Nioh07.11.2017, Jörg Luibl
Nioh

Im Test: Samurai Souls

Was war das für ein herrliches Abenteuer: Team Ninja konnte im Februar auf PlayStation 4 mit Nioh (ab 9,94€ bei kaufen) vollauf überzeugen. Wer etwas für taktische Kämpfe à la Dark Souls und japanische Folklore übrig hatte, wurde über 70 Stunden sehr gut unterhalten! Etwas überraschend wurde Anfang Oktober die digitale "Complete Edition" für den PC angekündigt, die für 49,99 Euro alle drei Erweiterungen sowie 4K-Unterstützung enthält - allerdings hat Koei Tecmo nicht gerade den besten Ruf, wenn es um Portierungen geht. Wie kämpft es sich nach dem Download von etwas mehr als 70 Gigabyte?

Kreativer Eklektizimsus

Nur kurz zur Einordnung dieses fernöstlichen Abenteuers, das mit seinen blutigen Klingentänzen natürlich an das Vorbild von From Software erinnert - aber auf kreative Art: Nioh verhält sich zu Dark Souls in etwa so wie damals das großartige Okami zu The Legend of Zelda. Obwohl sich Team Ninja in vierlerlei Hinsicht an der Soulsreihe orientierte, gelang ihnen mehr als eine Kopie. Sie inszenierten nicht nur thematisch, sondern vor allem aufgrund des komplexen Kampfsystems sowie der separaten Gebiete samt Weltkarte letztlich etwas Eigenes. Wer wissen will, warum uns Nioh spielmechanisch so begeistert sowie Gold erobert hat, und welche Schwächen dennoch die höchste Auszeichnung verhinderten, findet alle Pros und Kontras im ausführlichen Test der PS4-Version. Jetzt soll es nur um die Portierung der PC-Version gehen, die weder vorbildlich noch schlecht ist - die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte eurer Hardware und Ansprüche.

Eine Frage der Technik

Nioh ist prall gefüllt mit Waffen und Ausrüstung, aber auf dem PC gibt es diesen exklusiven Helm...
Tecmo Koei lässt euch auf dem Rechner zwar nicht jedes technische Detail, aber doch einiges an die eigene Hardware anpassen. Ärgerlich ist allerdings, dass man die standardmäßig auf 720p fixierte Auflösung nicht intern im Spiel, sondern lediglich extern über Steam ändern kann - vor dem Start muss man also mit der rechten Maustaste auf den Titel klicken und eine höhere Darstellung bis hin zu 4K mit 3840 x 2160 Pixeln wählen; Widescreen mit 21:9 wird nicht unterstützt.

Alles Weitere kann man dann im Spielmenü unter Grafikeinstellungen selbst anpassen: Dort könnt ihr aus fünf Qualitätsstufen auswählen, die Bildrate auf 30 oder 60fps verankern und auch Schatten in vier Stärken, Motion Blur, Reflexionen sowie die Umgebungsverdeckung anpassen. Vor allem die Schatten sowie Bildunschärfe solltet ihr runterkurbeln bzw. deaktivieren, falls es nicht flüssig läuft. Man sollte  mindestens eine GeForce GTX 780 samt Intel Core i5, aber idealerweise eine 900er-Grafikkarte besitzen, um in 1080p flüssig und ansehnlich bei hohen Details zu spielen. Für die höchsten Einstellungen muss der Rechner noch potenter sein - der Entwickler empfiehlt einen Intel Core i7 4770K, dazu acht GB Ram und entweder eine GeForce GTX 1060 mit sechs GB VRAM oder eine Radeon R9 380X mit vier GB VRAM. Die größten technischen Probleme gibt es darüber hinaus: Wer auch in 4K bei maximalen Effekten mit 60fps spielen will, kann die Bildrate zwar wie oben erwähnt darauf fixieren, wird aber selbst mit einer GTX 1080 Ti einige Abstriche machen. Aber wer braucht eigentlich 4K und gleichzeitig 60fps? Unterm Strich läuft Nioh auch auf Mittelklasserechnern mit normalen Auflösungen solide; allerdings berichten einige Spieler auch von Abstürzen beim Bild- oder Audiogerätewechsel; hier wurde bereits ein Patch angekündigt.

Steuerung und Inhalte

...interessanter ist da wohl, dass man zusätzlich die drei Erweiterungen bekommt, die die Spielzeit auf über 100 Stunden bringen. Da kann man sich schonmal eine Pause in der Thermalquelle gönnen. Mehr Action gibt es im Trailer zur Complete Edition.
Es gab einen kleinen Aufschrei unter PC-Spielern, dass Koei Tecmo das Spielen mit Maus und Tastatur nicht unterstützt. Der Ärger ist verständlich, denn eine perfekte Portierung sollte sich an die Steuerung des jeweiligen Systems anpassen - und alleine mit der Tastatur und Befehlen über I, J, K sowie L ist man in diesem schnellen Spiel stark benachteiligt. Selbst das viel gescholtene Dark Souls unterstützte anno dazumal die Maus am PC - nur darf man nicht vergessen, was das für ein Finger verknotender Krampf war.

Außerdem sollte ein Gamepad im Zeitalter des Steam Controllers kein haptischer Fremdkörper mehr sein, zumal die hervorragende Kampfmechanik von Nioh ja darauf ausgerichtet ist - die Klingentänze haben es angesichts der Haltungen und Zusatzattacken bei voller Belegung der Knöpfe in sich. Es geht ja hier in erster Linie um Nahkämpfe, bei denen die Fadenkreuzfixierung nicht so eine Rolle spielt wie in schnellen Shootern. Wer trotzdem nicht auf die Maus verzichten will, kann diese laut einiger Hinweise im Steamforum über kleine Umwege aktivieren - ich empfehle dennoch ein Gamepad.

Selbst wenn die Portierung ihre Tücken hat, darf man nicht vergessen: Auf dem Rechner bekommt man nicht nur alle drei Download-Erweiterungen - also "Drache des Nordens" mit der Region Tohoku, "Unbeugsame Ehre" mit der Belagerung von Osaka im Winter sowie "Ende des Blutvergießens", das den Feldzug im Sommer abschließt - damit geht die Spielzeit über 100 Stunden hinaus. Hinzu kommt, dass alle sieben Waffen- sowie Ninjitsu- und Magietypen von Beginn an zur Verfügung stehen, so dass man noch mehr taktische Freiheiten hat und seinen Kampfstil sofort besser individualisieren kann. Nioh bietet schon eine unfassbare, auf Dauer ermüdende Fülle an Klingen, Stangen, Bögen und Rüstungen; es gibt nur in der PC-Version einen zusätzlichen Helm namens "Dharmachakra Kabuto". Es bleibt hinsichtlich der Lokalisierung bei wahlweise deutschen Texten und englischer Sprachausgabe.

Fazit

Keine Unterstützung für die Maus, umständliches Ändern der Auflösung außerhalb des Spiels, einige Probleme mit der Bildrate - vor allem bei höchsten Grafikeinstellungen unter 4K. Aber selbst wenn diese Portierung für den PC nicht perfekt ist, läuft es bei adäquater Hardware unter "normalen" Auflösungen flüssig mit bis zu 60fps. Und das Wichtigste: Nioh inszeniert auch am PC ein tolles Kampfabenteuer im alten Japan! Die Vermischung geschichtlicher Fakten mit japanischer Folklore mag zu Beginn grotesk anmuten, aber je länger man spielt, desto stimmungsvoller präsentiert sich diese pseudohistorische Fantasy rund um fernöstliche Geister und Dämonen. Auf dem PC sind alle drei Erweiterungen enthalten, so dass man weit über 70 Stunden von diesem meist blutigen, aber auch skurrilen und mal witzigen Action-Rollenspiel unterhalten wird. Zwar hat man es mit der diabolesken Ausschüttung an Beute übertrieben, aber die freie und clever mit Fähigkeiten verzahnte Charakterentwicklung sowie das ständige Optimieren der Ausrüstung halten einen in angenehmer Grübellaune. Nicht zu vergessen: Auf dem PC hat man zudem von Beginn an Zugriff auf alle Waffen-, Magie- und Ninjistu-Arten. Es macht richtig Spaß, sich in die enorme Vielfalt dieser Klingentänze zu vertiefen, die mit jeder Waffe zig Hiebe aus drei Stellungen heraus bieten - und zwar im fließenden Wechsel! Allerdings kommt Nioh nicht um den direkten Vergleich mit Dark Souls 3 oder Bloodborne herum. Und da lässt es Federn: Dieser tollen Premiere fehlt die künstlerische Wucht und eindringliche Vision, die sich vor allem in der Architektur, der Rätselhaftigkeit sowie den Bossen der Soulsreihe zeigt. Letztere schwanken hier zudem stark in der Qualität, was den Anspruch betrifft, zumal man nach spätestens dreißig Stunden auch stärkere KI-Gegner vermisst, die einfache Manöver besser kontern. Aber das ist Kritik auf hohem Niveau, denn auch Nioh verzeiht kaum Fehler und verlangt höchste Konzentration. Dieses Spiel richtet sich an Veteranen, die eine Herausforderung suchen und bereichert den PC um eines der aktuell besten Kampf-Abenteuer.

Pro

alle drei Erweiterungen enthalten
Auflösungen bis zu 4K werden unterstützt, aber...
Grafikoptionen erlauben Feintuning, 30-60fps möglich
alle Waffen-, Magie-, Ninjitsu-Arten direkt wählbar
anspruchsvolles Kampf-Abenteuer à la Dark Souls
interessante Mischung aus Fantasy und Geschichte
extrem vielfältiges Kampfsystem mit drei Haltungen
klasse Integration japanischer Folklore
sehr ansehnliches Figuren- und Dämonendesign
Gewicht wirkt sich stark auf Bewegungen aus
Schutzgeister und Spezialangriffe
Weltkarte mit Hauptquartier und Nebenmissionen
zig coole Manöver und Kombos möglich
Gesten wirken sich auf Figuren und Charaktere aus
tolles offenes Charakterentwicklungssystem
individuelle Entwicklung von Kampffähigkeiten
Magie und Ninjatechniken ergänzen Repertoire
gut verzahntes Fähigkeiten-, Boni- und Aufrüstsystem
mehrteilige Ausrüstungssets geben Boni
Waffen zerlegen, modifizieren und beseelen
zig Rüstungen, Klingen & Schusswaffen
unheimlich viele Artefakte, Tränke, Zauber
labyrinthartige Katakomben mit Fallen
gut verzahnte Gebiete
gute optionale Tutorials
einige Geheimnisse und Sammelbares
viele Statistiken, Bestiarien und Notizen
Ruf und Ruhm geben weitere Boni
einige stimmungsvolle Zwischensequenzen
zig Steuerungs-, Kamera- und Anzeigeregler
gute englische Sprachausgabe und deutsche Untertitel
epische Spielzeit von etwa 100 Stunden plus X
Online-Koop in einzelnen Missionen bis Boss
härterer Schwierigkeitsgrad "Way of the Strong" nach dem Finale

Kontra

keine Maus-Unterstützung
...nur im Steam-Menü änderbar; kein Widescreen (21:9)
Bildratenprobleme je nach Hardware & Detailstufen
fader Einstieg im Tower of London
pseudohistorische Story bleibt blass
stark schwankende Bosskampfqualität
normale Gegner nutzen selten Paraden/Konter/Haltungen
zu starker Speerangriff macht Kampfkombos überflüssig
extremer Überfluss an Ausrüstung und Beute
Architektur und Kulisse manchmal zu generisch
bekannte Gebiete in Nebenmissionen
Waffen neu schmieden bringt zu wenig
keine deutsche Sprachausgabe
nur ansatzweise Rätsel
einige Clipping/Bildratenprobleme
Online-Koop nur wenn einer Mission geschafft hat

Wertung

PC

Auch ohne Maus sowie mit umständlicher Auflösungsanpassung: Nioh inszeniert auf dem PC ein erstklassiges Kampf-Abenteuer und unterhält inkl. drei Erweiterungen über 100 Stunden.

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