Untold Legends: Dark Kingdom11.03.2007, Benjamin Schmädig
Untold Legends: Dark Kingdom

Im Test:

Wenn man wollte, könnte man Untold Legends: Dark Kingdom (ab 24,94€ bei kaufen) als Action-Rollenspiel vom Reißbrett abtun, dem es an Spannung, taktischer Tiefe und einfallsreicher Charakterentwicklung fehlt. Wenn man wollte. Man könnte aber auch gespannt fragen, ob sich Sony Online tatsächlich nur auf Konventionen verlässt oder vielleicht zu ganz anderen Horizonten schielt. Und dann müsste man fragen: Seid ihr Rollenspieler oder Action-Fan?

Kampfansage

Dutzende Skelette fallen vor mir zu Boden, aber mein Krieger setzt noch einen drauf: Ein mächtiger Zauber trifft die Untoten, dann geht Golan Kor in die Luft, lässt seinen Hammer auf den Boden niedergehen und wirft den gehörnten Zwischengegner zurück. Doch seine Kraft ist fast am Ende und bevor er den fernen Speicherpunkt erreicht, geht mein Held zu Boden. Jetzt liegt der Kampf in den Händen von Zala, seiner Mitstreiterin -

In einzelnen Schnappschüssen kommen die mächtigen Kombos nicht zur Geltung...
die den vielen Feinden allerdings nicht gewachsen ist. Glück im Unglück: Sie bahnt sich einen Gang durch die Unholde und rettet sich zum Speicherpunkt. Schon ist Golan Kor wieder da und Seite an Seite ziehen wir weiter in die Schlacht...

Intelligente Begleiter? Eine Gruppe Charaktere, die mit euch durch Sonys drittes Untold Legends ziehen? Nicht ganz: Denn Zala ist keine von den gelegentlichen PS3-gelenkten Unbekannten. Viel besser: Sie ist der Spieler, der mich vom anderen Ende der Welt aus durch mein Abenteuer begleitet. Wie wir das anstellen? Ich habe eine Online-Sitzung gestartet, wie im Solo-Spiel den Schwierigkeitsgrad gewählt, meinen aktuellen Fortschritt geladen und schon können sich jederzeit bis zu drei Abenteurer ein- und ausklinken. Außerdem darf sich Mathias jederzeit das zweite Gamepad schnappen und mich ebenfalls so lange begleiten, wie er Lust hat. Ich kann trotzdem jederzeit speichern und wenn ich dort später im Alleingang fortfahren will, wähle ich einen der Charaktere, die irgendwann einmal online oder offline gemeinsam gekämpft haben und ziehe weiter. Ebenso dürfen die Begleiter eine der Figuren in meinem Spielstand laden oder eine unverbrauchte erstellen. Einzige Wermutstropfen: Eine Online-Sitzung lässt sich nicht mitten im Solo-Spiel eröffnen (der Koop-Partner im gleichen Raum darf hingegen jederzeit einsteigen) und die eigenen Helden der Teilnehmer finden keinen Weg in das Abenteuer des Gastgebers. Vielleicht können die Entwickler das ja

... aber vielleicht vermitteln euch die Videos ein besseres Bild:

Mehrspieler-Trailernoch drehen - immerhin werden beim Eintritt ins Datennetz offenbar Aktualisierungen geladen und das amerikanische Handbuch erwähnt "erweiterte Inhalte". Dafür dürfen auch Gäste den Fortschritt festhalten und später dort weitermachen. Eine Liste aller im Internet anwesenden Freunde gibt es ebenfalls. Wichtiger Hinweis an Xbox Live: Warme Jacken gibt's im Winterschlussverkauf!

Adventure statt Rollenspiel?

Ich war erst angetan, dann begeistert und schließlich euphorisch. Denn Dark Kingdom ist oberflächlich gesehen das perfekte Fantasy-Intermezzo. Von der selbstverständlichen Anbindung an auf der ganzen Welt verstreute Abenteurer ganz abgesehen: So leichtfüßig habe ich mich selten durch ein Action-Adventure geschlagen. Und das, obwohl mein Krieger mit mächtigen Hieben, Kombos und Zaubern austeilt. Moment mal: Action-Adventure? Ein Schreibfehler? Mitnichten! Sony Online setzt nämlich die im zweiten Teil begonnene Tradition fort und inszeniert statt dem vergleichsweise stoischen Draufhauen in ähnlichen Titeln fast

Dass die Zaubersprüche viel bewirken, lässt sich hingegen gut erkennen.
schon brachiale Action, die wie Samthandschuhe über die Finger gleitet. Untold Legends ist natürlich kein God of War, aber auch wenn die drei Helden beim Springen unbeholfen wirken und sich kaum gezielt bewegen lassen: Ihre satten Attacken sprechen eine ebenso wuchtige Sprache wie die darauf folgenden Spezialeffekte.

Nein, das ist kein Action-Rollenspiel mehr, bei dem ihr einem Gegner so lange gegenübersteht, bis er zu Boden sinkt. Dark Kingdom ist ein dynamisches Action-Adventure, das sich auf die Charakterentwicklung stützt. So losgelöst die Bildtechniker allerdings schnelle Action projizieren, so hilflos wirkt der Regisseur im Hintergrund. Dem Fädchenzieher fällt nicht mehr ein als drei vorgegebene Charaktere, die Verbesserung von sechs herkömmlichen Eigenschaften, das übliche Sammeln von Waffen und Rüstung sowie spannend und in gutem Deutsch geschriebene, aber nüchtern vorgetragene Zwischensequenzen, in denen die Helden erstmals aktiv zum Einsatz kommen. Erstmals in Sachen Untold Legends, wohl gemerkt; schließlich betreten die agierenden Figuren kein Neuland in Sachen Darstellung. Noch schlimmer ist, dass eure Feinde wie Säulen auf Rädern durch die Gegend streichen oder mitunter in der Kulisse hängen bleiben. Gelegentlich holen sie dann zum Schlag aus - na, prächtig!

                

Platzangst in Levelschläuchen?

Was erwartet ihr? Eine epische Geschichte mit kontrastreicher Charakterzeichnung und ungewöhnlichen Wendungen? Dann sitzt ihr bei Dark Kingdom im falschen Kino. Oder ist euch nach einer packenden Runde in der Spielhalle zumute? Dann lohnt sich das Kleingeld! Zumal der Sitz am Automaten bequemer als der seiner Konkurrenten ist, denn Dark Kingdom fordert keine Fingerakrobatik, um ans Ziel zu kommen. Das fängt bei der ordentlich sortierten Übersicht eures Charakters an und hört bei den zahlreichen Fähigkeiten auf, denen ihr ohne Umweg ins Menü eine Taste zuweisen könnt - ein Druck aufs Digipad zum Auswählen und das Bestimmen des gewünschten Buttons reicht. Solange ihr im Kampf ohne Zaubersprüche auskommt, setzt ihr die zwei üblichen Hiebe ein: den schnellen leichten sowie den langsamen schweren. Ebenso bekannt: Ihr dürft die

Gelungene Ausnahmen: Die meisten Monster verblassen allerdings neben den fantasievoll gezeichneten Helden.
beiden Attacken variieren, um besonders großen Schaden anzurichten. Sobald ihr einen Schlag ausführt, zeigt euch Untold Legends dann, mit welcher folgenden Taste ihr eine Kombination startet. Kopf frei für die tollen Manöver und Ring frei für die ganze Action - eine exzellente Idee! Zumal jeder der drei Helden sein eigenes Repertoire an Kombos mitbringt.

Noch einfacher wird es für Abenteurer, die gerne Fern- und Nahangriff verbinden. Eure Figur entscheidet nämlich aufgrund der Entfernung zum Gegner, mit welchen Mitteln sie das Duell führt - und wieder ein Knopfdruck (zum Wechseln der Waffe) weniger. Ihr habt Freude am Sparen? Dann lasst auch den Weg zum Händler in Zukunft einfach bleiben. Wo die Kämpfer im vergangenen Untold Legends nämlich ihre Form für kurze Zeit verändern konnten, entziehen eure Mitglieder der Eliteeinheit The Dragon's Shade ihren gefallenen Widersachern Essenz. Doch was hat das mit An- und Verkauf zu tun? Ganz einfach: Ihr wandelt auch gefundene Gegenstände, wann immer ihr wollt, in Essenz um und sobald ihr einen der vielen Speicherpunkte erreicht, erschafft ihr davon Waffen, Rüstungen oder Edelsteine zum Unterstützen eurer Fähigkeiten. Außerdem dürft ihr dort sowohl Gesundheit als auch Mana-Vorrat füllen. Die Zeiten, in denen ihr Dutzende Tränke mit in die Schlacht nehmen musstet, sind nämlich vorbei. Stattdessen stärkt ihr euch an Speicherpunkten, speziellen Urnen oder entzieht toten Monstern einen Spritzer Lebenssaft. Willkommener Nebeneffekt: Dadurch fordert euch Dark Kingdom stärker als seine Vorgänger. Denn die Entwickler wissen, wie viel Energie ihr wo findet und konnten die vier Schwierigkeitsgrade deshalb genau an die gewünschte Herausforderung anpassen. Gemütliche Erforscher ahnen allerdings längst: Am Wegesrand versteckte Schatzkisten sind der Gipfel der freien Erkundung. Untold Legends schleust euch in seinem dritten Auftritt ebenso geradlinig durch das Fantasy-Reich wie es sein Vorgänger tat.

Das Crescendo der Karpman

Viel Zeit zum Herumstrolchen bleibt der Dragon's Shade aber ohnehin nicht, weil sie der anfängliche Aufruhr barbarischer Rebellen schnell zum Herz des Übels führt: ihrem eigenen König. Nach dem, was am ehesten an Orks erinnert, schlagt ihr euch deshalb bald mit Zombies, Skeletten oder solchen Wesen herum, die der griechischen Mythologie entsprungen scheinen. Wobei Dark Kingdom dem Unheil, genau wie sein Ahne, auch einen Anstrich von Industrieller Revolution verpasst. Ein Hauch von Evolution weht hingegen durch das Abenteuer, wenn ihr entzündbare Fässer ansteckt, um euren Feinden quasi großkalibrig die Leviten zu lesen. Einen ähnlichen Effekt hat das Anstecken von Kanonen - weniger wirkungsvoll, dafür zielgerichteter ist das Werfen von Fässern, Kisten oder Felsbrocken. Ihr findet überall Möglichkeiten, euch die Physik zunutze zu machen, wobei es mir fragwürdig scheint, dass mein Krieger von einem großen Felsbrocken genauso weit zurückgeworfen wird wie von dessen kleinen Bruchstücken. Eine echte

Zala stand mir im Online-Abenteuer lange bei.
Berechnung der Zusammenhänge gibt es offenbar nicht. Stattdessen kokettiert Dark Kingdom mit vorgegebenen Routinen - nach denen auf modernem Parkett kein Hahn mehr kräht.

Mit seinen visuellen Reizen braucht es sogar nicht erst auf die Tanzfläche treten, denn die brachialen Kampfszenen der fantasievoll und schön gezeichneten Helden gehen zwischen groben Kulissen, spät auftauchenden Objekten und ausdruckslosen Monstern unter. Was immer noch kein Vergleich zu der unterirdischen Kameraführung ist! Ihr könnt die Ansicht zwar drehen, doch zum einen dürft ihr weder herein- noch herauszoomen und zum anderen wählt sie vor Mauern oder Felswänden buchstäblich den Weg des geringsten Widerstandes: Sie fährt an Hindernissen einfach hoch, um euren Charakter direkt von oben zu zeigen - in engen Ecken gerne auch mit zackigen Schwenks in alle Richtungen. Einmal, zweimal, dreimal hätte ich das wegstecken können, aber Sony Online hat die Kamera schlicht und ergreifend nicht im Griff. Das raubt die Übersicht, wirkt unprofessionell, nervt.

Unprofessionell - das ist auch eine Tugend, welche die Soundtracks der zwei bisherigen Untold Legends' zuerst mehr, dann spürbar weniger durchschimmern ließ. Und tatsächlich gibt es erneut Momente, in denen mich Laura Karpmans Crescendi zur Weißglut treiben. Es reicht einfach nicht, die Lautstärke anzuheben, wenn die Instrumente wie auf einer gesprungenen Schallplatte festhängen! Doch dann unterstreicht der Chor auf einmal die Melancholie des ins Chaos gestürzten Landes. Dann hallt eine Orgel durch die hohen Gänge eines uralten Stollens. Und Dark Kingdom erzeugt eine emotionelle Tiefe, die unter der gewaltigen, aber seelenlosen Action sonst verloren scheint.           

Fazit

Dark Kingdom ist "mein" Spiel! Weil ich brachiale Action liebe, in die ich mich nicht einarbeiten muss. Gegenstände sammeln, Händler besuchen, Charakter trainieren - das ist alles spannend, aber lenkt mich vom Ziel ab. Und genau da will Sony Online hin: Untold Legends entfernt sich im dritten Teil von starren Knopfdruck-Kämpfen und versetzt das Rollenspiel in die hinteren Ränge. Natürlich müsst ihr immer noch neue Waffen und Rüstungen anlegen - reist dafür aber nicht erst zum Händler. Selbstverständlich gibt es weiterhin eine Charakterentwicklung - doch die ist rudimentär und ideenlos. Im Gegenzug braucht ihr allerdings nur wenige Knopfdrücke, um die tumben Gegnerhorden mit mächtigen Hieben niederzustrecken und euren Helden zu entwickeln. Ungewöhnlich: Es ist nicht der Stufenanstieg, der als Droge wirkt. Es ist das Beben der Erde beim Aufprall gegen eine Wand aus Feinden. Vom Online-Spiel, das wie selbstverständlich Teil des Abenteuers ist, ganz zu schweigen! Ist das schon der Beweis, dass ein hervorragender Online-Service auch kostenlos funktioniert? Und hätten sich die Entwickler stattdessen lieber um die oft furchtbare Kameraführung oder eine mitreißende Geschichte kümmern sollen? So gewaltig die Action auch sein mag, so bieder wird die Handlung erzählt, so herkömmlich sehen die Kulissen aus, so starr wirken die physikalischen Wechselspiele. Nein, niemand wird wegen Dark Kingdom zur PS3 greifen. Es wird sich aber als eines der ersten Spiele in meinem zukünftigen Blu-ray-Laufwerk drehen!

Pro

gewaltige Action
durchdachte Steuerung
gut sortierte Charakter-Übersicht
"Kaufen" und "Verkaufen" direkt im Level
Rein/Raus-Koop-Abenteuer
Online-Spiel mit bis zu drei wechselnden Mitstreitern
speichert alle am Koop beteiligten Charaktere
je mehr Mitstreiter, desto mehr Gegner
fantasievoll gezeichnete Figuren
gelegentlich vom Spiel gesteuerte Begleiter
orchestrale Musik mit Chor und Orgel...
Anzeige möglicher Kombos
unterschiedliche Kombos aller Charaktere
automatische Fern-, Nahangriffe
Schaden durch Explosionen, Geröll usw.
Schmeißen von Gegenständen, manuelles Kanonenfeuer
sehr schicke Effekte
vier Schwierigkeitsstufen
gelegentliche Begleiter

Kontra

uninteressant erzählte Geschichte
herkömmliche Kulisse
einige Objekte/Figuren erst spät sichtbar
emotionslose Zwischensequenzen
herkömmliches Schnetzeln, Sammeln, Verbessern
üble Kameraprobleme
Ansicht nur bedingt frei einstellbar
Figuren bleiben in Umgebung hängen
Springen wirkt hölzern und aufgesetzt
keine eigenen Charaktere beim Betreten anderer Online-Spiele
... die manchmal nervt
unbewegliche, ideenlose Gegner
Umwelteinflüsse muten mitunter seltsam an

Wertung

PlayStation3

Brachiale Action, die vor allem im Online-Abenteuer viel Schwung gewinnt.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.