Jörg Luibl
Der böse BuschEine Kolumne von Jörg Luibl, 26.06.2007
Nein, das ist keine antiamerikanische Kolumne. Auch hinter einem heimischen Busch kann sich das Böse verstecken - vor allem, wenn sich ein frecher Heinrich Christian Wilhelm dahinter verbirgt und keine noch so schändliche Gewalttat scheut! Der Mann aus dem deutschen Tiefland engagierte sich im Gegensatz zum gleichlautenden aus Texas zwar eher humoristisch als außenpolitisch, aber exekutierte mit Stift und Feder sogar Kinder:

Rickeracke! Rickeracke!
Geht die Mühle mit Geknacke.

Hier kann man sie noch erblicken
Fein geschroten und in Stücken.

Doch sogleich verzehret sie
Meister Müllers Federvieh.

Was der Kram soll? Was jemand wie Wilhelm Busch mit der heutigen Spielewelt zu tun hat? Auch Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Deutschland fleißig geschnitten und indiziert. Auch der Niedersachse musste mit Behörden kämpfen und stand z.B. "wegen Herabwürdigung der Religion (...) und (...) Verbreitung unzüchtiger Schriften" vor dem Offenburger Kreisgericht. Sein "Der Heilige Antonius von Padua" wurde beschlagnahmt und erschien erst 1871 - sechs Jahre nach der Anfertigung!

Er wäre in den USA noch heute ein Public Enemy, seine Spiele würden nur in Österreich ungeschnitten rauskommen, Thompson und Pfeiffer hießen seine Schatten. Nicht nur seine bissige Satire gegen die katholische Kirche, auch seine explizite Gewalt sorgte für so manchen Schauder in Caféhäusern - "Bildgewalt" gab es schon damals: Da werden Tiere und Menschen gequält, Gabeln durch Schülerohren gebohrt, Nachbarn aus nächster Nähe beschossen, Vögel erdrosselt, ja sogar Sprengstoffattentate auf Lehrer verübt, bis nur noch verkohlte Reste übrig sind:

Nase, Hand, Gesicht und Ohren
Sind so schwarz als wie die Mohren,
Und des Haares letzter Schopf
Ist verbrannt bis auf den Kopf.


Mobbing und Schülergewalt als heitere Unterhaltung - Canis Canem Edit lässt grüßen! Aber bevor jemand aus aktuellem Anlass an den Gleichschritt von Max & Moritz & Manhunt denkt: Wilhelm Busch war ein politisch inkorrekter Miesepeter, ein scharfer Beobachter, ein harter Kritiker, ein genialer Überzeichner, ein Schopenhauer 'scher Pessimist, aber: kein Sadist! Er kannte zwar die Abgründe des Bösen...

Wehe, wehe! - Wer jemals das Auge der energischen Bestialität hat blitzen sehn, den beschleicht eine grauenvolle Ahnung, dass (...) ein einziger Teufel stärker sein könnte, als ein ganzer Himmel voll Heiliger!

...aber das Heitere und Stilvolle seiner Zeichnungen bildete immer einen Kontrapunkt zu einer Gewalt, die heute eher an Tom & Jerry als an die Quälereien eines Marquis de Sade oder die blutigen Foltergesänge eines Lautréamont erinnert. Der Urvater der Comics verband Schauder, Grausamkeit und schwarzen Humor in einem Lebenswerk aus 1500 Zeichnungen von Max und Moritz bis Hans Huckebein.

Dieser poetisch lästernde Niedersachse ist ein Symbol für die Notwendigkeit politisch inkorrekter, bis ins Grausame überzeichneter und herrlich böser Unterhaltung.

Alles Gute zum 175. Geburtstag, Wilhelm Busch!


Jörg Luibl
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