Im Test: Ketzerjagd auf Konsolen
Düster und ambitioniert
Mit den drei Teilen der Incredible Adventures of Van Helsing sowie dem alles zusammen fassenden Final Cut hat Neocore seine Spuren im vornehmlich von Diablo & Co dominierten Action-Rollenspiel hinterlassen. Die Erfahrung, die man mit der Reihe in jeglicher Hinsicht gewonnen hat, möchte man nach dem passablen PC-Auftritt jetzt auch auf Konsolen mit einem blutig-düsteren Abstecher in das von Games Workshop entwickelte Universum von Warhammer 40.000 ausspielen. In einem Bereich ist dies weiterhin außergewöhnlich gut gelungen: Das Artdesign ist mitunter fantastisch und überzeugt nach wie vor. Die abwechslungsreichen Areale spiegeln überzeugend die Atmosphäre wider, die man von dem technischen mit organischen Elementen verbindenden sowie von starken Neo-Gothik-Einflüssen durchzogenen Quellmaterial erwartet. Düster, brachial und in vielen Bereichen enorm detailliert, schafft Neocore hier visuell eine der überzeugendsten Umsetzungen des Tabletops. Figurendesign, Ausrüstung sowie mit Lichteffekten spielende sowie häufig zerstörbare Umgebungen wirken wie aus einem Guss und sorgen vom ersten Moment an für viel Stimmung.
Premium-Performance?
Auf PS4 Pro sowie Xbox One X hat man die Wahl zwischen Qualität (einer 1440p-Auflösung) sowie Performance (1080p), volle 4K werden auf Konsolen zumindest derzeit nicht angeboten. Durch die höhere Auflösung sieht die Kulisse auf den Premium-Systemen insgesamt besser aus und in 1080p werden Bildratenprobleme auf ein akzeptables Minimum reduziert. Doch spielt man mit der Option „Qualität“, muss man jederzeit damit rechnen, dass die Engine wieder Schwierigkeiten mit der Bildrate hat. Nicht in dem Maß wie auf den „kleinen“ Systemen, aber dennoch gelegentlich für einen kurzen Moment störend. Obwohl die Steuerung mit Kreismenü für die wichtigsten Funktionen zwischen den Missionen und einer allgemein guten Knopfbelegung in verschiedenen Varianten gelungen ist (man kann nicht selbstständig neu belegen), gibt es ein gravierendes
Zwar kann man im Rahmen der Zielaufschaltung komfortabel durch alle Angreifer in der Nähe wechseln, wobei im Zweifelsfall in der Sichtlinie befindliche Gegner die Projektile „abfangen“. Doch nutzt man diese Hilfe nicht und verlässt sich auf die Automatik, wirft einem Martyr immer wieder Knüppel zwischen die Beine. Statt den nächsten Gegner anzuvisieren, wenn man einen erledigt hat, wird beinahe willkürlich weitergeschaltet. Und hat man eine Kiste oder ein anderes Objekt in der Nähe, mit dem man interagieren kann, passiert es zu häufig, dass die Figur auf dieses Objekt losläuft und die Angriffe abbricht. Daran kann man sich zwar weitgehend gewöhnen, doch trotzdem passiert es über den gesamten Spielverlauf, dass man von Zeit zu Zeit von der nächsten Aktion negativ überrascht wird, da sie den Angriffsfluss unnötig unterbricht. Allerdings konnte mich keines dieser Mankos davon abhalten, trotz Kenntnis und technischer Überlegenheit der PC-Variante erneut zig Stunden in die Konsolenversionen zu investieren.
Deckungs-Hack&Slay
Die Faszination liegt für mich weiterhin einerseits in der Ergänzung bekannter Mechaniken wie einem üblichen Klick-und-Weg-Kampf mit frischen Elementen. Dabei ist vor allem das Deckungssystem zu nennen, das den Gefechten vor allem gegen Bosse sowie größere bzw. gemischte Gegnergruppen eine taktische Komponente hinzufügt. Deren Auswirkungen schätze ich höher ein als das aktive Ausweichen, das Blizzard in den Konsolenversionen von Diablo 3 einsetzte oder der aktive Sprung, der dem Hack & Slay in Victor Vran Elemente des Action-Adventures injizierte. Weil auch die wankelmütige KI in ihren besseren Momenten die Deckung nutzt, kommt es immer wieder zu spannenden Duellen – auch wenn man hier nicht die Intensität von Gears of War oder ähnlich gelagerter Action erwarten darf. Dazu steckt in Inquisitor zu viel Hack&Slay. Zudem lässt sich die Kameraperspektive zwar verändern und auch heranzoomen, eine klassische Schulterperspektive ist allerdings nicht möglich. Doch im Rahmen der isometrischen Perspektive kommt Inquisitor so nah an dieses Spielgefühl heran, wie es für ein Action-Rollenspiel mit Echtzeitkampf möglich ist – inklusive einem Nachlade- bzw. Überhitzungssystem bei Projektilwaffen.
Bedächtig und brutal
Allen gemeinsam ist jedoch die im Vergleich zu anderen Action-Rollenspielen von Diablo bis Torchlight, aber auch den Van Helsings oder Path of Exile reduzierte Geschwindigkeit, die sich in vielerlei Hinsicht auswirkt und gut auf die taktische Deckungs-Komponente abgestimmt wurde. Vor allem der eher schwerfällige, aber mächtige Crusader und der mit seinen magischen Angriffen um sich werfende Psyker sind davon betroffen und wirken im direkten Vergleich mit ähnlich ausgerichteten Figuren aus Diablo 3 beinahe so, als ob man sie auf Valium gesetzt hätte. Die Assassine kommt dagegen mit ihrer erhöhten Agilität am ehesten an das klassischen Hack&Slay-Gefühl heran – sie muss sich aber auch auf ihre Behändigkeit verlassen, um dem Beschuss der Gegner durch Ausweichrollen oder gleichzeitigem Zurückweichen und Feuern
Zwar sorgt Erstere dafür, dass einem nur bestimmte Waffen zur Verfügung stehen, während Letztere passive Werte wie ausgeteilten Schaden im Nah- oder Fernkampf, Bereichsschaden etc. verbessern. Doch mit welchen Mitteln man der Gegnermassen Herr wird, ist mit den Waffen verknüpft. Mitunter sind die Unterschiede in den Basisattacken nur subtil, doch häufiger sorgt ein frisches Waffenset dafür, dass man seine Herangehensweise ändern muss. Mit fast 40 Waffen, dazu einem Haufen unterschiedlicher Hilfssysteme, Unterstützungsfunktionen und Granaten gibt es eine Menge Angriffsoptionen, die man auf seine Figur oder seine bevorzugte Spielweise abstimmen kann. Dabei wird man jedoch nie überfordert. Neue Waffen werden erst nach und nach bei einem der Levelaufstiege freigeschaltet und tauchen auch erst danach in der Beute oder im Sortiment des Schwarzmarktes auf, das auch Blaupausen bereit hält, um bei einem Tech-Priester neue Ausrüstung herstellen zu können. Doch egal, mit welchen Waffen man den Kampf aufnimmt. Bei der Darstellung ist Neocore nicht zimperlich. Gegner zerplatzen oder lösen sich in einem Säureregen auf. Blutfontänen sind an der Tagesordnung. Allerdings sind mir in den Konsolenfassungen noch keine Finisher bei den Bossen begegnet, die jedoch auch am PC nur ein optisches Element waren.
Langsamer Fortschritt
Hinsichtlich des Schwierigkeitsgrads sowohl in der Story als auch bei den zufällig generierten Missionen, die man auf allen Planeten annehmen darf oder den mit kleinen Erzählbögen samt Entscheidungen und Einflussmöglichkeiten ausgestatteten Aufträgen, geht Neocore ebenfalls einen interessanten Weg. Theoretisch darf man jederzeit überall landen und versuchen, die Ketzer auszuschalten. Die Erfolgsaussichten sind jedoch abhängig von der Relation der eigenen Ausrüstungsstärke zur „Missionsempfehlung“, die zur besseren Übersicht auch farblich codiert ist. Je nachdem, wie die gegenseitige Stärke ausfällt, gibt es Boni und Mali. Nimmt man z.B. bei einer eigenen Ausrüstungsstärke von 500 eine Mission im 300er-Bereich an, richten die Gegner weniger Schaden an, während man selbst Vorteile bei den Attacken genießt. Dieses Verhältnis verschiebt sich entsprechend, wenn man mit identischer Ausrüstung eine 800er-Aufgabe anzugehen versucht. Sie ist theoretisch zwar immer noch schaffbar, aber nahezu aussichtlos. Abhilfe schafft da natürlich neue Ausrüstung. Da dies ein Element ist, das im Quellmaterial nur eine untergeordnete Rolle spielt, geht Neocore hier ein gewisses Risiko, um die Bedürfnisse von Action-Rollenspielern zufrieden zu stellen. Dabei geht die Ratio und die Wertigkeit der Beute zwar gerade noch in Ordnung, ist mir aber einen Tick zu hoch. Zumal man zusätzlich zu den Fundstücken bei erfolgreichem Ende einer Mission auch noch eine Kiste mit Belohnungen öffnen darf.
Story vs. Zufall
Bei den Kerninhalten geht Neocore mit Inquisitor zwei clever miteinander verbundene Wege. Auf der einen Seite bieten sie eine umfangreiche Kampagne, bei der man das Geheimnis des Inquisitorenschiffs „Martyr“ lüften muss, das lange Zeit verschwunden war und über das man quasi „gestolpert“ ist. Inhaltlich spannend sowie mit einigen interessanten Wendungen gespickt, ist nur die uneinheitliche Inszenierung störend. Teils über Rendersequenzen erzählt, dann wiederum über gut vertonte englische Dialoge, bei denen die „Kopfeinblendungen“ allerdings nicht lippensynchron sind, findet man sich irgendwann dabei wieder, wie man längere Textwüsten durchpflügen muss, um die offenen Stränge miteinander zu verknüpfen. Im Gegenzug wird man mit abwechslungsreichen Missionen belohnt, bei denen man nicht für jeden einzelnen Gegner mit Erfahrung belohnt wird, sondern nur nach dem Erreichen des Missionsziels einen Zuwachs auf dem XP-Konto spürt. Neben Abschnitten, in denen man Bereiche „nur“ säubern muss, darf man sich auch z.B. auf Missionen einstellen, in
Um sich die ggf. für einen Levelaufstieg nötige Erfahrung zu verdienen oder wenn man sich einfach abseits der umfangreichen, jenseits von 35 bis 40 Stunden in Anspruch nehmenden Kampagne vergnügen möchte, kann man sich im gesamten Caligari-Sektor herumtreiben, wobei man zunächst auf den Tenebra-Subsektor mit seinen sechs System und über 30 Planeten festgelegt. Hier stehen zufällig generierte Missionen zur Verfügung, die in regelmäßigen Abständen ausgetauscht werden. Zwar bekommt man hier auch eine ansprechende Bandbreite an unterschiedlichen Aufgabentypen zugewiesen. Doch auf lange Sicht fehlen hier noch mehr Varianten, während nur selten ein erzählerischer Zusammenhang hergestellt wird, während man die Missionen abspult, aber für sie immerhin neben Erfahrung auch Einfluss im jeweiligen System gewinnt – was bei entsprechenden Meilensteinen immerhin mit Credits oder Ausrüstung belohnt wird. Man kann sich dies in etwa als die Neocore-Interpretation des Adventure-Modus vorstellen, der in Diablo 3 mit Reaper of Souls hinzugefügt wurde. Allerdings fehlt hier noch die Meta-Ebene, die bei Blizzard u.a. mit den Rifts aufgebaut wird.
Ko-op-Ketzerei?
Dementsprechend hat man auch nicht das Gefühl, mit seinem Helden durch eine persistente Sandkasten-Welt zu laufen, wie es von Neocore im Vorfeld angepriesen wurde. Ja: Man kann jederzeit überall hin, während Grind sehr effektiv mit der Motivationsschleife verbunden wird. Doch dass Spieler durch ihre Entscheidungen in abgeschlossenen kleinen Storybögen den Fortschritt der nächsten Inhaltserweiterungen beeinflussen, wird nach wie vor nur zaghaft angedeutet und muss sich in den nächsten Wochen und Monaten beweisen. Immerhin hat man vor, Warhammer 40K Inquisitor mit Events, Content-Updates, neuen Fraktionen, Sub-Sektoren usw. auf lange Sicht zu unterstützen. Die Roadmap für die kostenlosen Inhalte steht bereits fest - es ist davon auszugehen, dass sich die Konsolen ebenfalls grob daran entlanghangeln. Das soll lt. Entwickler zwar keine kostenpflichtigen Add-Ons ausschließen (die auf Konsolen zumindest vorläufig in einem Season Pass verankert sind), doch zumindest in dieser Phase des Spiels verfolgt man konsequent den Service-Gedanken. Und um erneut den Vergleich mit dem Adventure-Modus oder den Saisons aus Diablo 3 zu bemühen, die Blizzard ebenfalls kostenfrei zur Verfügung stellt, könnte dieses Vorhaben erfolgversprechend sein - selbst wenn man im Gegenzug verpflichtend ein kostenloses Konto bei Neocore benötigt und das Spiel permanent online sein muss, da die Charaktere auf den Neocore-Servern abgelegt werden.
Fazit
Ich mag Neocore und ihren mitunter sperrigen Ansatz, dem Action-Rollenspiel neue Elemente hinzuzufügen, die es erfreulich von einschlägigen Teufelsjagden unterscheiden. Das war schon bei Van Helsing so und zeigt sich noch mehr bei Warhammer 40K: Inquisitor – Martyr, auch wenn nicht alle Ideen ausgereift sind. Sowohl die kooperativen als auch die kompetitiven Mehrspieler-Modi sind wenig mehr als ein unnötiger Grind-Ersatz, so dass man sie sich auch hätte sparen können. Der konsolenexklusive Couch-Ko-op schöpft in dieser Form sein Potenzial ebenfalls nicht aus. Und einige wichtige Mechaniken werden von den Tutorials weiterhin extrem stiefmütterlich behandelt. Zudem haben die Konsolen sowohl in ihren Premium- sowie vor allem den Standard-Varianten mit technischen Problemen zu kämpfen. Die Bildratenprobleme stören zwar, sind aber angesichts der Schwierigkeiten mit der automatischen Zielerfassung beinahe schon ignorierbar. Denn immer wieder kann es passieren, dass man eigentlich einen Gegner angreifen möchte, die Figur aber zum nächsten Interaktionsobjekt läuft, wodurch natürlich der Fluss der Action unterbrochen wird. Und dennoch habe ich auch auf PS4 (Pro) und Xbox One (X) eine Menge Spaß, mit dem Klassentrio die Welten zu säubern und die Aufträge zu erfüllen. Die im Vergleich zu Diablo 3 & Co bedächtigere Spielgeschwindigkeit und das erstaunlich gut funktionierende Deckungssystem samt zerstörbarer Umgebung sorgen in ihren besten Momenten für eine erfrischend taktische Herangehensweise, die es so in keinem anderen Action-Rollenspiel gibt. Die Charakterentwicklung ist vielschichtig, die Beuteausschüttung gerade noch gut austariert, wobei weniger hier tatsächlich mehr gewesen wäre. Dazu kommt, dass sowohl das Artdesign mit seiner düsteren Neo-Gothik überzeugen kann und auch die visuelle Gewalt im 40. Jahrtausend nicht zu kurz kommt. Die zufällig generierten Inhalte, auf die man als Alternative zur überraschend umfangreichen Kampagne zurückgreifen kann, dürften zwar bereits mittelfristig mehr Abwechslung bieten. Doch mit ihrem an den Abenteuer-Modus aus Diablo 3 erinnernden Ansatz bieten sie eine solide Grundlage für die von Neocore bereits angekündigten Gratisinhalte, mit denen man die metzelfreudigen Inquisitoren in den nächsten Monaten versorgen möchte.
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Inhaltlich ebenso gut wie am PC, sorgen technische Mankos und vor allem die Probleme mit der Zielerfassung für eine leichte Abwertung des Warhammer-40K-Actionrollenspiels auf Xbox One X.
PlayStation4
Inhaltlich ebenso gut wie am PC, sorgen technische Mankos und vor allem die Probleme mit der Zielerfassung für eine leichte Abwertung des Warhammer-40K-Actionrollenspiels auf PlayStation 4 Pro.
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Season Pass, dessen Inhalte keine bzw. nur minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.
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