Benjamin Schmädig
id Software: Schuster, bleib bei deinem Leisten!Ein Kommentar von Benjamin Schmädig, 17.05.2016
id Software hat endlich verstanden.

15 Jahre sind die Grundsteinleger des Ego-Shooters dem hinterher gelaufen, was andere aus ihrem Fundament gemacht hatten, doch weder mit Rage noch mit Doom 3 haben sie so perfekt den Takt moderner Action getroffen wie zu ihren besten Zeiten.

Zeiten, die vor mehr als 20 Jahren mit der Veröffentlichung eines einzigen Spiels begannen: Doom. Nicht der erste Shooter seiner Art – aber ein technischer Meilenstein. Ein audiovisuell so intensives Erlebnis, dass uns Hören und Sehen verging. Ein spielerisch so packendes Erlebnis, dass ich es heute noch starte. John Carmack, John Romero, Tom Hall und Adrian Carmack hatten die Spielewelt verändert. Die Bezeichnung "Doom-Klon" wurde zum Synonym für ein ganzes Genre.

Es folgten ein weiteres Doom, dreimal Quake.

Dann verlor id den Faden.

Denn der von Carmack, Romero & Co. gepredigte Spielsinn stieß an Grenzen. Der Ego-Shooter hatte sich entwickelt: Im Geiste von Half-Life waren ertragreiche Produktionen an überzeichneter Arcade-Action kaum noch interessiert. Sie inszenierten interaktive Filme in bodenständigen Szenarien.

ID fand keine Antwort auf die Frage, wie es seine schnörkellose Action auf dieses Muster übertragen sollte. Sowohl Doom 3 als auch das von Raven Software entwickelte Quake 4 schwammen seltsam ziellos zwischen alt und neu. Und als Ego-Shooter irgendwann offene Welten und Rollenspiel für sich entdeckten, wirkte auch Rage inhaltlich leer und bemüht.

Warum ich das heute so ausführlich wiederkaue? Weil es so verdammt gut tut, dass das große Studio die Zeit der Selbstfindung endlich überwunden hat, nachdem es lange mit seiner Identität gehadert hat.

Denn als das vierte, intern schon "Call of Doom" genannte Spiel, zu scheitern drohte, da besannen sich die Texaner plötzlich auf ihre Wurzeln. Sie stampfen alles ein, begannen von Null – und inszenierten einen furiosen Höllenritt: Doom.

Mit unbändiger Wucht fegt man durch brillant designte Schauplätze, um rasende Dämonen zu zerschmettern, während sich die Musik in wütende Riffs steigert. Mühelos reiht man klettern, laufen und gezielte Schüsse aus der Bewegung heraus aneinander. Meisterhaft beherrscht id immer noch diese Kunst der Arcade-Action, das Spiel mit Geschick und Präzision!

Ich weiß, dass nicht jeder meine Euphorie teilt – Mathias zählt in unserem Test auch Schwächen auf. Mir selbst sind viele Umgebungen der zweiten Hälfte zu geradlinig, die Herausforderungen stören den grandiosen Rhythmus.

Das Wichtige ist aber, dass id Software nicht mehr auf Call of Duty, Battlefield oder Bioshock schielt. Anstatt eine Art Shooter zu inszenieren, die diesem Studio einfach nicht im Blut liegt, fokussiert es all seine Kraft auf kompromisslos harte Action in einem fantasievollen Szenario. Nur ein wenig Charakterentwicklung schauen sich die Texaner bei der Moderne ab – meinetwegen. Was zählt, sind knackige Herausforderungen und gut versteckte Geheimnisse, als hätte es die letzten 15 Jahre nicht gegeben. So muss es sich anfühlen, wenn ich ein Spiel von id Software starte!

Dabei ist es natürlich ein Segen, dass das im besten Sinne Altmodische gerade Konjunktur hat. Mit Sicherheit hat id mit dem Zeitpunkt jedenfalls mächtig Schwein gehabt.

Oder liegt es gar daran, dass keiner der Gründer mehr im Studio sitzt? Die Verdienste von Carmack, Carmack, Romero und Hall in höchsten Ehren! Und noch halten mit Tim Willits oder Kevin Cloud ja weitere alte Hasen die Stellung. Doch dieses alte, neue Doom – ins Leben gerufen zu einer Zeit, in der John Carmack als letzter Erster gerade seinen Platz aufgab – strahlt auch eine jugendliche Energie aus, die längst erloschen schien.

Denn es holt ja nicht nur Ewiggestriges hervor. Es führt auch einen brutalen Nahkampf ein, der Mut und Können belohnt: Mit den Händen getötete Gegner lassen Rüstung und Munition fallen. Anstatt beides zu suchen, verdient man es direkt im Kampf. So bleibt mehr Zeit, durch das schnelle Klettern die vielen taktischen Möglichkeiten auszuschöpfen: Der Spielfluss von damals wird auf neue Ebenen gehoben.

Erstmals verändert id sein bewährtes Konzept nicht zuerst nach den Ideen Anderer, sondern entwickelt es sinnvoll weiter - der Sprung vom zweidimensionalen Doom in das dreidimensionale Quake war größer, aber fühlte sich ganz ähnlich an.

Es sind diese kleinen Neuerungen, die die Frage beantworten, was ein modernes Doom dringend benötigt hatte. Sie sind der Weg, über den eine der wichtigsten Adressen für Ego-Shooter endlich zu ihrem Groove zurückfand.

Und so tut es einfach gut zu schreiben: ID Software ist wieder da!

Benjamin Schmädig
Redakteur
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