Hellblade: Senua's Sacrifice
16.10.2015 06:18, Benjamin Schmädig

Tameem Antoniades: "Es gibt keinen Grund, dass sich Spiele nicht um ernste Themen drehen können."

Wie viele ernste Themen verträgt ein Videospiel? Um diese Frage ging es in einem Gespräch des britischen Magzins Develop mit Tameem Antoniades, der als kreativer Kopf von Ninja Theory seit vielen Jahren Spielfiguren mit Charakterzügen und Motiven erschafft, die über den Willen die Welt zu retten, hinausgehen. In Hellblade stellt der Schöpfer von Heavenly Sword, Enslaved und DmC: Devil May Cry immerhin eine Kriegerin in den Vordergrund, die nicht nur gegen eine greifbare Bedrohung bekämpft, sondern auch mit ganz persönlichen Dämonen ringt: Die Heldin erlebt Symptome, die mit Schizophrenie und anderen Krankheiten in Verbindung gebracht werden.

Für Antoniades stellt sich dabei gar nicht die Frage, ob Spiele derartige Themen überhaupt anpacken sollten: "Ich finde nicht, dass Bücher und Filme in anspruchsvolle Bereiche vordringen dürfen, Spiele aber nicht. Es gibt keinen Grund, dass sich Spiele nicht um ernste Themen drehen können, wenn man sie als Medium für voll nehmen will."

Das Vorhandensein glaubwürdiger Charaktere würde das Erlebnis zudem nicht schmälern. Der Spielemacher weist darauf hin, dass er ein packendes Fantasyspiel erschaffen und der Protagonistin lediglich eine Persönlichkeit verleihen wolle, die den Spieler stärker an das Abenteuer fesselt - ähnlich wie es die Uncharted-Serie seiner Meinung nach tut.

Überhaupt interessiere Antoniades die Fantasy - nicht ihre genretypischen Klischees wie die aus Der Herr der Ringe, sondern eine auf Erfahrungen des echten Lebens beruhende. Denn wie er erklärt: "Ein anderer Aspekt, der mich reizt, ist die Fantasie, Kreativität und das Woher dieser Dinge - die Fähigkeit unseres Gehirns, Bilder und ganze Welten entstehen zu lassen. Je tiefer ich in Aspekte wie psychotische Erkrankungen vordrang, desto klarer wurde mir, dass das, was [betroffene] Menschen erleben, eine Erweiterung dessen ist, was wir alle erleben. Wir träumen ununterbrochen, halluzinieren, erschaffen Welten um uns herum. Je mehr man das Thema wissenschaftlich betrachtet, desto mehr wird einem klar, wie wenig dessen, was wir erleben, real ist."


Auf diese Weise wolle Ninja Theory also Spiel mit Wirklichkeit vereinen und eine Figur erschaffen, deren Erlebnisse real und trotzdem fantastisch sind.

Könnten Spiele solche besonderen Zustände auf eine Weise darstellen, wie es Büchern und Filmen nicht möglich ist? "Tatsächlich", mein Antioniades, "das war teilweise mein Aha-Moment." Wo die älteren Medien nur beschreiben könnten, was eine Figur sieht oder hört, sei es beim Spielen möglich, diese Erfahrungen mit eigenen Augen und Ohren wahrzunehmen.

Antoniades spricht in dem Interview auch über seine Zusammenarbeit mit einem Psychiater und Neurowissenschaftler sowie über das Treffen seines Teams mit Patienten, die von ihren Symptomen erzählten. U.a. aufgrund dieser eindringlichen Erzählungen sei es ihm wichtig, das Thema richtig zu verarbeiten. Dies sei bisher weder in Spielen noch in Filmen geschehen.

Missverständnisse will der Kreativkopf trotzdem vermeiden: "Am Wichtigsten ist mir das Erschaffen einer mitreißenden Geschichte über eine Kriegerin, die aufgrund der Gewalt, die sie gesehen hat, nun mal unter einer schweren Geisteskrankheit leidet. Nur darum geht es."

Vor eventuellen zurückweisenden Reaktionen fürchte sich Antoniades dabei nicht. Immerhin entstehe das Spiel mit einem so überschaubaren Budget, dass Ninja Theory nur solche Spieler ansprechen müsse, die ein echtes Interesse an dem Spiel haben. "Wir wollen die Leute nicht von etwas überzeugen, von dem sie nicht überzeugt sind", so Antoniades.

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