Team Fortress 215.10.2007, Marcel Kleffmann
Team Fortress 2

Im Test:

Wenn Comic-Charaktere aller Art aufeinander treffen, gibt's Mord und Todschlag - soweit nichts Neues und Team Fortress 2 (ab 39,90€ bei kaufen) bildet da keine Ausnahme. Als einer von neun herrlich überzeichneten Gestalten stürmt ihr aufs Schlachtfeld und haut euch Raketen, Granaten, Schrot und jede Menge Blei um die Ohren. Ein großer Spaß oder etwa nicht?

Auf die schnelle Tour

Schon wieder hat mich so eine laufende Festung - ein Heavy Weapon Guy - mit seiner Minigun aus den Laufschuhen geschossen und dabei hämisch gegrinst. Verdammt, jetzt ist er dran! Diesmal nehm' ich den Spion, verkleide mich als Medic und haue ihn aus den Latschen. Also nichts wie zurück aufs Schlachtfeld, Maskierung anlegen und los. Ich höre schon das Trommelgewitter seiner Minigun und begebe

Heilt man als Medic permanent, lädt sich der "Übercharge" (kurzzeitige Unverwundbarkeit) auf.
mich in seinen Rücken, schließlich kann ich ihn ja scheinbar heilen, doch Pustekuchen! Ich lüfte meine Tarnung, ziehe die Klinge und mit einem Stich fällt der zwei Meter hohe (und breite) Heavy Weapon Guy um! Ha ha! Rache ist süß! So! Erstmal ein weiteres Opfer aussuchen und hoffen, dass keiner gesehen hat, was passiert ist. Aber was ist das für ein kleines rotes Licht auf dem Boden? Verdammt! Ein Scharfschütze, nichts wie weg!

Weg vom Realismus!

Abseits des Trends immer realistisch werdender Spiele schlägt Team Fortress 2 einen ganz anderen Weg ein, quasi das genaue Gegenteil, sprich einen spielbaren Cartoon. Das grundlegende Prinzip der einstmaligen Quake-Mod bleibt unverändert: Zwei Teams müssen entweder möglichst viele Checkpoints übernehmen ("Control Points"), Dokumente bzw. einen Aktenkoffer stehlen ("Capture the Flag") oder Bereiche besetzen ("Territory Control"). Jeder Spielmodus beziehungsweise jede Runde unterliegt Zeitlimit. Gelingt es einem Team nicht ihre Aufgabe in dieser Zeit zu erfüllen, wird "Sudden Death" eingeläutet, bei dem jeder Spieler nur einmal auf der Bildfläche erscheinen kann (nur ein Respawn).

Allgemein laufen die Matches im Vergleich zu Battlefield, Counter-Strike oder Enemy Territory: Quake Wars rasanter und actionreicher ab, was daran liegt, dass die Karten auf schnelle Partien zugeschnitten sind und es trotzdem mehrere Wege zu den Brennpunkten gibt. Manche sind nur bestimmten Klassen per Raketensprung (Soldat) oder Doppelsprung (Scout) zugänglich und wie immer in einem Multiplayer-Shooter müsst ihr die Karten erstmal ausführlich erkunden, um alle Kniffe und Durchgänge zu finden. Bei der mageren Anzahl von sechs Schauplätzen habt ihr die zumeist hervorragend gestalteten Szenerien flott intus.

Die glorreichen Neun

Der Soldat am Checkpoint verlangt nach Heilung.
 In den zügigen und durchaus auf Teamplay ausgelegten Gefechten zieht ihr mit neun Protagonisten in den Kampf, die allesamt wunderbar überzeichnet und bereits aus großer Entfernung anhand ihrer individuellen Silhouette erkennbar sind. Es gibt also keine Standard-Infanteristen, die alle gleich aussehen und sich lediglich im Detail unterscheiden. Somit wisst ihr sofort, wem ihr gerade gegenübersteht und womit euch der Gegner zu Leibe rückt: Der Soldat trägt seinen Helm bis tief ins Gesicht (so dass er eigentlich nichts mehr sehen kann) und verwendet einen Raketenwerfer, das Gewehr des Scharfschützen ist fast größer als der Cowboyhut-tragende Mann selbst, während der Pyro mit Gasmaske, Riesengasflasche auf dem Rücken und Ganzkörperschutzanzug herumläuft. Den Minigun-Brocken kann man sowieso nicht übersehen und höchstwahrscheinlich hat er ein oder zwei Sanitäter im Schlepptau, die seine Lebensenergieleiste kontinuierlich auffüllen. Kurzum unterteilen sich die neun Klassen in jeweils drei Unterkategorien "Offensiv" (Soldat, Scout, Pyro), "Defensiv" (Heavy Weapon Guy, Demo Man, Ingenieur) und "Supporter" (Scharfschütze, Spion, Medic).       

Jeder hat einen Erzfeind

Jeder Protagonist hat selbstverständlich Stärken und Schwächen, die ihm gegenüber anderen Klassen überlegen bzw. anfällig machen. So bietet sich der wieselflinke Scout förmlich an, Kontrollpunkte hinter feindlichen Linien zu erobern oder den Aktenkoffer zu stehlen, allerdings steckt er kaum

Unser Team hat beim Verteidigen gerade einen Heavy Weapon Guy umgehauen.
Treffer ein und ist ein gefundenes Fressen für Selbstschussanlagen im offenen Feld. Der dicke Heavy Weapon Guy ist zwar eine lebende Festung, bewegt sich jedoch langsam, während der Demoman mit den Granat- und Minenwerfer über praktisch keine effektive Nahkampfwaffe verfügt. Spione halten generell wenig aus, müssen aber erstmal entdeckt werden und sogar die fettesten Geschütze kann ein Spion von hinten blitzschnell ausschalten. Erledigt euch ein Spieler übrigens häufiger, wird er zu eurem Erzfeind, an dem ihr euch Rächen könnt. Überaus gelungen ist die Balance zwischen den Neunlingen, da jeder irgendwie eine Schwachstelle hat und ausgeschaltet werden kann, sogar gegen den wild springenden Scout-Flummi mit Schrotflinte in der Hand gibt es ein Gegenmittel. Ein bisschen zu stark in meinen Augen sind die Standgeschütze, die nicht nur wieselflink zielen, sondern mit ihrer tödlichen Ladung ordentlich Schaden anrichten, vor allem wenn mehrere Ingenieure ihre Geschütze dermaßen geschickt gebaut haben, dass man ohne Betreten des Sichtfeldes keinen Schuss abgeben kann. Nun ja, damit kann man Leben (besonders als Demoman) und der Pyro hat seit der Beta eine kleine und nötige Stärkung bekommen.

Aufgrund dieser Vor- und Nachteile sollten die Klassen zusammenarbeiten, um siegreich zu sein und die einzelnen Schwächen zu kompensieren, deswegen werden gemeinsame Aktionen belohnt. Es gibt als Medic sogar Assist-Kills und wenn zwei Leute einen Gegner erledigen, werden beide mit einem Punkt belohnt. Das Ausschalten von Selbstschussanlagen oder anderen Bauwerken wird ebenso honoriert wie das Erobern von Checkpoints und meist klappt das Teamplay in kleineren Grüppchen selbst ohne TeamSpeak ziemlich gut, obwohl gelegentliche Einzelgänger-Aktionen ebenfalls zum Erfolg führen können, z.B. wenn man Scout oder Spion ist. Auf Eroberungskarten 

Überbleibsel eines Scharfschützen in der deutschen Version.
ist die erste gemeinsame Attacke wichtig, da man entweder Punkt A attackieren kann oder doch lieber Gebiet B? Mit etwas Absprache könnte man problemlos eine Übermacht zusammenstellen, während das andere Team beide Areale verteidigen muss. Vielleicht hilft hierbei auch ein Mini-Fake-Angriff auf Punkt B, während die Mehrzahl zu Startnummer A spurtet...

Server-Suche und Sichtung

Einen Singleplayer-Modus oder computergesteuerte Bots sucht man vergebens, alles bei Team Fortress 2 ist auf Online-Multiplayer-Duelle via Steam ausgelegt. Während die Breitbandplattform von Valve Software in den ersten Jahren an diversen Kinderkrankheiten litt, funktioniert das Programm mittlerweile ganz gut und lässt euch bequem die Server durchsuchen (oder rausfiltern, meist 16-24 Spieler), Favoriten verwalten und dank der Steam-Community seht ihr, wenn eure Freunde online sind, was sie gerade spielen und in welcher Partie sie sind. Außerdem könnt ihr ihnen Textnachrichten schicken oder euch dem Server anschließen. Lediglich beim Erneuern oder Aufbau der Serverliste kommt es zur Valve-typischen 

Karten:

"2Fort": Remake der klassischen CTF-Karte mit zwei gegenüberliegenden Festungen.

"Granary" und "Well" mit fünf Kontrollpunkten, wo die Teams immer wieder vorrücken und zurückgedrängt werden.

"Dustbowl" und "Gravel Pit" mit Teams in offensiven und defensiven Rollen.

"Hydro" (territoriale Kontrollpunktkarte) um zu gewinnen muss ein Team alle sechs Territorien kontrollieren, jedes Team startet mit je drei Regionen und pro Runde/ Levelabschnitt wird um zwei Kontrollpunkte gekämpft.Soundstotterschleife.

Deutsche Version

Im Vergleich zur US-Version wurden die Blut- und Splatter-Effekte entfernt. Während in der amerikanischen Variante einzelne Körperteile mit Blutspuren durch die Luft wirbelten, zerlegt es die Mannen in der deutschen Version in allerlei comichaftes Zeug wie Gummienten, Zahnräder, Sprungfedern, Öl etc. Blut seht ihr nicht. Das direkte Trefferfeedback ist in der US-Version daher besser (neben der "Critical Hit"-Sprechblase). Im Gegensatz zu Half-Life (dt. Version) fällt diese Entschärfung nicht allzu sehr ins Gewicht, da sie zum einmaligen Comic-Charakter passt.    

Fazit

Als Team Fortress 2 damals im Comic-Stil angekündigt wurde, runzelte man die Stirn und frage sich: "Kann das gehen?". Oh ja! Und wie! Die schnellen und kompromisslos auf die Stärken und Schwächen der Klassen ausgelegten Matches, machen im überzeichneten Cartoon-Look eine erstaunlich gute Figur und versprühen Charme wie lange kein Shooter mehr. Zuerst ist die Optik ungewohnt und gewagt, schon allein da sie ab und an zum Schmunzeln anregt und sich selbst nicht ernst nimmt. Gekämpft wird derweil auf sechs gut gestalteten Karten in drei Spielmodi, wobei die Kartenzahl recht mager ist. Dafür entschädigen zumindest die reichhaltigen Einsatzmöglichkeiten der Protagonisten, da jede Klasse irgendwie sinnvoll ist, wenn auch die Selbstschussanlagen für meinen Geschmack etwas zu stark sind, ansonsten ist die Balance vorbildlich. Der Einstieg fällt ebenfalls viel leichter als bei den Genre-Kollegen und dies obwohl Teamplay gefragt, gefördert und belohnt wird. Für ein rasantes Online-Multiplayer-Match zwischendurch ist Team Fortress 2 prädestiniert und bis UT3 meine Wahl!

Pro

einmaliger und wunderbar passender Comic-Stil
sehr schnelle Gefechte
leichter Einstieg
Teamplay wird gefordert und belohnt
Humor anstatt Realismus
neun Charakterklassen mit durchaus guter Balance und durchweg sinnvollen Waffen und Fähigkeiten
herausragender Checkpoints-Modus
Sound- und Grafikkulisse sind stimmig
hervorragende Animationen

Kontra

nur sechs Karten, davon lediglich eine CTF und Territory Control
kleine Balance-Macken, z.B. Standgeschütze zu stark
keine Bots (z.B. zum Auffüllen für Multiplayer-Duelle)

Wertung

PC

Schnelle und abwechslungsreiche Online-Gefechte im coolen Comic-Look.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.