Jörg Luibl
Das WertungselendEine Kolumne von Jörg Luibl, 05.04.2002
Watt? Metal Gear Solid 2 kein Award? Seid Ihr bekloppt?

Wieso kriegt FIFA 2002 bei Euch nur 82%? Lächerlich! Dat is ja wohl das beste Fußballspiel wo gibt!

Also ich hätte Warlords Battlecry 2 nicht 83%, sondern 81% gegeben!

Dieser kleine Auszug repräsentiert zwar nicht den Durchschnitt unseres Test-Feedbacks auf 4Players, aber ein Reizthema dürfte die Wertung überall sein - egal ob unter Kumpels oder in der Redaktion. Kein anderes Thema kann dermaßen polarisieren; nur die Frage Xbox oder GameCube steht derzeit höher im Kurs.

Gibt es überhaupt eine über allen Zweifel erhabene Wertung? Nein, und schon gar nicht im beliebten Prozentsystem. Wenn wir uns als Spieletester genau auf die Finger schauen, müssen wir zugeben, dass wir gar nicht in der Lage sind, alle Elemente eines Spiels gerecht zu bewerten. Vom Standpunkt der Entwickler, die teilweise zwei bis drei Jahre ihres Lebens in ein Spiel investieren, kann „gerecht“ eigentlich nur bedeuten, dass alle Elemente eines Spiels fachmännisch beurteilt werden. Welcher Tester hat Grafik-Design studiert? Wer kennt sich mit Musikkompositionen aus? Wer hat schon mal programmiert? Wer kennt die Grundelemente guter Dramaturgie? Klar müssen wir das Gesamtprodukt an sich beurteilen, aber unsere „Tests“ bleiben eben an der Oberfläche, die sich Spielspaß nennt. Trotzdem sei hier ganz deutlich gesagt, dass viele Entwickler bei all dem Aufwand gerade dieses Element aus dem Auge verlieren.

Gibt es dann überhaupt eine passende Wertung? Ja, auch im Prozentsystem. Und zwar immer dann, wenn ein Tester z.B. die finalen 90% mit guten Argumenten im Text untermauert. Wenn ich als Leser nachvollziehen kann, warum Grafik, Sound und Gameplay so begeistern, dass am Ende der Award gezückt wird, passt die Wertung. Was aber nicht heißt, dass eine schlechtere Wertung des gleichen Spiels keine Berechtigung hat. Hat sie, wenn auch hier klar gemacht wird, warum kein Award verliehen wird.

Vielleicht müsste man den hochtrabenden Begriff „Test“ eher gegen den der „Besprechung“ eintauschen - ähnlich wie im Literaturbereich. Dann wird vielleicht deutlicher, dass eine Spiel-Bewertung immer die Perspektive eines einzelnen Testers, mit all seinen Vorlieben und Schwächen repräsentiert. Und über nichts lässt sich besser streiten...

Jörg Luibl
4P|Textchef
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