Tony Hawk's Underground 218.10.2004, Paul Kautz
Tony Hawk's Underground 2

Im Test: Ein neues TH-Game, und die Fans warten gespannt - neues Highlight oder ideenloses Sequel?

Vor fast genau einem Jahr versuchte Neversoft, die Tony Hawk-Reihe mit frischen Ideen und mehr spielerischer Freiheit zu beleben – was mit Tony Hawk’s Underground (THUG) nur begrenzt gelang. Jetzt steht der Nachfolger in den Läden, der unter demselben Motto entwickelt wurde – hat’s dieses Mal geklappt?

Jackass-Sammelbecken

Wie üblich werdet ihr atmosphärisch gekonnt auf die Skateboard-Action eingestimmt: Das Neversoft-Logoauge wird kunstvoll aufgespießt, das mit The Doors-Musik unterlegte Introvideo fetzt und das Hauptmenü ist prallvoll: Ihr könnt einen eigenen Skater erstellen, euch dem Story-Modus zuwenden, eine Mehrspieler-Runde drehen oder den »neuen« Klassik-Modus ausprobieren: Dahinter verbirgt sich ein interessanter Schritt in die Vergangenheit, denn er bietet euch das Spielgefühl der ersten drei Tony Hawk-Games im neuen Gewand. Das bedeutet, dass ihr klassische Aufgaben wie das Sammeln von SKATE bzw. COMBO oder das Finden des geheimen Tapes innerhalb eines Zwei-Minuten-Limits erledigen müsst. Für Nostalgiker immer wieder eine Freude, zeigt aber speziell dieser Modus, welche Fortschritte

Raaaaaaaaaar! Per »Freak Out« könnt ihr eure Wut am Skateboard auslassen.
Neversoft in Sachen Spieldesign gemacht hat. Wer es richtig Oldschool haben will, kann in den Optionen moderne Errungenschaften wie Revert, Manual oder das Laufen abschalten – zwar sind die Levels dann zum großen Teil nicht sinnvoll spielbar, aber lustig ist es allemal.

Weitaus wichtiger ist natürlich der Story-Modus. Hier dreht sich alles um einen kleinen Spaß zwischen Tony Hawk und »Jackass« Bam Margera. Die haben sich nämlich eine »World Destruction Tour« in den Kopf gesetzt, in der zwei Skater-Teams unter ihrer Fuchtel gegeneinander antreten und nebenbei die Welt ziemlich unsicher machen. Ihr landet zunächst in Tonys Team, der euch zur Auffrischung eurer Kenntnisse ins Tutorial schickt – welches übrigens im »Warehouse« aus dem allerersten Teil spielt.

Einmal um die Welt

Sitzen grundlegende Manöver wie Ollies, Fliptricks oder Grinds, geht es auch schon nach Boston, der ersten von insgesamt acht Stationen, die euch einmal um den ganzen Globus befördern: Berlin, Barcelona oder den australischen Bondi Beach. Das Spielkonzept bleibt in jedem Level dasselbe: Ihr habt einen dicken Batzen Aufgaben zu erledigen, die jeweils mehr oder weniger Punkte bringen. Habt ihr einen bestimmten Score erreicht, verkünden entweder Tony oder Bam per Handy, dass sie weiterziehen wollen – woraufhin ihr entweder sofort mitdackelt, oder weitere Aufgaben erledigt und später zur Reisegruppe stoßt. Die Aufgaben sind gewohnt abgefahren, und haben mit klassischem Skateboarding nicht mehr viel zu tun: U.a. müsst ihr Statuen enthaupten, einen Ben Franklin-Imitator finden, Krankenhausdienst leisten, Tricks im Takt der Musik ausführen, Passanten mit Tomaten bewerfen, einen Stier befreien, Highscores an herumstehenden Spielautomaten knacken oder Mülleimer umkippen.

In jedem Level befinden sich noch ein Geheimgast sowie ein Skate-Profi, den ihr zu Beginn der Runde auswählt. Sprecht ihr beide an, werden zusätzliche Aufgaben freigeschaltet, die teilweise auch nur von der entsprechenden Person erledigt werden können – einfach den Skater wechseln und loslegen. Viele der Geheimcharaktere halten sich nicht mit dem Skateboard auf, sondern verfügen über ein verrücktes Vehikel: Steve-O (ebenfalls aus »Jackass« berüchtigt) flitzt auf einem motorisierten elektrischen Bullen dahin, ein anderer verlässt sich auf einen rasenden Rollstuhl oder ein Go-Kart. Alle Aufgaben sind von vornherein im Menü einzusehen, 

Der auf einem Motorbullen reitende Steve-O ist einer der Jackass-Gäste.
sobald sie freigeschaltet sind, außerdem gibt’s zu jeder Mission eine kurze Beschreibung, wie man sie am besten zu lösen hat. Allerdings darf man nicht mehr auf Knopfdruck zu der entsprechenden Location springen; außerdem lassen sich vermasselte Aufgaben nicht sofort wiederholen, sondern müssen immer komplett von vorn gestartet werden.

Hack das Board!

THUG 2 baut auf den Erweiterungen des Vorgängers auf und ergänzt diese: Nach wie vor dürft ihr vom Brett springen und zu Fuß weiterlaufen, was sich auch in einer Kombo verbinden lässt. Das haben die Designer recht oft genutzt, so dass ihr immer wieder Leitern erklettern oder an Gebäuden herumhangeln müsst. Neu ist, dass ihr (auch selbst erstellte) Graffitis versprühen dürft – was, abgesehen von einigen Aufgaben, in denen ihr Wandschmierereien übersprühen müsst, aber keinen echten Sinn hat. Leider hat sich nichts an der vermaledeiten Fußgängersteuerung geändert, die genauso zickig ist wie gehabt, und von den bekannten Kameraproblemen geplagt wird, so dass ihr die Perspektive dauernd nachkorrigieren müsst.      

Richtig neu sind nur drei Dinge: Erstens der »Sticker Slap«, der im Grunde nur ein Walljump ist, bei dem ihr gleichzeitig einen Kleber an die Wand eurer Wahl pappt. Damit lassen sich auch rissige Wände zerbröseln, was neue Levelabschnitte öffnet. Hinzu kommt ist der »Fokus-Modus«: Im Grunde nichts weiter als eine grafisch ansehnlich umgesetzte Zeitlupe, die man aktivieren kann, sobald die Special-Leiste gefüllt ist. Für Tony-Neulinge und kritische Manöver dennoch eine praktische Sache - schließlich lassen sich damit Tricks genauer landen, oder man hält Grinds präziser. Mit dem »Natas Spin« könnt ihr auf der Spitze von kleinen Objekten wie Mülleimern oder Hydranten kreiseln. Der »Freak Out« ist nur halb-neu, schließlich gab es ihn schon im Vorgänger, allerdings wurde er dort zufällig gezündet: Vermasselt ihr eine aussichtsreiche Kombo, habt ihr kurz Zeit wie wild auf die Grind-Taste zu hämmern, um die Freak Out-Anzeige zu füllen. Je nachdem wie voll ihr sie kriegt, zerhackstückt euer Skater sein Board anders. Außerdem 

Im Fokus-Modus wird alles langsamer, so dass ihr Manöver perfekt abschließen könnt.
bekommt ihr so einen Teil eurer verlorenen Zähler zurück - da das Spiel allerdings kaum noch Wert auf Punktehascherei legt, spielt das im Grunde keine Rolle mehr. Und so erfreut man sich nur ein oder zwei Mal an den unterschiedlichen Wutausbrüchen, hinterher spart man sich die Zeit. Außerdem dürft ihr noch für einige Missionen mit Tomaten um euch werfen.

Last Skater Standing

Musstet ihr in früheren TH-Games noch umständlich Statistikpunkte sammeln, um eure Skater-Werte in die Höhe zu treiben, ist das seit THUG veraltet: Wie dort dürft ihr auch hier jederzeit eine Liste einsehen, die euch verrät, was ihr tun müsst, um z.B. höher springen oder stabilere Manuals fahren zu können. Führt ihr diese Aktionen aus, werden eure Werte automatisch erhöht. Die Steuerung geht am PC nur mit einem guten Gamepad brauchbar von der Hand, mit der Tastatur sind Krämpfe vorprogrammiert.

Wie gehabt dürft ihr auch extrem viel personalisieren: Der Skater-Editor ist sehr ausgefeilt, und lässt euch tausende Möglichkeiten, einen Sportler nach eurem Geschmack zu kreieren. Es gibt verschiedene Kopfformen, Haare, Stimmen, Klamotten, Schuhe, Tattoos, Rucksäcke, Mützen oder Brillen – und natürlich auch abgefahrenen Kram wie Zombie-Körper, Roboterbeine oder Clownsnasen. Habt ihr eine Webcam oder allgemein ein Bild von euch parat, könnt ihr auch euer Gesicht ins Spiel bringen. Allerdings müsst ihr etwas Bearbeitungszeit investieren, schließlich soll es nicht nur perfekt auf dem Körper sitzen, sondern auch farblich passen. Passt euer Alter Ego, dürft ihr noch eigene Strecken, Tricks oder auch Herausforderungen selber schrauben.

Natürlich dürft ihr auch wieder im Mehrspielermodus gegeneinander antreten, sowohl im Netzwerk als auch online. In jedem Fall erwarten euch neben den gängigen Modi (HORSE, Slap usw.) zwei neue Spielvarianten: »Scavenger Hunt« ist im Wesentlichen ein Versteckspiel mit Münzen; »Elimiskate« dagegen ist eine Art »Last Skater Standing«: Ein Countdown läuft, wer am Ende der Zeit die wenigsten Punkte hat, fliegt raus. Während der LAN-Modus keine Zicken macht, hat sich die Online-Variante im Test als sehr instabil erwiesen: Sehr oft konnten wir uns gar nicht erst mit einem Server verbinden, sondern wurden gleich zurück auf den Desktop gekickt. Wenn es mal geklappt hat, dauerte die Freude nicht lange – Abstürze waren und sind an der Tagesordnung. Da ist dringend Nachbesserung angesagt.

Bam in Action

Optisch erwarten euch im Vergleich zu THUG keine großen Veränderungen: Der Hauptaugenmerk liegt immer noch auf den superweich animierten Figuren, die jetzt allerdings weniger realistisch, dafür etwas comicmäßig überzogen dargestellt sind. Die Levels stecken voller Details und witziger Ideen, sind allerdings auch nach wie vor sehr eckig aufgebaut. Neu ist der Echtzeit-Tagesverlauf, so dass die Sonne im Laufe einer längeren Partie unter- und auch wieder aufgeht – inkl. dunklerer Umgebung, wandernder Schatten, flackernder Lichter und dichtem Nebel, der die Sicht behindert. Besonders gelungen sind die zahlreichen Zwischensequenzen mit all den Skate-Cracks, die nicht nur cool geschnitten, sondern teilweise auch sehr witzig sind. Allerdings ist nicht alles eitel Sonnenschein: Da die Texturen direkt von den Konsolen übernommen wurden, sind die sehr niedrig aufgelöst, was ihnen einen etwas groben Look 

Die Laufsteuerung ist sehr krampfig.
gibt. Besitzer schwächerer Computer können zwar einen Distanznebel aktivieren, um Rechenzeit zu sparen, aber dieser ist derart dicht und nah dran, dass er koordiniertes Spielen quasi unmöglich macht.  Hinzu kommen die bereits erwähnten Kameraprobleme, die besonders schlimm werden, wenn man nahe an einer Wand steht.

Akustisch gilt schon seit einiger Zeit, dass man mit einem Tony Hawk-Game nichts falsch machen kann – und so ist es auch dieses Mal: Euch erwarten 53 Songs, die abwechslungsreicher nicht sein könnten. Eine sehr bunte Mischung aus Hip-Hop (mit einem exklusiven Track von Kool Savas für die dt. Version), Punk, Rock, Metal – und 60er Songs! Wer noch nie zu The Doors, Frank Sinatra oder Johnny Cash geskatet ist, kann dies hier nachholen. Ihr dürft eine eigene Trackliste zusammenstellen, und natürlich auch einzelne Songs oder gleich ganze Genres sperren. In Sachen Sprachausgabe hat Neversoft wie üblich alle Skater selbst vor die Mikros gezerrt, die speziell die Zwischensequenzen einmalig gut sprechen – aus diesem Grund gibt es auch keine deutschen Stimmen (mit Ausnahme der akzentverseuchten Passanten im Berlin-Level), sondern nur Untertitel.  

Fazit

Gelegentlich träume ich grinsend von Tony Hawk’s Pro Skater 2. Tolles Spiel. Hat mich auf Monate hinaus bestens unterhalten. Dann verwischt die Szenerie, und geht nach kurzer Zeit in den vierten Teil über. Das Grinsen wird breiter: Die Spielbarkeit vom zweiten Teil, mit jeder Menge neuer und intelligenter Ideen. Hach. Oh.. ich spüre eine Störung der Macht: Richtig, Tony Hawk’s Underground war eine zwiespältige Sache – und der Nachfolger ist es auch, wie ich leider feststellen muss, während ich langsam erwache. Mal ganz davon abgesehen, dass ich die Story-Zentrierung auf Bam Margera und die allgemeine Verjackassung nicht wirklich gut finde, sind es einfach mal wieder die nett gemeinten, aber schwammig bis lausig umgesetzten Ideen, die dem Spiel nicht nützen, sondern es verschlechtern – allen voran das elend nervige Herumlaufen mit der elend nervigen Kamera und der elend nervigen Steuerung. Warum das alles immer noch drin ist, ist mir unerklärlich. Auch die Fahrzeuge sind nicht der Weisheit letzter Schluss: Zwar haben Scooter, elektrischer Bulle oder Rollstuhl dankbarerweise nicht mehr viel mit den Mondautos des Vorgängers gemein, aber die Steuerung ist weit, weit von der Perfektion entfernt, die Neversoft mit der Skater-Kontrolle an den Tag legt. Beschränkt man sich auf das reine Skaten, erfüllt wieder ein sanftes Lächeln mein Gesicht: schön abgefahrene Aufgaben, herausfordernde Levels und etliche Tricks sind genau das, was ich von THUG 2 erwartet habe. Okay, der Klassik-Modus ist auch keine schlechte Sache, aber ehrlich – wenn ich den haben will, lege ich einfach Tony Hawk’s Pro Skater 2 ein und bin wieder genauso glücklich wie am Anfang. Summa Summarum: Im Tonyland nichts Neues – bewährte Qualität, die langsam etwas ausgelutscht wirkt, mit der einen oder anderen Macke, an denen Fans zurecht herummaulen dürften.

Pro

Story- und Klassikmodus
perfekte Skateboard-Steuerung
etliche Tricks
tolle Personalisierungs-Möglichkeiten
einfacher Gesichts-Import
extrem umfangreich
Echtzeit-Tagesverlauf
weiche Animationen
großartiger Soundtrack
coole Zwischensequenzen
viele versteckte Extras
umfangreicher Editor
drei Schwierigkeitsgrade
massig Bonusmaterial
kurze Ladezeiten

Kontra

schlechte Laufsteuerung
kein direktes Anwählen der Aufgaben mehr
eckige Levels
nur englische Sprachausgabe
unnötige Fahrzeuge
sporadische Kameraprobleme
»Freak Out« im Grunde wertlos
Tastatursteuerung fummelig
instabiler Online-Modus
sinnloser Distanznebel

Wertung

PC

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