Dieter Schmidt
Meine FIFA-DivaEine Kolumne von Dieter Schmidt, 11.01.2013

Beziehungstherapeut: "Ah, Herr Schmidt! Da sind sie ja wieder, rechtzeitig zur Bundesliga-Rückrunde! Wieder diese Wut im Bauch?"

Ich:
"Es geht einfach nicht mehr. Es reicht! Sie hat es wieder getan. Ich war ganz klar 2:0 in Führung, 65. Minute, königlich hereingeschlenzte Flanke von Götze, Lewandowski braucht nur den Kopf hinhalten, 3:0, Gegner kappt die Verbindung. Und was macht sie? Was macht dieses ignorante Weib? Verweigert meine Punkte, achtes Spiel im Ligamodus! Kurz vor dem Aufstieg und sie??? Tut so, als hätte das Spiel nie stattgefunden!"

Beziehungstherapeut:
"Nun beruhigen sie sich doch, Herr Schmidt. Wir reden hier doch nach wie vor über eine der schillerndsten Damen im Sportspielbereich. Da können doch die ganzen Fürsprecher nicht falsch liegen, oder?"

Ich: "Nein. Ich meine ja. Also... ich wäre ja wohl sonst nicht mit ihr liiert, oder? Aber abseits der innigen Offline-Erfahrung, wenn die Lupen der Kritiker längst schon andere Diven ins Visier genommen haben, wenn sich das dunkle Schattenreich über ihr Rampenlicht stülpt, dann wird das gewahr, womit unsereins sich tagtäglich herumschlagen muss. Dann wenn keiner mehr hinschaut, offenbart sie ihre hässlichen Online-Seiten: Gündogan zieht an... Pause, läuft weiter... Pause, Pass auf … Pause …"

Beziehungstherapeut: "Aber Herr Schmidt. Sie ist doch keine Maschine! Das müssen sie doch verschmerzen können, dass sie auch mal einen schlechten Tag hat ..."

Ich: "Aber ich verstehe es einfach nicht! Warum lässt sie es zu, dass sich ein Usbeke mit einem 56K-Modem mit mir verbinden kann? Ja, sie liebt Charity über alles. Bloß niemanden ausgrenzen! Und wenn es kein netzseitiges Problem ist, dann will ich mir nicht ausmalen, wie dort Buchhalter und Quartalszahlenknechte die Serverkapazitäten auf ein Maß zusammenschrumpfen lassen, der den Spielfluss zu einem Ruckelbach versiegen lässt. Ein Glück kam dieses Jahr kein weiteres Battlefield! Da konnte man ja im letzten Jahr über Tage hinweg das Spielen mit ihr vergessen. Aber dafür fehlt in diesem Jahr der Ball!"

Beziehungstherapeut: "Mmmh. Vielleicht will sie ihre Aufmerksamkeit mehr auf ihre inneren Werte als auf ihre Bälle legen ..."

Ich stehe auf.

Beziehungstherapeut:
"Herr Schmidt. Nun bleiben sie doch hier. Das war ein schlechter Scherz ..."

Ich: "Ihren Scherz empfinde ich aber als weitaus schlimmer! Wie oft musste ich hinter diesem unsichtbaren Ball hinterherhechten, den man nur aufgrund der gegnerischen Bewegungsabläufe erahnen konnte, um so schnell wie möglich in den Ballbesitz zu kommen. Und das bitte schön in den ersten fünf Minuten, in denen der Verbindungsabbruch nicht als Niederlage zählt – was langfristig übrigens dazu geführt hat, dass man partout darauf verzichtet, frühzeitig ein Tor zu schießen, denn ansonsten kappt der Gegner die Verbindung, und das Spiel wird nicht gewertet. Ja, das ist doch mal ein rasanter Spieleinstieg!"

Beziehungstherapeut: "Aber, aber, sachte, Herr Schmidt. Das haben sie doch längst schon gepatcht."

Ich: "Aber es fängt an, mächtig zu stinken! Wieso kann meine werte Freundin bei einem Dauerruckeln nicht einfach die Partie automatisch beenden? Wieso lässt sie überhaupt solch eine Partie zu? Warum hat sie keinen Algorithmus, der so etwas zu verhindern weiß? Und wieso hat sie kaum genügend Serverkapazitäten, wenn sie so mit Geld vollgestopft wird? Wie oft lag ich hinten und habe nach einem gegnerischen Verbindungsabbruch einen Sieg zugesprochen bekommen? Wieso kann sie nicht nach einem 3:0 in der 82.Minute das Spiel nach dem Verbindungsabbruch für den Führenden werten? Oh ja, das macht sie, aber auch nur in 70% der Fälle.  Ich will keine 70% und ich will auch keine 90%. Ich will eine hundertprozentige Sicherheit, dass so etwas ausgemerzt wird!!!"

Beziehungstherapeut: "Herr Schmidt... ich will Ihnen da jetzt nicht zu nahe treten. Aber kann es sein, dass ihre Verärgerung daraus resultiert, dass sie mit den anderen Spielern nicht mithalten können? Vielleicht haben sie einfach keine Skills? Sie sind. Nun ja. Ein eher mittelmäßiger Spieler. Wer immer nur verliert, baut erhebliche Spannungen auf ..."

Ich: "Spannungen? Ich hab mehr Spannungen als das AKW Brunsbüttel im Meiler hat! Vielleicht drifte ich da zu sehr in den metaphysischen Bereich ab. Aber mir ist aufgefallen, dass das Ligasystem auch eine Art Spannungsbogen besitzt. Wer einmal die Karriere gespielt hat, weiß wie witzlos drei Siege als Erstplatzierten erscheinen, wenn der Zweitplatzierte stets einen Punkt Abstand hält – denn Gleiches passiert auch bei drei Unentschieden. Und was habe ich nicht schon online für unglaubwürdige Spiele gesehen: Pfosten, Latte, Pfosten, Stürmer tänzelt Torwart aus und schießt aus drei Metern Entfernung ins Leere – das habe ich ebenso bei mir erlebt wie auch bei meinem Gegner mit dem jeweiligen Sieg für den vermeintlich Schlechteren. Wie kommen solche Spiele zustande? Da zählt auch nicht Brehmes Spruch: "Hast du Scheiße am Fuß, hast du Scheiße am Fuß." Aus fünf Metern vor dem leeren Tor stehend den ruhenden Ball an die Latte pfeffern, ist schon starker Tobak – macht aber wiederum dann Sinn, wenn man abgestiegen ist und aus Motivationsgründen wieder direkt aufsteigen soll. Ich habe mich schon etliche Saisons durch eine Liga gequält, bin aber bei Wiedereintritt in jene Liga wie von selbst sofort wieder aufgestiegen. Und in jene Kerbe schlägt auch das Gefühl, man spiele so einige Begegnungen gegen die KI, die so schöne Namen wie „Nathaniel29823748202“ trägt. So peitscht sie mich mit einem Zuckerbrot quasi auf meinen Scheitelpunkt der Spannungsparabel."

Beziehungstherapeut: "Gut. Dann fassen wir das doch mal zusammen: Sie sind offline voll und ganz mit ihr zufrieden?"

Ich: "Ich könnte kotzen, wenn zum 278. Mal mein Stürmer ein wenig Platz hat, um zu schießen und zum 277. Mal irgendein Körperteil des Gegners lädiert. Aber... mmh...ja. Bin voll zufrieden."

Beziehungstherapeut: "Sie spielen aber hauptsächlich online im Ligamodus mit ihr und wünschen sich eine gerechtere Auswertung der Spiele?"

Ich: "Yup."

Beziehungstherapeut: "Und was ist, wenn das auch in dem nächsten Jahr so weiterläuft wie bisher: Wie wären dann ihre Gefühle für sie?"

Ich: "Das Problem … es ist … ich glaube, ich will einfach nicht mehr mit ihr online spielen. Ich … ich habe die Lust aufgrund dessen verloren. Ich... vielleicht will ich sie auch nicht mehr."

Beziehungstherapeut: "Sie bringen doch jetzt nicht wieder ihre Ex-Freundin ins Spiel?"

Ich: "Hach… das ist sehr… kompliziert. Ich empfinde ja schon noch so viel für sie… aber wenn PES sich endlich mal mit den Online-Modi so rausputzen würde wie sie, dann…"

Beziehungstherapeut: "Ja… dann ist es Zeit, Abschied zu nehmen."


Dieter Schmidt
Redakteur

 

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