Jörg Luibl
PlayStation 4: Eine gute PremiereEin Kommentar von Jörg Luibl, 21.02.2013
Man ist nach all den Jahren künstlich aufgeblasener Pressekonferenzen inklusive Fake-Videos und nicht eingehaltener Versprechen grundsätzlich skeptisch. Und als die unfreiwillig komische deutsche Übersetzung im Live-Stream zu hören war, habe ich mit zig Spezifikationen, langweiligen Tabellen sowie einer Multimedia-Show zur PlayStation 4 gerechnet.

Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass Sony so viele Spiele präsentiert, über die man schon im Februar diskutieren kann. Damit hat man die E3 quasi vorweg genommen. Klar hätte ich mich über ein Lebenszeichen von The Last Guardian gefreut oder über das kommende Projekt von Naughty Dog nach The Last of Us. Auch David Cage hätte aus diesem alten Mann mit der Seele in den Augen gerne einen Spieletitel machen können. Aber man braucht ja noch Munition für die Messe Juni. 

Es ging in New York erfrischender Weise nicht um Zahlen (die für die Japaner ohnehin nicht so gut aussehen) oder überflüssiges Hardware-Gepose (die Konsolen unterscheiden sich ja kaum noch vom PC), nicht um aufgeblasene Ideen wie 3D, Move oder gar 4K, sondern um Spiele - darunter einige exklusive Neuheiten.

Knack von Sony Japan sieht charmant aus, erinnert an eine witzige Mischung aus Ratchet&Clank und Kameo. Killzone: Shadowfall war natürlich zu erwarten, wirkt aber mit seinem bunten Artdesign, der erhöhten Infiltration und der von einer Mauer geteilten Stadt interessant: Und Helghast spielen? Gerne! Etwas weniger Lust hat das vollkommen überdreht angekündigte  inFamous: Second Son bereitet, zumal das angestaubte Thema Superheld in offener Actionwelt von Sucker Punch bereits arg strapaziert wurde - mal sehen, was diesmal daraus wird. Dass mich Driveclub mit seiner Cockpitperspektive nicht begeistern konnte, liegt nur daran, dass ich lieber durch Höhlen krieche als im Kreis rase.

Apropos Dungeonfetisch: Da war ja noch Deep Down von Capcom für alle, die kämpferische Fantasy à la Dark Souls und Dragon’s Dogma lieben. Und das, was die neue Engine da zwischen Feuerodem und Kettenhemd inszenierte, wirkte atmosphärisch kompetent. Überhaupt sorgen die Spiele der Dritthersteller für Neugier, allen voran Ubisoft: Watch_Dogs hat seinen Platz in unserer Top 10 der heiß begehrten Titel mit den frischen Spielszenen nochmal bekräftigt. Hinzu kommen große Projekte wie Destiny für Actionfans sowie The Witcher 3 für Rollenspieler.

Man weiß natürlich noch nicht, was genau durch das Releasefenster schaut, aber im Gegensatz zur aktuell schwächelnden Wii U dürfte der PlayStation 4 nicht so schnell die Puste ausgehen, was Vielfalt und Nachschub an Spielen angeht. Selbst Blizzard ist an Bord: Dass Diablo III nicht noch für PlayStation 2 kommt, war dann schon fast eine Enttäuschung angesichts der Bilder. Genauso wie David Perry, der mitteilte, dass der kommende Online-Service mit all den Cloud-Features, Vita-Streaming & Co nicht voll funktionsfähig startet, sondern in Etappen angeboten wird. Wie lange wird es wohl dauern, bis man ein PlayStation 3-Spiel auf der PlayStation 4 spielen kann? Nativ unterstützt wird das ja nicht – ärgerlich.

Wichtiger als die Abwärtskompatibilität ist dennoch die Zukunft der Spiele. Und Sony hat weiterhin ein Herz für kreative Entwicklungen, die abseits der bekannten Genres für frische Impulse sorgen könnten. Was hat Media Molecule da bloß vor? Virtuelle Skulpturen und Wesen erschaffen, um mit Freunden kollektiv Geschichten zu erzählen oder Spiele zu entwickeln? Normalerweise macht mich Move-Gefuchtel sofort skeptisch. Aber nach LittleBigPlanet traue ich den Briten einen weiteren Treffer zu, wenn es darum geht, die Fantasie der Spieler zu kitzeln und Weltenschöpfer aus ihnen zu machen.

Und ich habe mich richtig gefreut, dass man Jonathan Blow so viel Raum gegeben hat. Denn hier schließt sich der Kreis zwischen Independent und Großprojekt: Der Braid-Schöpfer präsentierte mit The Witness erneut ein interessantes Knobelspiel, das über sein Storytelling packen will. Mit jedem Rätsel soll man weitere Einsichten auf einer offenen Insel gewinnen. Erfrischend, dass er auch in diesem Rahmen einer Premiere, wo sich meist alle kollektiv beweihräuchern, subtile Kritik an der Spielebranche übt, indem er sich gegen den oberflächlichen Größenwahn ausspricht, weil damit die Bedeutung der kleinen Dinge vernachlässigt wird - genau da müssen Spieldesigner auch mal Kontrapunkte setzen, damit sich das Erkunden wieder lohnt und nicht zum Checkpointablaufen mutiert!

Aber warum bloß dieser Fokus auf Social Media? Weil es in ist, weil es wächst, weil es sich vermarkten lässt. Sony hat ja versucht, sich mit Home auf PlayStation 3 abzukapseln und eine eigene Wohlfühlblase für Spieler zu schaffen. Aber diese virtuelle Parallelwelt war nicht attraktiv genug und ihre exklusive Reichweite einfach zu gering im Vergleich zu Facebook, YouTube & Co. Daraus hat man gelernt: Jetzt will man die Spieler animieren, sich über Sony-Spiele nach außen zu vernetzen und über Videos zu exhibitionieren, die man kinderleicht an der PlayStation 4 drehen kann. Dafür gibt es Zuschauer, wie all die hoch dramatischen Let’s Play-Videos zeigen. Jetzt bekommen alle PlayStation 4-Käufer also einen „Share“-Button auf dem Controller. Und ich befürchte, dass man ihn nutzen wird – freut euch also auf Millionen privater I`ve played-Videos von Fallrückziehern in FIFA 14 und Headshotserien in Killzone.

Strategisch ist die Öffnung für Social Media natürlich eine clevere Entscheidung, weil sich eine lukrative Eigendynamik ergeben könnte. Als Spieler lässt mich die grassierende digitale Sozialisierung allerdings kalt: Mich interessiert nur das Spiel. Ich will nichts liken, sharen, voten oder upgraden - ich will einfach nur zocken. Warum? Weil die Faszination des Spielens für mich gerade darin liegt, dem Alltag zu entfliehen und andere Welten zu entdecken.

Ich hab ja nichts gegen Koop, aber muss man jetzt schon das eigene Spiel so weit öffnen, dass andere reinlatschen und interagieren können? Ich will keine Heilpakete von Freunden in Killzone auflesen. Und bevor ich mir online in Deep Down helfen lasse, indem vielleicht auch noch mein Held fremdgesteuert wird, beiße ich mir lieber 167 mal die Zähne an einem Drachen aus – offline, stur und fluchend. Vermutlich gehört man damit bereits zur gefährdeten Art des egoistischen Spielefressers.

Schön ist jedenfalls, dass Sony trotz aller Sozialisierungsversuche auch an diese Spezies mit Social-Media-Paranoia denkt: Man kann auch auf der PlayStation 4 ohne Internetanbindung zocken - wunderbar. Das ist mir sogar wichtiger als all der Controller-Schnickschnack, die acht Gigabyte Arbeitsspeicher oder die PS Vita-Integration.

Das war keine spektakuläre, aber eine spielerisch gehaltvolle Eröffnung im Konsolenschach; ein überraschend früher und guter erster Zug von Sony.

Mal sehen, wie Microsoft kontert.


Jörg Luibl

Chefredakteur
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.