Im Test: Knastverwaltung auf Konsolen
Konsolen-Knackis
Die Briten von Introversion sind immer für eine Überraschung gut. Nicht nur, dass sie mit der langwierigen Entwicklung samt steter Kommunikation mit der Community quasi das Paradebeispiel für optimale Early-Access-Entwicklung abgeben. Auch die Entscheidung, ein notorisch schwer auf Konsolen zu portierendes Spielprinzip wie Aufbau-Strategie in Angriff zu nehmen, zeugt vom Selbstbewusstsein der Darwinia-Macher - auch wenn sie sich hier die Dienste der Port-Spezialisten von Double Eleven gesichert haben, die u.a. bereits Titel wie Goat Simulator, PixelJunk Shooter oder Frozen Synapse Prime für Konsole umgesetzt haben.
Alcatraz, Santa Fu oder Blümchenpflücken?
Und ab diesem Moment hat man sämtliche Freiheit. Weiterreichende Funktionen wie Arbeit für die Inhaftierten, patrouillierende Wachen, Videokameras und vieles mehr muss erst freigeschaltet werden. Doch auch ohne die tieferen Spielebenen, die später wichtig für das Überleben von sowohl Gefangenen als auch Angestellten sind, hat man genug zu tun. Fundamente müssen geplant und gelegt werden. Mauern müssen aufgezogen, Zellen ausgewiesen und eingerichtet sowie administrative Bereiche wie Büros, aber auch Küchen, Essensräume, Krankenstationen und vieles mehr festgelegt werden. Die Sicherheit darf dabei nicht zu kurz kommen, außerdem muss man für eine adäquate Strom- und Wasserzufuhr sorgen. Und das alles mit einem knappen Budget. Zwar bekommt man für jeden aufgenommen Häftling von Vater Staat
Wer will, kann natürlich sofort den Sprung ins kalte Wasser wagen und nach dem Motto „Aus Schaden wird man klug“ die anfänglich sehr angenehme Lernkurve in Angriff nehmen. Allerdings muss man im Gegensatz zur PC-Version auf die aus dem Spiel heraus erreichbare Online-Wiki verzichten. In die umfangreichen und gut miteinander verzahnten Mechanismen eingeführt wird man hier einzig mit der über fünf Kapitel laufenden Kampagne – die allerdings auch nicht alle Feinheiten behandelt. Untermalt von gut gezeichneten Zwischensequenzen wird man Zeuge einer teils sehr schonungslosen Geschichte. Man nimmt an einer Hinrichtung teil, muss mit ansehen, wie eine Gefängnisrevolte zahlreiche Unschuldige das Leben kostet und erfährt am eigenen Leib, dass Resozialisierung nicht vom Zaun gebrochen werden kann – vor allem, wenn die angestellten Wachen nicht mitmachen. Die Dialoge, die leider nicht vertont und auch nicht ins Deutsche übersetzt wurden, sind gut. Introversion packt ein gehöriges Maß an Gesellschaftskritik in die Texte, ohne jedoch mit dem erhobenen Zeigefinger zu wackeln – sehr schön!
Aller Anfang ist leicht
Hier ein Verwaltungskomplex mit Leichenhalle und Krankenstation, dort ein Besucherzentrum, am anderen Ende des hoffentlich eingezäunten Geländes stehen Räume für Gefangenenarbeit, Weiterbildung und Rehabilitation zur Verfügung. Man hat schnell alles Wesentliche von den eingestellten Arbeitern aufziehen lassen - zumal es an Konsolen auch die komfortable Auswahl von bereits funktionsfähigen sowie entsprechend eingerichteten Räumlichkeiten gibt. Die ersten Gefangenen sind da. Die Wachen nehmen sie in Empfang und leiten sie in die Zellen. Und solange alles noch überschaubar ist, sprich: mit weniger als 50 Inhaftierten, ist die Welt noch in Ordnung - vor allem, wenn man die Zufallsereignisse und Knastgangs ausgeschaltet hat, die einem bei höherem Gefangenenaufkommen das Leben zur Hölle machen können. Später kommen noch viele Optionen hinzu, die vom Zuteilen von Räumen für Ausbildung bis hin zu Patrouillenwegen, dem Einteilen von Wachen für bestimmte Gebiete sowie Sicherheitszonen in verschiedenen Stufen reichen, die nur von bestimmten Gefangenen betreten werden dürfen. Und natürlich kann man auch unangekündigte Razzien zur Suche von versteckten Waffen sowie Drogen durchführen oder die Inhaftierten zwangsweise in ihre Zellen zurückführen – muss dann aber auch mit den Konsequenzen wie erhöhter Reizbarkeit und Gewaltbereitschaft leben. Keiner geht gerne in die ebenfalls mögliche Isolationshaft. Zwar muss man mitunter in den Menü-Symbolen suchen, bis man am Ziel ist, doch angesichts der komplexen Möglichkeiten, die einem in Prison Architect zur Verfügung stehen, ist die Navigation auch per Pad beinahe kinderleicht. Der Bau von neuen Zellen oder Trakten wird später ebenfalls vereinfacht: Man kann eine "Klon-Funktion" erforschen lassen, mit der sich kleine Areale 1:1 übernehmen lassen, so dass man nicht mühsam jedes Bett, jede Gittertür und jedes Klo manuell setzen muss.
Comic mit Character
Das comichafte und irgendwie an reduzierte South-Park-Figuren angelehnte Charakterdesign, das wunderbar zum klar strukturierten Blockbau der Umgebung passt, kann sich ebenfalls sehen lassen. Obwohl die Figuren nur aus wenigen stilisierten Segmenten bestehen, haben sie Charakter. Zudem lässt sich für jeden Inhaftierten eine Biografie einsehen, in der nicht nur seine bisherigen Straftaten aufgeführt sind, sondern ggf. auch ein Psychoprofil oder eine Übersicht über das Verhalten im Gefängnis gefunden werden können. Schade ist allerdings, dass diese Biografien nicht für die Angestellten zur Verfügung stehen. So wachsen einem die Knackis mehr ans Herz als die Wärter, Köche usw., die durch die fehlende Persönlichkeit austauschbar und im Fall von Revolten zu leicht ersetzbarem Kanonenfutter werden.
Die Kehrseite der Medaille fehlt
Und als Ersatz für den auf Konsolen natürlich nicht verfügbaren Steam Workshop gibt es hier die "World of Wardens" als Tauschbörse für Gefängnisse. Sortier- und Suchfunktionen könnten zwar mehr Varianten oder Verknüpfungen anbieten, doch es gibt zahlreiche Haftanstalten, in denen man sich für seine eigenen Gefängnisse Ideen holen kann oder in denen man schlichtweg tun und lassen kann, was man will. Allerdings ist das Ganze mit einer Konto-Erstellung bei Double Eleven verknüpft, so dass all jene, die ihre Mail-Daten nur ungern teilen, vor verschlossenen Zellentüren stehen.
Fazit
Allen Vorbehalten zum Trotz liefert Prison Architect den Beweis ab, dass Aufbau-Strategie mit einer durchdachten Steuerung auch auf Konsolen funktionieren kann. Im Detail ist man zwar weder so schnell noch so genau wie mit der Maus-/Tastatur-Variante am Rechner, was angesichts des mitunter nötigen, manchmal aber nicht weit genug gehenden Mikromanagements frickelig werden kann. Doch nach kurzer Eingewöhnung hat man den Ausbau seiner Strafanstalt und die Resozialisierung der Inhaftierten im Griff. Tiefgang und Anforderungsprofil sind variabel einstellbar – wer es nicht so stressig mag, schaltet z.B. die zufälligen Ereignisse einfach aus und konzentriert sich auf Gefangene mit niedriger Sicherheitsstufe. Doch auch dann gibt es viel zu beachten, wenn man Sicherheit und Kontostand nicht gefährden will. Zum Glück wird die Kampagne nicht nur genutzt, um eine spannende Geschichte zu erzählen, sondern auch, um als umfangreiches Tutorial auf den Sandkasten-Modus vorzubereiten. Bemerkenswert: Jeder Gefangene hat seine eigene Biografie. Schade ist allerdings, dass die Angestellten, die einem eher am Herzen liegen sollten, namenloses Kanonenfutter sind. Und dass für den Austausch von Gefängnissen ein seperates Benutzerkonto zwingend erforderlich. Doch unterm Strich bietet Prison Architect auch auf PS4 und One richtig gute, fordernde sowie abwechslungsreiche Unterhaltung.
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Trotz leichter Abstriche bei der Steuerung zeigt Prison Architect, dass sich spannende Aufbau-Strategie und Konsolen nicht ausschließen müssen.
PlayStation4
Trotz leichter Abstriche bei der Steuerung zeigt Prison Architect, dass sich spannende Aufbau-Strategie und Konsolen nicht ausschließen müssen.
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