Knopfdruck-Deckung? Ja, bitte!
Genau wie Ben, so bin auch ich einer dieser Langsam-Spieler, die selbst in flotten Arcade-Shootern à la Quake noch im Schneckentempo von Wand zu Wand pirschen und dabei versuchen, die Lage genau zu checken, bevor der Sturmangriff folgt. Man könnte auch sagen, dass ich das OPA-Prinzip von
Rainbow Six total verinnerlicht habe: Observe, Plan, Assault - beobachten, planen, zuschlagen. Und wo wir schon bei der Regenbogen-Spezialeinheit sind: Ich halte das aktive Deckungssystem von R6: Vegas für das Beste, was es momentan in dieser Richtung gibt. Einfach die Schultertaste gedrückt halten, schon presse ich mich an die Wand, von der ich flott an Ecken hervorschnellen und losballern kann - sei es mit gezielten Schüssen oder blindem Rumgeballer. Will ich mich aus der Deckung lösen, lasse ich die Taste wieder los. Ganz schnell, ganz einfach, ganz intuitiv. Von daher kann ich Bens Ansicht nicht nachvollziehen, wonach man nicht schnell genug wieder aus der Deckungsposition heraus kommt. Gut, es ist nicht überall der Fall: In der Vorschau zu Metal Gear Online hat es mich z.B. massiv gestört, dass die Figuren zu lahmarschig in der Deckung agieren. Wenn schon ein Deckungssystem auf Knopfdruck, dann muss es auch flutschen! Wie bei
Gears of War. Oder
Ghost Recon: Advanced Warfighter. Oder halt Vegas. Beispiele gibt es genug, wo es funktioniert. Gerade in Sin City hat mir dieses System einige der intensivsten Schusswechsel der letzten Jahre beschert! Wenn die Kugeln aus allen Richtungen ganz nah am Kopf vorbei pfeifen, die Kamera bei jedem Einschlag wackelt und schon der Putz von der Wand bröckelt, steigt bei mir der Puls und sorgt für einen gewaltigen Adrenalin-Kick. Von Langeweile keine Spur! Ganz im Gegenteil: Ich bin total angespannt, das Herz rast und ich wäge nervös ab, wann ich zur nächstmöglichen Deckungsmöglichkeiten vorpreschen kann, ohne von den Kugeln durchlöchert zu werden wie ein Sieb. Das ist Action. Das ist Spannung. Das ist die optimale Mischung aus vermeintlicher Sicherheit und tödlicher Gefahr. Das ist der Kick, den ich bei einem modernen Videospiel haben will! Ich will eine Inszenierung wie in Hollywood, bei der ich im Idealfall sehen kann, wie mein Protagonist geduckt hinter einer Mauer kauert, anstatt einfach nur in der Ego-Ansicht ständig ein paar Schritte zur Seite zu machen. Stellt euch mal vor, wie lächerlich das in einem Film aussehen würde... Nein, dann lieber ein richtiges Deckungssystem mit Helden, die auch mal den Kopf einziehen! Auch ein Bruce Willis hält in Stirb Langsam nicht immer nur drauf, sondern muss sich auch mal Schutz suchen. Ja, ich mag diese Art der Inszenierung. Ja, ich kann selbst den "szenischen Eskapaden" eines Michael Bay etwas abgewinnen.
Und was in einem actionreichen Taktik-Shooter wie Vegas und 3rd Person-Titeln wie Uncharted oder Gears of War funktioniert, kann doch auch für eine reinrassige Ego-Ballerorgie nicht schlecht sein, oder? Dieser Meinung scheinen jedenfalls auch die Jungs von Guerilla Games zu sein, denn das lang erwartete
Killzone wird auf der PS3 ebenfalls mit dem "Lean and Peak"-System eine Knopfdruck-Deckung bieten, die im Prinzip genau so funktioniert wie bei R6: Vegas, ohne dabei jedoch die Ego-Ansicht zu verlassen. So blinzelt ihr bei gedrückter Schultertaste mit den Augen eures Soldaten vorsichtig um die Ecken oder über eine Mauer und verschafft euch so einen guten Überblick über die heran nahenden Feinde. Die bleiben übrigens nur selten langweilig an einer Position, sondern arbeiten sich ebenfalls langsam an euch heran, was für weitere Spannungsmomente sorgt, da ihr die Kerle manchmal aus den Augen verliert. Fühle ich mich jetzt festgenagelt, nur weil ich mich in Deckung befinde? Nein, denn kaum lasse ich dich Taste los, bin ich auch schon wieder "frei". Wenn ich genau drüber nachdenke, fallen mir nur wenige Action-Titel mit einem Deckungssystem ein, bei denen ich lange auf Knöpfen rumdrücken und ewig warten muss, um mich in die Schutzposition zu begeben oder mich zu lösen. So gehen die Figuren in
Kane & Lynch automatisch an jeder geeigneten Stelle in Deckung - das gleiche Prinzip findet ihr in Ubisofts GRAW-Serie. Da ich mich auch in dieser Position meist noch an der Wand entlang bewegen kann, ist man hier zwar in der Bewegungsfreiheit etwas eingeschränkt, aber alles andere als festgenagelt, zumal ich mich ruckzuck mit dem Analogstick wieder "befreien" kann. Deshalb empfinde ich ein aktives Deckungssystem insgesamt viel mehr als eine Bereicherung des Spielablaufs - vor allem im Hinblick auf Aktionen wie Blindfire, das im Fall von
Army of Two oder dem neuen
Brothers in Arms gezielt als Ablenkung eingesetzt werden kann. Klar, ich habe auch manchmal Spaß an sinnlosen Ballereien mit einem exorbitant hohen Bodycount, durch die ich mich in bester Rambo-Manier durchbeiße. Hallo,
Serious Sam. Auch solche Spiele muss es geben.
Aber mittlerweile ist mir das Prinzip eines aktiven Deckungssystems so sehr ans Herz gewachsen, dass ich es in manchen Titeln der letzten Monate sogar vermisst habe, so z.B. in
Frontlines: Fuel of War oder auch
Call of Duty 4. Vor allem finde ich es dann ärgerlich, wenn ich die KI-Schergen dabei beobachte, wie sie vorsichtig hinter Kisten und Mauern Deckung suchen, dabei vorsichtig um Ecken schauen und gut geschützt das Feuer eröffnen, während ich als Spieler aufgrund einer eingeschränkten Spielmechanik nicht dazu in der Lage bin. Deshalb kann ich nur hoffen, dass die Entwickler in Zukunft noch mehr Wert auf ein aktives und gut funktionierendes Deckungssystem legen, denn es ist für mich genau so aufregend im Kugelhagel mit der Waffe im Anschlag an einer schützenden Wand zu kleben wie mir einen offenen Schlagabtausch auf Schlachtfeldern zu liefern.
Michael Krosta,
RedakteurIhr könnt mit Knopfdruck-Deckung nichts anfangen?
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