Quo Vadis 2009
24.04.2009 02:42, Julian Dasgupta

Das Archivieren von Spielen

Werden unsere Nachkommen noch wissen, welche Spiele wir konsumiert haben? Dies sei eine Frage, die sich immer mehr Archivare weltweit stellen, wie Andreas Lange vom Computerspiele Museum auf den Deutschen Gamestagen ausführte. Da Spiele mittlerweile vielerorts als Kulturgut anerkannt würden, gebe es langsam aber sicher ein Bewusstsein dafür, dass sie auch irgendwie bewahrt werden müssen für kommende Generationen.

Da sei nicht immer selbstverständlich gewesen, so Lange, der auf eine E-Mail verweist, die ein Activision-Mitarbeiter 1995 an eine auf Emulatoren spezialisierte Usenet-Gruppe geschickt hatte: Dem 1979 gegründeten Hersteller, der sich im Lauf der Zeit mehrmals gewandelt hatte, fehlten u.a. ein paar hauseigene Produktionen aus alten Tagen.

Spiele seien die ersten großen "digital born artefacts" gewesen, und im Gegensatz zu alten Schriften gebe es bei digitalen Daten eine kleine Besonderheit: Die Nullen und Einsen seien ohne ihren Kontxt - z.B. eine Hardwareumgebung und ein bestimmtes Betriebssystem - nicht eindeutig interpretierbar, könnten also u.a. Bild- oder Audiodaten sein. Dafür hätten digitale Daten aber auch eine positive Eigenschaft: Die Kopie gleicht dem Original.

Generell gebe es technische, rechtliche und wissenschaftliche Aspekte bei der Archivierung zu beachten. 'Bit rot' also das 'Verrotten' von Bits sei von Anfang an ein Thema gewesen, da Bänder und Floppy-Disks im Laufe der Zeit entmagnetisiert würden. Auch Daten wie CDs und DVDs würden keinesfalls ewig, sondern je nach Qualität vielleicht 10 bis 20 Jahre halten. Um den Datenverlust zu vermeiden, müsse man also Spiele in regelmäßigen Abständen auf ein neues Medium kopieren.

Auch in der Hardware gebe es Verfallsprozesse: Selbst wenn man einen Computer gar nicht nutze, werde dieser nach schätzungsweise 30 bis 40 Jahren nicht mehr funktionstüchtig sein. Da der letzte C64 1992 vom Band lief, könne man basierend auf jener Prognose davon ausgehen, dass es ungefähr ab 2032 keinen funktionierenden Rechner seiner Art mehr geben wird. 40 Jahre, so Lange, seien aus der Sicht eines Archivars nur ein sehr kurzer Zeitraum.

Langfristig gebe es in diesem Fall nur eine Lösung: Emulatoren. Die habe es zwar schon seit Anbeginn aller Zeiten gegeben im Rahmen der Softwareentwicklung, bei Spielen seien es aber Fans und Nostalgiker gewesen, die die Entwicklung voran getrieben und ihrerseits die Grundlagen für das Bewahren von Spielen geschaffen hätten; siehe auch Projekte wie MAME oder WinUAE .

Mit jedem neuen Betriebssystem müssten aber auch die Emulatoren portiert werden. Das sei im Moment noch kein großes Problem, weil es viele Enthusiasten gebe, die das in ihrer Freizeit machen würden. In 20 bis 30 Jahren wäre das aber vielleicht nicht mehr der Fall, da eine Generation von Spielern dann schon abgetreten sein wird, und jüngere Spieler möglicherweise kein Interesse an uralten Spielen hätten.

Mit dem von der EU geförderten KEEP-Projekt (Keep Emulation Environments Portable) gibt es jetzt ein Vorhaben, dieses Problem anzugehen. So soll eine Softwareumgebung (eine Virtual Machine) geschaffen werden, in der die Emulatoren dann laufen sollen. Dazu müssten jene Emulatoren einmalig auf die VM portiert werden. Für kommende Rechner- und Betriebssystemgenerationen muss dann nur noch eben jene VM umgesetzt werden, was logistisch und kostentechnisch deutlich einfacher zu bewerkstelligen ist. KEEP soll eine Art Framework für Emulatoren bilden, mit dem man den Entwicklern auch ganz bestimmte Funktionen anbieten möchte.

Angestoßen wurde das Projekt übrigens von der Französischen Nationalbibliothek. Die hat schon seit 1994 den staatlichen Auftrag, auch Spiele zu archivieren, werden diese in Frankreich doch schon seit geraumer Zeit als Teil des Kulturguts erachtet.

Aus rechtlicher Sicht sei natürlich besonders der Kopierschutz problematisch. In den USA sei 2003 auf Betreiben des gemeinnützigen Internet Archives ein Zusatz zum Digital Millenium Copyright Act hinzugefügt sorgen, der das Konstrukt um eine explizite Ausnahme ergänzt: Das Umgehen eines Kopierschutzes ist dann zulässig, wenn die für das Spiel benötigte Hardware nicht mehr verfügbar oder nicht mehr gängig ist, und wenn das Kopieren der Archivierung des Spiels gibt.

In hiesigen Gefilden habe man eine ähnliche Änderung ebenfalls beantragt, sei aber bisher ignoriert worden, erläutert Lange. Man hoffe jetzt auf die dritte Evaluationsperiode.

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