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KW 20
Freitag, 18.05.2018

Ein Call of Duty ohne Kampagne? Dienstverweigerung!


Es gab für mich immer nur einen Grund, mich überhaupt noch jedes Jahr auf ein neues Call of Duty einzulassen: die Kampagne! Klar wirkten die klischeebehafteten Geschichten meist schrecklich konstruiert und trieften nur so vor übertriebenem Patriotismus, von dem man stellenweise sogar ein bisschen angewidert sein konnte. Aber was die bombastische und rasante Inszenierung im Stil von Action-Blockbustern der Marke Hollywood anging, konnte den Studios von Activision kaum jemand das Wasser reichen. Selbst DICE ist es bei Battlefield oder Battlefront bis heute nicht gelungen, ein derartiges Niveau zu erreichen. Man spürte einfach, dass Activision noch in das Einzelspieler-Erlebnis investierte: Da wurden Stars wie Kevin Spacey oder Kit Harrington engagiert, die ebenfalls den Anspruch unterstrichen, mit der Kampagne von Call of Duty nicht nur eine actionreiche Ballerbude, sondern eben auch eine cineastische Erfahrung zu bieten, die mit ihrer explosiven Over-the-Top-Inszenierung an die Werke des US-Regisseurs Michael Bay erinnerte.

Selbstverständlich kann das angesichts der ziemlich stumpfsinnigen Dialoge und abstrusen Situationen nur dann funktionieren, wenn man sein Hirn abschaltet und nicht nach einem tieferen Sinn sucht oder großartig über das reflektiert, was da auf dem Bildschirm passiert. Eben genau wie bei einem Michael-Bay-Film. Doch ließ man sich darauf ein, konnte man trotz diskussionswürdiger Sequenzen wie dem Flughafen-Massaker in Modern Warfare 2, lächerlichen Momenten wie dem Kondolieren auf Knopfdruck und den Gegnerwellen im Moorhuhn-Stil eine unterhaltsame sowie packend inszenierte Shooter-Achterbahnfahr erleben. Kurz gesagt: Die Kampagne stellte für mich immer einen Höhepunkt innerhalb der Call-of-Duty-Reihe dar, mindestens aber ein robustes Standbein, das die Reihe angesichts der zunehmenden Redundanz in den Mehrspieler-Gefechten vor dem Umfallen bewahrte.

Und was macht man bei Activision Blizzard und Treyarch? Man streicht einfach die Kampagne für Call of Duty: Black Ops 4 – also ausgerechnet bei jenem Serien-Ableger, der in der Vergangenheit gerade im Bereich Story ganz eigene und damit erfrischende Wege gegangen ist! Und was macht man stattdessen? Battle Royale – ausgerechnet BATTLE ROYALE! Dieser eine Mehrspieler-Modus, den mittlerweile jedes Studio fast schon verzweifelt aufgreift und dabei hofft, zumindest ein kleines Stückchen vom erfolgreichen PUBG-Kuchen abzubekommen.

Es gab einmal Zeiten, da wollten alle Spiele so sein wie Call of Duty. Nicht nur hinsichtlich der flotten Mehrspieler-Ballereien, sondern auch bei der Kampagne und deren wuchtiger Inszenierung orientierten sich selbst genrefremde Titel am großen Action-Vorbild. Die misslungene Neuausrichtung von Resident Evil vom atmosphärischen Horror- zum seelenlosen Actionspiel dürfte aus ähnlichen Motiven erfolgt sein, warum Activision jetzt diesem Trend hinterher jagt: Die Gier nach Erfolg! Vor allem aber nach finanziellem Erfolg. Man sieht mit Dollarzeichen in den Augen, wie unfassbar viel Kohle dieses kleine Team mit PUBG verdient hat – genau wie man damals bei Capcom die Zahlen von Call of Duty geblendet wurde und mit der eigenen AAA-Marke Resident Evil ebenso in diese Regionen der zig Millionen verkauften Exemplare und Einnahmen vorstoßen wollte. Was aus dieser Anbiederung geworden ist, ist bekannt: Resident Evil verlor seine Identität und mutierte vom Horror-Klassiker zu einer mittelprächtigen Ballerbude, die in der Masse unterging.

Selbstverständlich ist diese Gefahr für Call of Duty kleiner: Auch bei Battle Royale steckt im Kern immer noch ein Shooter. Aber Trends kommen und gehen: Schon jetzt habe ich das Gefühl, dass Hinz und Kunz mit ihren Spielen auf Teufel-komm-raus auf den Zug aufspringen wollen. Der Spielemarkt wird regelrecht überflutet von Battle-Royal-Erlebnissen – ganz ähnlich, wie vor ein paar Jahren plötzlich jeder Hersteller den MMO-Heldenshooter für sich entdeckt hat und glaubte, neben all den Mitbewerbern ganz sicher einen Hit zu laden. Was daraus geworden ist, sieht man an Battleborn und all den anderen Softwareleichen, die gegen die Popularität eines Overwatch einfach chancenlos waren.

Und dieses Schicksal könnte auch Call of Duty drohen – wie eigentlich jeder großen Serie, wenn man plötzlich vom Vorreiter zum Mitläufer wird. Es stellt sich einfach die Frage: Wenn es schon haufenweise Möglichkeiten gibt, sich in Battle-Royale-Matches zu stürzen, warum sollte ich das auch noch bei Call of Duty tun wollen? Es wirkt einfach nur erbärmlich, wie jetzt versucht wird, diesem Trend hinterher zu hecheln. Vor allem, wenn ich im Gegenzug auf eine Kampagne verzichten muss. Hat man bei Activision denn nicht mitbekommen, dass es da draußen immer noch einen Bedarf nach einem Einzelspieler-Erlebnis gibt und diese Rufe gerade in den letzten Monaten immer lauter wurden? Es hat sicher seine Gründe, warum Respawn Entertainment Titanfall 2 eine richtig gute Kampagne spendiert hat, die dem Vorgänger noch fehlte. Oder warum selbst DICE und Electronic Arts bei Battlefront 2 auf die Wünsche der Spieler eingegangen sind, selbst wenn man keinen allzu großen Aufwand in die Geschichte von Iden Versio investiert hat. Immerhin will man sogar beim kommenden Battlefield an einer Kampagne festhalten. Oder man werfe einen Blick auf den Erfolg von God of War oder gar auf ein Wolfenstein, wo zuletzt komplett auf den Mehrspieler-Firlefanz verzichtet wurde. Sind das keine Vorbilder, an denen man sich orientieren kann?

Das alles scheint Activision nicht zu interessieren – vermutlich auch aus rein wirtschaftlichen Gründen. Während man beim Mehrspielermodus und sicher auch beim Battle Royal viele Inhalte und Mechaniken recyceln kann, dürfte die Kampagne immer der höchste Kostenfaktor bei der Entwicklung von Call of Duty gewesen sein. Mit dem Verzicht spart man also schlichtweg einen Haufen Geld! Schaut man sich die Entwicklungen der Mehrspielermodi innerhalb der letzten Jahre an, scheint die Devise zu lauten: Maximaler Ertrag bei minimalem Aufwand! Und auch mit nachträglichen Mikrotransaktionen lässt sich das Konto zusätzlichen füllen. Die sinkenden Verkaufszahlen der Reihe, die vor allem bei Infinite Warfare die Erwartungen nicht erfüllt haben, dürften ihren Teil zu dieser Entwicklung beigetragen haben, obwohl es mit WW2 sicher auch dank der guten Kampagne wieder bergauf ging. Ob man mit dieser abgespeckten Neuausrichtung aber an die großen Erfolge der Vergangenheit anknüpfen kann? Ich wage es zu bezweifeln, denn ich bin sicher nicht der Einzige, der Call of Duty nach dieser bedenklichen Entwicklung den Rücken zuwenden wird. Da hilft auch der aufgeblasene Zombie-Modus als Entschädigung nicht viel, der für mich ohnehin immer nur eine nette Ergänzung dargestellt und niemals den Spielspaß oder das Niveau eines Left 4 Dead erreicht hat.

Nach der Enthüllung steht für mich fest, dass ich dem Ruf der Pflicht in diesem Jahr ganz sicher nicht Folge leisten werde. Ohne Kampagne lässt Activision mir keine andere Wahl: Ich werde den Dienst quittieren und mich stattdessen lieber der Konkurrenz zuwenden, die weiterhin ein Komplettpaket aus Mehrspielergefechten UND Kampagne bietet anstatt wertvolle Inhalte für das Ausschlachten irgendwelcher inflationärer Trends zu opfern.

Michael Krosta
Redakteur

 

Kommentare

Alex Roivas schrieb am
Die Kolumne ist ja ganz nett geschrieben, gerade der Teil das alle mal sein wollten wie CoD und nun CoD sein möchte wie irgendwas ist halt der Knackpunkt und gut auf den Punkt geschrieben.
Aber dann willkürlich zu behaupten der Zombiemodus sei nur eine nette dreingabe aber nicht zu vergleichen mit dem L4D Zombiemodus der ja viel viel krassa sein soll und ausgefeilter ist Blödsinn direkt aus der Videospielesteinzeit.
L4D war ganz nett, aber sowas über den Zombiemodus zu schreiben ist nicht nur frech und dumm sondern zeigt in einem hohen Maße das man sich nur was rethorisch nettes günstig zusammenfabuliert durch die Tastatur hämmert aber sowas von Unwissenheit zutage fördert das man sich damit direkt für so eine Kolumne disqualifiziert.
Der Zombie Modus ist vom Gameplay und der Story und dem Inhalt mit nichts von L4D zu vergleichen. Das sind zwei andere Welten. L4D sieht gegen den Zombiemodus nicht mal aus wie eine Omega Version aus.
Ich würde sogar behapten das eine einzige bestimmt Map mehr Inhalt hat als alle L4D Teile zusammen. Ja Eisendrache oder Shadows of Evil alleine würden L4D traurig und allein da stehen lassen.
Herr Kaf-fee-trin-ken schrieb am
Also ich find die Idee ganz gut, allerdings nur für mich persönlich. Hab sehr viele CoD's auf der höchsten Stufe durchgedaddelt, und mir steht's echt bis Oberkante Unterlippe.
Außerdem gefällt mir sowieso schonmal Battle Royale. Das dann auch noch in Verbindung mit dem arcadigen CoD-Gunplay, plus das Black Ops Setting, klingt für mich super. Und was ich noch total cool finde, wenn ich den Trailer richtig verstanden habe - die Karte besteht aus beliebten Black Ops Maps. Geile Idee!
Ich freu mich drauf, tut mir aber trotzdem leid, dass einige Spieler jetzt die zweifelsfrei unterhaltsamen Kampagnen nicht mehr bekommen.
Minando schrieb am
Es wird gemacht was sich gerade verkauft. Wenn die Analysten zur Zeit sagen 'Einzelspiel ist out' und die Zahlen ihnen recht geben gibt's eben eine Weile nur Mehrspielermodus und Handyspielchen.
Bis auch die irgendwann keiner mehr sehen kann und die Mode wieder wechselt.
Nur Geduld, kommt alles wieder, auch die Kampagnen :Vaterschlumpf:
Virus3 schrieb am
Jap beste Beispiel wie man eine "Marke" herunterwirtschaftet und Fans verliert.
Angefangen hat es doch schon, als das Spiel nur noch reines Run and Gun wurde und mit Zukunftsschnickschnak....
sourcOr schrieb am
ich hab die halt immer (wenn überhaupt) nen Jahr später gekauft und dann waren sie nur für die Kampagne auch net zu teuer
schrieb am