Michael Krosta
Remakes? Ja, bitte!Ein Kommentar von Michael Krosta, 25.11.2014
Da steht sie im Regal: Die Indiana-Jones-Trilogie. Auf VHS. Meine Güte, was ist das lange her. Dabei habe ich den Rekorder gar nicht mehr angeschlossen und irgendwo gut verstaut. Was für ein Glück, dass ich mir viele Jahre später alle drei Filme noch mal in einer schicken Sammler-Edition gekauft habe - dieses Mal auf DVD. Endlich kein lästiges Spulen mehr, ein Top-Bild plus die englische Original-Tonspur, die ich sogar in einer 5.1-Abmischung genießen darf. Was für ein Fortschritt gegenüber dem alten Videoband! Mittlerweile schwingt Indy dank Blu-ray auch im knackscharfen HD-Bild und wuchtigen HD-Ton die Peitsche - und es war nur eine Frage der Zeit (und des Preises), bis auch diese aktuellen und modernen Versionen der Klassiker den Weg in meine Sammlung finden würden - und das, obwohl man über die neue Farbgebung des restaurierten Bildes durchaus geteilter Meinung sein kann, weil die Nachbearbeitung das Original visuell auf jeden Fall verfälscht.

Und Indy ist nicht alleine: Neben zahlreichen Lieblingsfilmen finden sich mittlerweile immer mehr Spiele in doppelter Ausführung in meinem Regal oder digitalen Bibliotheken. Beyond Good & Evil HD, Splinter Cell HD, Shadow of the Colossus HD, Resident Evil 4 HD, die God of War HD Collection – um nur einige Titel zu nennen, die im Rahmen der Schönheitsoperation einen neuen Anstrich bekamen und teilweise sogar mit weiteren Extras wie einer 3D-Unterstützung oder verbesserten Darstellung aufwarten konnten. Wer will da noch zur SD-Variante des Originals zurückkehren?

Pauschalisieren lässt sich das natürlich nicht: Genau wie manche Filmstudios einfach nur das DVD-Material auf die Blu-ray packen, hält sich auch der Aufwand mancher HD-Upgrades von Spielen in Grenzen. Vor allem bei Ubisoft schien man die Höhepunkte des eigenen Sortiments, darunter z.B. die Prince of Persia Trilogie, einfach nur schnell und ohne große Sorgfalt durch den Konverter gejagt zu haben, um schnell und ohne großen Aufwand doppelt Kasse machen zu können. Aber auch Hersteller wie Konami schlampten bei ihren Neuauflagen – man denke nur an die grausige Silent Hill HD Collection. Das Ergebnis: Die Neuauflagen waren trotz schickerer Grafik oft sogar schlechter als das Original! Und so klebte an der erhofften Modernisierung nicht selten der widerliche Gestank der schamlosen Abzocke.

Das kann es natürlich nicht sein. Und wenn ich hier lauthals "Remakes? Ja, bitte" schreie, habe ich bei dieser Forderung eher aufwändige Produktionen wie Halo: Anniversary, Metal Gear Solid: The Twin Snakes oder das großartige GameCube-Remake von Resident Evil im Sinn. Also Neuauflagen, bei denen der Geist des Originals möglichst gut erhalten bleibt, aber gleichzeitig eine aufwändige Restauration betrieben wird, anstatt die Daten schnell durch den Konverter zu jagen und lediglich ein paar Texturen hoch zu skalieren.

Denn so sehr ich viele meiner alten Spiele auch liebe und in wohligen Erinnerungen schwelge: Schaue ich mir heute einige Klassiker aus den Neunzigern an, hilft gerade bei den frühen 3D-Spielen auch keine Nostalgie-Brille mehr und die Realität schlägt mir erbarmungslos ins Gesicht! Nein, viele der alten Kult-Titel sehen heute einfach nicht mehr gut und zeitgemäß aus. Und das ist umso trauriger, wenn die inhaltlichen Stärken der Oldies selbst aktuelle Vertreter „alt“ aussehen lassen. Das ist kein Beinbruch. Tatsächlich spricht es umso mehr für den Klassiker, wenn er auch ohne moderne Technik-Waffen mit seinen inneren Werten die Konkurrenz von heute deklassiert. Aber Augen und Ohren spielen halt doch irgendwie mit. Wie sehr würde ich mir z.B. wünschen, No One Lives Forever mit einer modernen Technik neu erleben zu dürfen. Wie cool wäre ein Pirates! mit der Engine-Power eines Assassin's Creed: Unity? Ein aufwändig produziertes Remake von Wing Commander würde ich wahrscheinlich jedem Star Citizen und dessen fragwürdigen MMO-Ambitionen vorziehen. Ein Duke Nukem 3D mit der Unreal Engine 4? Nehm ich! Sofort! Jedenfalls lieber als den nächsten x-beliebigen Shooter, der wieder so sein will wie Call of Duty und dabei die Mainstream-Kompatibilität über Kreativität und Anspruch stellt. Oder nehmen wir aus aktuellem Anlass BioWare: Was würden ich und viele andere Star-Wars-Fans für eine Neuauflage von Knights of the Old Republic geben? Oder man stelle sich ein Baldur's Gate mit Charakteren und Kulissen vor, die mit der Frostbite-Power zum Leben erweckt werden – von VHS zur Blu-ray! Es gibt so viele alte Schätze da draußen, die selbst in ihrer ursprünglichen Version mit vielen modernen Vertretern den Boden aufwischen, weil sie inhaltlich eben mehr zu bieten hatten, als immer wieder irgendwelche Ubi-Türme zu erobern oder in einem Rollenspiel mit Ping-Unterstützung die Schatzsuche zu entzaubern. Es gibt mehr als genug Gründe, warum es sich lohnt, den Klassikern mindestens eine zweite Chance zu geben.

Die Hersteller müssten viel mehr Mut dazu haben, die Perlen ihres Archivs mit viel Liebe und Sorgfalt aufzubereiten, um nicht nur die eigene Videospiel-Geschichte am Leben zu halten, sondern auch Nachwuchs-Spielern von heute die großen, prägenden Erlebnisse von gestern mit einer modernen Fassung oder einer gelungenen Neu-Interpretation im Stil von Silent Hill: Shattered Memories näher zu bringen. Dass dafür ein gewisses Fingerspitzengefühl notwendig ist, versteht sich von selbst. Und dass eine solche Restaurierung gehörig nach hinten losgehen kann, zeigte zuletzt z.B. die Neuauflage von Gabriel Knight: Sins of the Fathers, bei der der Geist des Originals im Rahmen der Modernisierung zu stark beeinträchtigt wurde. Um abschließend wieder die Brücke zur Filmindustrie zu schlagen: Ich würde mir von den Spieleherstellern mehr Remakes wünschen, die sich handwerklich am Aufwand orientieren, der z.B. für die Wiederveröffentlichung von Ridley Scotts Alien betrieben wurde. Dank der technischen Überarbeitung erstrahlte der Film-Klassiker in einem neuen FullHD-Glanz, behielt aber gleichzeitig die Atmosphäre und inhaltliche Qualität des Originals bei. Oder nehmen wir Grand Theft Auto 5 für PS4 und Xbox One: Eigentlich ist das Spiel ja eher eine verspätete Umsetzung als ein waschechtes Remake. Aber gleichzeitig ist es für mich ein aktuelles Paradebeispiel, wie man mit entsprechender Hingabe, willkommenen Ergänzungen (Stichwort: Ego-Perspektive) und technischem Fortschritt auch den großen Klassikern der Videospiel-Geschichte zu einer ehrwürdigen Renaissance verhelfen könnte. Wenn schon Remakes, dann bitte so!

Und wenn ich schon das Gangster-Epos von Rockstar heran ziehe, möchte ich auch noch eine Lanze für die Remastered-Editionen von Spielen brechen, zu denen auch die großartige PS4-Umsetzung von The Last of Us zählt. Selbstverständlich schwingt auch hier der Verdacht der Abzocke mit, wenn man nach so kurzer Zeit einen Titel neu auflegt und erneut zum Vollpreis in die Läden stellt. Deshalb wären eine Rabatt-Aktion oder zusätzliche Inhalte für Besitzer des Originals ein feiner Zug – und das sehen erfreulicherweise auch die ersten Hersteller so, bieten teilweise sogar kostenlose Upgrades auf die Next-Gen-Versionen (z.B. Call of Duty: Advanced Warfare) an. Es ist halt leider so, dass durch den Wegfall der Abwärtskompatibilität und mangels alter Geräte viele Spieler nicht mehr so einfach in den Genuss kommen, die Hits der Vergangenheit zu erleben. Ich finde es gut, dass Besitzern neuer Systeme zumindest die Gelegenheit angeboten wird, sie in der Form von Remakes nachzuholen – und das sogar oft besser als bei der ursprünglichen Vorlage. Zudem bringen die Neuauflagen einen weiteren großen Vorteil mit sich: Sie schließen die Lücken im Spiele-Nachschub, unter denen neue Plattformen früher oder später immer zu leiden haben. Und nicht nur das, denn wenn ich mir das aktuelle Angebot für die PS4 und One ansehe, übertreffen sie hinsichtlich der gebotenen Qualität sogar oft die zunehmend bugverseuchten Neuerscheinungen und markieren inhaltlich nicht nur Höhepunkte in der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart.

Michael Krosta
Redakteur
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