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24.07.2012 12:36, Julian Dasgupta

Blow: "Konsolen-Vorschriften sind veraltet"

In der vergangenen Woche hatte Polytron verlauten lassen, dass man den Patch für Fez in seiner Originalform wieder bei Xbox Live verfügbar machen wird. Das Update fixt diverse Bugs und Performance-Probleme, war aber schnell wieder vom Netz genommen worden, nachdem sich gezeigt hatte, dass bei einigen Nutzern die Speicherstände gelöscht werden.

In einer mittlerweile wieder gelöschten Botschaft beschwerte sich Phil Fish über die Kosten, die für eine erneute Zertifizierung eines reparierten Patches fällig geworden wären. Da der Bug laut Polytron weniger als ein Prozent der Spieler betrifft, habe man beschlossen, das Update unverändert vom Stapel laufen zu lassen. (Ein kostenloser Patch steht allen Entwickler zu - ab dem zweiten werden Zertifizierungsgebühren erhoben. -Anm. d. Red.)

Viel Verständnis gab es dafür aber nicht: Die Entwickler hätten den Vertrag mit Microsoft schließlich mit dem Wissen um die Vorschriften und Bedingungen unterschrieben. Gegenüber Ars Technica  ließ Derek Yu z.B. verlauten, die Kosten und Limitationen hätten ihn nicht von der XBLA-Fassung von Spelunky abgehalten - er habe eben ein Konsolenspiel entwickeln wollen. Das gesamte Unterfangen sei natürlich sehr einschränkend - man sollte sich das auch wirklich nur dann antun, wenn man die Ressourcen dafür hat und wirklich unbedingt auf einer Konsole präsent sein möchte.

Microsoft antwortete zwei Tage später in etwas höflicherer, aber doch auch recht eindeutiger Form: Es sei an den Entwicklern zu bestimmen, welches Qualitätsniveau für ihr Spiel akzeptabel ist. Man habe auch versucht, eine Lösung auszuarbeiten, mit der sichergestellt wird, dass die Kosten für die Zertifizierung nicht das entscheidende Hindernis sein werden. 

Konsolenbedingungen im Visier

Auch wenn die Sympathiebekundungen für Fish überschaubar sind, so wird wegen seiner Äußerungen durchaus mal wieder über die Patch- und Release-Politik auf Konsolenplattformen diskutiert. Das Ansinnen Microsofts ist recht klar: Mit den Zertifizierungsgebühren, die ab dem zweiten Update gezahlt werden müssen, will der Hersteller erreichen, dass die Entwickler nicht allzu unfertige Produkte auf den Markt werfen und angehalten sind, den Patch-Bedarf nicht ausufern zu lassen. Auch gibt es zahlreiche Richtlinien für allerlei Details wie Länge von Logo-Einblendungen oder Lade-Bildschirme, mit denen gewisse Standards gewahrt werden sollen.

Auch wenn Zertifizierungskosten bei allen Herstellern erhoben werden, so stand doch insbesondere Microsoft im Mittelpunkt der Kritk einer im vergangenen Jahr erhobenen Umfrage unter Indie-Entwicklern. Während Plattformen wie PC/Mac/Steam und iOS gelobt wurden, schnitt XBLA besonders schlecht ab, als es um die Einfachheit der Entwicklung ging.

Ron Carmel von 2D Boy (World of Goo) orakelte schon damals, dass jener Download-Kanal mittelfristig Probleme bekommen könnte hinsichtlich der Qualität der Spiele und des Anreizes für kleine Entwickler. So forderte er einfachere und fairere Verträge, denn das, was er da zu Gesicht bekommen hatte, sei der "ausbeuterischste und einseitigste Distributionsvertrag, den ich je gesehen habe." Auch müsse der Hersteller XBLA besser bewerben und die Einstiegshürden senken, hieß es da.

Im Ars-Artikel lobt Robert Boyd von Zeboyd (Cthulhu Saves the World) die vielen frühen Verdienste Microsofts wie die Einführung des Xbox Live Indie Games-Kanals - seitdem habe es aber nur noch Stillstand gegeben, während alle anderen sich stärker um den Indie-Bereich bemühten. Das Beharren auf eine temporäre Plattform-Exklusivität - ein schon im vergangenen Jahr heiß diskutiertes Thema - sei auch der Grund gewesen, dass man bei Penny Arcade's On the Rain-Slick Precipice of Darkness 3 einfach die Steam-Version portierte und auf XBLIG veröffentlichte, anstatt sich um einen XBLA-Launch zu bemühen.

Derzeit würde das Portfolio auf XBLA prächtig aussehen - falls Microsoft aber auch in den kommenden Jahren noch Entwickler anlocken will, müsste der Hersteller zumindest die Patch-Vorschriften etwas lockern. Es sei unrealistisch, dass selbst eine sehr gute Testabteilung sämtliche Bugs in einem Spiel oder Update findet.

"Patch-Prozedere nicht mehr zeitgemäß"

Jonathan Blow findet, dass die Vorschriften bei allen Konsolenherstellern nicht mehr zeitgemäß sind. Sein Braid war bekanntermaßen zuerst auf XBLA (Publisher: Microsoft) veröffentlicht worden. Als primäre Plattform für sein The Witness gilt derzeit der PC.

"Die Zertifizierungsprozesse all dieser Plattformbetreiber basierten auf der Idee, dass all diese Schritte, die sie da testen, absolut notwendig sind, damit Software robust läuft, und dass Software-Robustheit superwichtig für die Gesundheit einer Plattform und ihre Wahrnehmung seitens der Kunden ist.

Aber schau dir iOS an. Da gibt es so gut wie keinen Zertifizierungsprozess, also müssten Apps der Theorie von Microsoft/Sony/Nintendo zufolge laufend abstürzen, alle sollten denken, dass iOS schlecht ist, etc. Faktisch gesehen ist das aber nicht das, was passiert. Es gibt keinen öffentlichen Aufschrei für mehr Tests und Robustheit von iOS-Software."

Mit den Zertifizierungsvorschriften würden die Hersteller Entwickler ziemlich gängeln - Blow spricht von "Micromanaging" - und z.B. Dinge wie die "Schalten Sie die Konsole nicht aus, während gespeichert wird"-Nachricht vorschreiben. Die benötigten Ressourcen, um all jene winzigen Details zu berücksichtigen und zu testen, könnte man doch lieber für das eigentliche Spiel verwenden.

"Den Vorteil, den Apple und Valve hinsichtlich der Zukunft ist, ist der Umstand, dass es ihnen wirklich um das Erlebnis des Endkunden geht, dass dies so gut wie möglich sein muss. Was zufälligerweise genau der Bereich ist, der bei den Konsolen durch ihre Unternehmenskultur beschnitten ist. Kann jemand einen Blick auf die derzeitigen 360- oder PS3-Dashboards werfen und ernsthaft behaupten, dass dies die Produkte von jemandem sind, dem das Nutzererlebnis wirklich am Herzen lieg?"

Die Kritik Blows an den Nutzeroberflächen ist nicht neu: Schon vor einigen Monaten hatte er gefragt, wer denn überhaupt die ganze Kinect-Funktionalität des Dashboards wirklich verwendet. Änderungen in der unmittelbaren Zukunft erwartet Blow momentan nicht: Er befürchte, der derzeitige Status sei "zu sehr in der DNA der Hersteller verankert."

"Wenn das auf den Next-Gen-Konsolen genauso wie auf den derzeitigen laufen sollte, dann werden sie in diesem Marktumfeld funktional veraltet sein. Denkt daran, dass sie mit dem iPad 4, 5, 6, 7, 8 und 9 konkurrieren werden. Irgendeine Idee, wie das iPad 5 oder 6 aussehen wird, wie leistungsstark es sein wird, welche Vorteile das Nutzererlebnis haben wird? Ich sicherlich nicht."

Update: Blow war so frei, seine Email in ungekürzter Form auf dem Witness-Blog zu veröffentlichen. Darin erläutert er an zwei Beispielen, warum viele der Vorschriften seiner Meinung nach unsinnig sind. Auch rechnet er vor, wie viel Zeit durch die zusätzlichen Tests benötigt wird.

Abschließend ergänzt Blow noch: Er wisse, dass Microsoft, ebenso wie Sony, davon überzeugt ist, dass sie jene Probleme mit der nächsten Konsole lösen werden und ihre Plattform offener für Free-to-play-Konzepte und Download-Spiele im Allgemeinen machen werden. Es würde ihn schon sehr überraschen, falls das gelingen sollte. Große Unternehmen würden häufig zu wenig tun und denken, sie seien radikal und risikofreudig, wenn sie in Wirklichkeit eher nur zahm handeln und eine leichte Änderung am Status Quo vornehmen würden. Die Konkurrenz würde ja auch nicht schlafen, so Blow u.a. mit Verweis auf Steam. Dort habe man das Update-System für Entwickler nochmal vereinfacht, obwohl es schon vorher wesentlich besser als auf den Konsolen gewesen sei.

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