PC: Die Shooter-Plattform?
Ach, was waren das noch Zeiten, als ich mich Ende der Neunziger bis hin zu den ersten Abschnitten des neuen Jahrtausends regelmäßig mit meinen "Sessionbrüdern" zu LAN-Parties verabredet habe, bei denen die ganze Nacht durchgeballert wurde. "Unreal Tournament", "Quake 2+3", "Counterstrike", "Battlefield" und "Operation Flashpoint" - alles Namen, mit denen ich diese geile Zeit unweigerlich in Verbindung bringe.
Allerdings war ich einer der wenigen in unserem Zockerkreis, der sich auch für Konsolen begeistern konnte. Mir wurde schnell bewusst, dass ich PlayStation & Co in den meisten Genres immer mehr dem PC bevorzugte. Aber Shooter an einer Konsole zocken? Pah, geh weg! Obwohl ich mich schnell mit dem Controller anfreunden konnte, stand für mich fest: Shooter müssen mit Tastatur und Maus gespielt werden! Und das am PC, der nebenbei auch noch mit einer hohen Auflösung punkten konnte. Nur mit der Nase dicht vor dem Monitor hat mich das Geschehen richtig gepackt. Nur so konnte die Jagd auf Frags Spaß machen! Wer will denn weit entfernt vom Sofa aus auf ein niedrig aufgelöstes TV-Bild starren? Unmöglich! Gut, es gab Ausnahmen: Acclaims Alien Trilogy war auf der PSone der Hammer - und das nicht nur aufgrund der beklemmenden Atmosphäre. Auch das ägyptisch angehauchte Exhumed zeigte schon damals, dass Ego-Shooter auf einer Konsole durchaus Spaß machen können.
Doch erst Sega schaffte es mit dem Dreamcast, dass Konsoleros nicht länger neidisch auf die PC-Fraktion blicken mussten: Mit angeschlossener Tastatur und Maus ballerte es sich hier genau so schön, schnell und präzise wie am PC - selbst die Auflösung konnte dank einer VGA-Box erhöht werden, auch wenn der PC im direkten Vergleich bei Quake 3 und UT grafisch immer noch die Nase vorn hatte! Leider war die Dreamcast-Zeit viel zu schnell vorbei und damit die Chance vertan, dem PC seine Vormachtstellung im Shooterbereich streitig zu machen. Zwar gab es auch auf der PS2 Highlights wie die TimeSplitters-Serie und andere Vertreter wie James Bond, doch hatte der PC weiterhin die Oberhand, wenn es um Actionspiele aus der Ich-Perspektive ging.
Dass ausgerechnet das Unternehmen die Wende einleiten würde, das hauptsächlich mit dem PC assoziiert wird, hätte wohl niemand gedacht. Aber Microsoft kaufte die Entwicklerschmiede Bungie, die gerade an dem heiß erwarteten Shooter Halo werkelte, und sorgte vorsätzlich dafür, dass der potenzielle PC-Vorzeigetitel vorerst exklusiv für die eigene Xbox-Konsole erschien. Ein Skandal, der die PC-Gemeinde aufschreien ließ! War dieser Schritt vielleicht der Anfang vom Ende? Schaut man sich heutige Releaselisten an, dann fällt auf, dass der PC seine exklusiven Schlachtschiffe und seine Vormachtstellung im Shooter-Genre verloren hat. Nur Cryteks Technik-Feuerwerk Crysis hält noch die PC-Flagge hoch - dicht gefolgt von Ubisofts Far Cry 2. Aber wie lange noch? Die Gerüchte häufen sich, dass Crysis sich bereits auf halbem Weg in Richtung Konsolen befindet. Daneben freuen sich PS3- und 360-Besitzer auf exklusive Ballerkost wie Killzone 2 oder Halo 3. Selbst PC-Serien wie Battlefield setzen mit aktuellen Auskopplungen wie Bad Company voll auf die aktuelle Konsolengeneration, während der PC außen vor bleibt. Konsolen als schlechte Gesellschaft für Ego-Shooter? Von wegen! Da können PCler ja schon fast froh sein, dass Hersteller wie Vivendi mit Timeshift oder Epic mit Unreal Tournament 3 weiterhin auf der Multiplattform-Schiene fahren.
Selbst diese Freude wird getrübt: Schaut man sich Taktik-Shooter wie R6: Vegas an, beklagen sich PC-Anhänger, dass die Serie viel zu actionlastig geworden sei. Tatsächlich scheint es mittlerweile so, als würden Shooter in erster Linie für Konsolen konzipiert und dann - in manchen Fällen sogar erst später - für den PC-Einsatz umgesetzt. Hier bekommt der Maus- und Tastatur-Fetischist nicht mehr nur seine Lieblingskombination angeboten. Nein, wer heute bei einem PC-Shooter einen Blick in die Optionen wirft, wird feststellen, dass die meisten Spiele alternativ den Einsatz des 360-Pads am PC anbieten. Hat am PC jetzt etwa auch die Steuerung via Maus und Tastatur bei Ego-Shootern ausgedient? Nein, noch nicht ganz. Echte Profis schwören nach wie vor auf das präzise Zielen mit der Maus. Aber der Kreis wird kleiner: Einer meiner Freunde ist ein Vorzeigebeispiel eines PC-Spielers, der mit Konsolen nie etwas anfangen konnte. "Auflösung ist zu niedrig, Steuerung mit Gamepad viel zu lahm." Das waren seine Standpunkte. Doch ich habe ihm bei Besuchen immer wieder das 360-Gamepad in die Hand gedrückt und so summierten sich die Stunden mit R6: Vegas, Halo 2, Black, Prey und wie sie alle heißen. Zwar greift er am PC immer noch lieber zu Tastatur und Maus, aber das 360-Pad hat sich mittlerweile auf seinem Schreibtisch hinzu gesellt, weil "das ja doch gar nicht so schlimm ist, wenn man sich mal dran gewöhnt hat". Der erste Schritt ist für viele PC-Veteranen bereits getan, der zweite vielleicht noch ein Gedankenspiel: die Anschaffung einer Xbox 360 oder PS3. Eine Konsole. Undenkbar! Ist dieser Schritt wirklich der letzte Ausweg für alle PC-Besitzer, die auch in Zukunft hochwertige Shooter-Kost genießen wollen? Ist Crysis das letzte große Aufbäumen, das noch einmal die technische Überlegenheit des PCs als Shooter-Plattform zeigt und sie aus der Krise führen kann?
Michael Krosta
Redakteur
[Ihr wollt wissen, welche PC-Shooter noch dieses Jahr im Anmarsch sind? Dann ab zum Special! Anm. d. Red.]