die tollen Neuerungen und Erweiterungen auf TBOGT beschränkt bleiben: Da die Episode als eigenständiges Spiel gilt, gibt es keine Möglichkeit, die frischen Waffen, Items und Vehikel im Hauptprogramm zu nutzen.

Im Mehrspielermodus sind all die neuen Features integriert - allerdings gibt es insgesamt weniger Spielvarianten als gehabt.
 Technisch ist und bleibt das aktuelle GTA beeindruckend, was die Größe, die Wucht der Stadt angeht - aber es haut nicht mehr aus den Socken. Sowohl aus der Nähe als auch aus der Distanz offenbart die Engine ihr Alter, die Fassade bröckelt. Was wörtlich zu nehmen ist, denn geringe Teile der Umgebung kann man mit entsprechender Feuerkraft zerbröseln. Ansonsten herrschen die bekannten Probleme vor: Ist man zu schnell unterwegs, kommt das Programm mit dem Laden nicht hinterher und serviert Texturenmatsch. Umgebungsteile, Passanten und Gräser poppen und rollen teilweise erst ein paar Meter vor einem auf, das Ganze wird bei heftigeren Gefechten immer wieder spürbar langsamer - und die Schatten sind krümelig wie eh und je! Und dennoch, ja dennoch sieht das Spiel exzellent aus! Denn irgendwann vergisst man die technischen Details, erfreut sich an der umwerfenden Skyline, bewundert die Architektur  der Statue of Happiness, genießt die Lichter von Star Junction bei Nacht, erfreut sich an dem herrlich glitzernden und schwappenden Wasser. Schade nur, dass es der fabelhafte Video-Editor der PC-Version des Hauptprogramms immer noch nicht auf die Konsole geschafft hat - auch hier kommt es immer wieder zu irren Stunts, die man gerne mit der Umwelt teilen würde!

      

Fazit

Man kann von Episoden halten, was man will; grundsätzlich bin ich nicht der weltgrößte Fan davon. Wenn sie allerdings dafür sorgen, dass Inhalte wie The Ballad of Gay Tony möglich werden, dann unterschreibe ich noch in dieser Minute auf der gestrichelten Linie! Das Spiel zelebriert alles, was GTA schon immer so groß machte und packt es in eine herrlich amüsante Story voller wunderbar durchgeknallter Figuren. Zwar ist das Spiel nicht sonderlich anspruchsvoll (kaum eine Mission dürfte mehr als zwei Anläufe brauchen, wenn überhaupt), aber dieser Malus wird mit einem bemerkenswerten Umfang sowie zig Nebenaktivitäten wie den unterhaltsamen Drogenkriegen oder den aufregenden Basejumps ausgeglichen. Schade nur, dass es keine Möglichkeit gibt, all die coolen Neuerungen und Erweiterungen in das Hauptprogramm zu integrieren. Und ebenfalls schade ist, dass man dem Spiel mittlerweile das Alter des Hauptprogramms ansieht: Die Vorgänger-Episode konnte einige Grafikschwächen noch durch einen coolen Filter kaschieren, den es hier merkwürdigerweise nicht gibt. Doch das ist für einen wahren Fan natürlich kein Grund, auf diesen packenden Trip in die City zu verzichten: The Ballad of Gay Tony ist GTA-Spaß in Reinform!

Pro

sehr gute Grafik
hervorragende Animationen
cleveres Missionsdesign
bemerkenswerter Umfang
interessante Story
saucoole Dialoge
toll inszenierte Zwischensequenzen
fantastische (englische) Sprachausgabe
intuitive Steuerung
abwechslungsreiche Radiosender
kaum Ladezeiten
Speicherpunkte innerhalb längerer Missionen
bemerkenswerter Umfang
umfangreiche Nebenmissionen

Kontra

hin und wieder ruckelige Grafik
viele Pop-Ups und Fade-Ins
gewöhnungsbedürftige Fahrzeugsteuerung
fummelige Waffennutzung aus Fahrzeugen heraus
gelegentliche Physik-Spinnereien

Wertung

360

The Ballad of Gay Tony ist GTA in Reinkultur - voller Action, aufregend, hochmotivierend und verdammt unterhaltsam!

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