Mathias Oertel
Wir brauchen keine Killerspiel-DiskussionEin Kommentar von Mathias Oertel, 25.07.2016
Eine Axt-Attacke in einem Zug nahe Würzburg. Der von langer Hand geplante Amoklauf in München. Ein Mord mit einer Machete in Reutlingen. Ein Messer-Angriff in einem Metronom zwischen Hamburg und Bremen. Der Bomben-Anschlag in Ansbach. Die "innere Sicherheit" hat in Deutschland in den letzten Tagen gewaltige Dellen hinnehmen müssen.

Auch ich habe vor allem den Amoklauf als jemand, der mal in München gelebt hat und Kinder in dem Alter hat, schwer schluckend zur Kenntnis genommen. Und ich war froh darüber, dass in der Frühphase der Ermittlungen über den 18-jährigen Täter das Hobby Computerspiele zunächst keine Erwähnung gefunden hat. Stattdessen ging es um seine psychischen Probleme bis hin zur Aussage der betreuenden Therapeuten, dass sie eher mit einem Suizid als einem Amoklauf gerechnet haben. Auch die Faszination an Amokläufen, sei es nun der von Winnenden im Jahr 2009 oder jener von Anders Breivik auf der norwegischen Insel Utoya, der auf den Tag genau fünf Jahre vor der Bluttat von München stattfand, stand eher im Fokus der Motivsuche.

Doch es war nach dem Fund von Counter-Strike auf der PC-Festplatte nur zwangsläufig, dass die Politik, allen voran Innenmininster De Maizière, CDU-Fraktionschef Volker Kauder und  die bayerische Staatsanwaltschaft auch Shooter & Co wieder in die Diskussion holen musste. Vermutlich auch angesichts der Aussage, die Kriminaldirektor Hermann Utz zu Protokoll gab: "Mein Eindruck war, der hat sich wie in einem Computerspiel bewegt", fordert De Maizière jetzt, dass man wieder über so genannte "Killerspiele" diskutieren müsse .

Nein, muss man nicht!

Ich bin des Themas mittlerweile überdrüssig. Seit Winnenden gab es zahlreiche Studien, die zusammengefasst zwar eine Verbindung zwischen bestimmten Computerspielen und Aggressionspotenzial sehen. Doch einen kausalen Zusammenhang zwischen Ego-Shootern im Allgemeinen und Counter-Strike im Besonderen sowie der in der Realität ausgeübten Gewalt konnten nur wenige nachweisen – und wenn, dann meist mit zweifelhaften Argumenten. Selbst der seinerzeit an vorderster Front kämpfende ehemalige Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen Christian Pfeiffer hat mittlerweile zu Protokoll gegeben, dass Shooter nicht direkt mit Amokläufen in Verbindung gebracht werden können. Gewiss habe das dauernde Spielen auch Desensibilisierungseffekte, sei aber nur ein Verstärkungsfaktor, so Pfeiffer in „Hart aber fair“ .

Überhaupt wird diese Diskussion abermals nur in Deutschland geführt. Wieso das so ist, kann ich nicht beantworten. Es wird wieder einmal der scheinbar am leichtesten vor die Schlachtbank zu führende Sündenbock gesucht. Obwohl das Medium Computerspiele mit all seinen Facetten in den letzten Jahren mehr und mehr in den Mittelpunkt der Gesellschaft gerückt ist und sich neben Film, TV und Buch etablieren konnte. Vielleicht ist dies ein Ort, an dem die Politik dieses ach so gefährliche Hobby nicht sehen will, da man sich ansonsten auf die eigentlichen Probleme konzentrieren müsste.

Natürlich wäre es besser gewesen, wenn die Staatsanwaltschaft auf seinem Smartphone nur Pokémon Go und auf seinem Rechner vielleicht Die Sims gefunden hätte. Dabei bleibt weiterhin offen, welche Spiele er noch installiert hatte. Oder wieviel Zeit er insgesamt mit den installierten Shootern verbracht hat – vor allem in Relation mit den anderen Spielen, die er ggf. in seiner Steam-Bibliothek gehabt hat. Doch dazu gibt es natürlich keine Angaben. Würde ja auch nicht gut klingen, wenn man sagen würde „Er hat stundenlang FIFA gespielt. Er hat sich auf dem Feld wie in einem Computerspiel bewegt!“

Das Letzte, was dieses Land braucht, ist eine weitere mit Halbwahrheiten und Vermutungen geführte sowie nur auf Angstschürung ausgerichtete Diskussion über so genannte "Killerspiele" – quasi die deutsche Variante von Donald Trumps Amerika-Bild, das er auf dem Parteitag der Repubilkaner zeichnete. Unser Jugendschutz gehört zu den weitreichendsten weltweit, insofern er vom Einzelhandel entsprechend praktiziert und von aufgeklärten Eltern unterstützt wird.

Eine Debatte darüber würde von den eigentlichen Problemen dieser Gesellschaft nur abklenken. Dazu gehört u.a. auch "Social Media" und das damit verknüpfte sowie immer schwerer in den Griff zu bekommende Thema Mobbing, unter dem viele junge Menschen leiden. Darüber hinaus gibt es noch genug andere soziale und kulturelle Spannungen, mit denen sich die Politik oder die Behörden im Rahmen von Präventiverkennung beschäftigen könnten.

Aber Counter-Strike auf einem PC im Jahr 2016? Mittlerweile hat der Shooter weltweit über 22 Millionen Abnehmer gefunden - wahrlich eine Randzielgruppe, die aus diesem Fund etwas Besonderes macht.

Das hat nichts mehr mit Ursachensuche zu tun, sondern einzig und allein mit politischer Profilierung und dummer Hysterie, die ich eigentlich eher bei der AfD als beim Innenminister erwartet hätte.

Mathias Oertel
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