Der 4P-Kommentar
16.03.2007 11:24, Julian Dasgupta

Wii Online - Zerrückt in die Zukunft

Wii vermag nicht nur durch seine neuartige Steuerung zu beeindrucken, Nintendo plant jetzt sogar, Zeitreisen zu ermöglichen. Und zwar zurück in die Zeit, in der spiele-spezifische Freundeslisten noch für eine gute Idee gehalten wurden. Schätzungsweise also irgendwann vor 2003.

Frühere Gerüchte ließen schon Derartiges erahnen, spätestens aber als Gamespy und Nintendo versprachen, dass die Wii-Online-Erfahrung einen ähnlichen "Nutzerkomfort" wie der DS-Ansatz bieten würde, schwante auch Optimisten Böses.

Mittlerweile hat Gamespy auf Nachfrage bestätigt, dass es tatsächlich keine spieleübergreifenden Friend-Lists geben wird. Was, so GameSpy, für alle Wii-Spiele mit Onlinefunktionalität gelten dürfte.

Eine Freundesliste für jedes Spiel anlegen - ein Konzept, das auf dem Papier durchaus mal gut ausgesehen haben könnte. Schließlich spielt ja nicht jeder, der Mario Kart mag, auch Metroid Prime. In der Praxis hält dieses Gedankengebäude allerdings ungefähr so lange stand wie ein Kartenhaus bei Windstärke 8.

Denn viele spielen oft genreübergreifend mit der gleichen Gruppe von Spielern - seien es Freunde, Kollegen, Mitschüler oder Mitglieder eines vertrauten Internetforums. Und die Vorstellung, jene Mitspieler für jedes Spiel in eine separate neue Liste eintragen zu müssen, wirkt nicht unbedingt spaß-induzierend.

Unternehmungen wie Xbox Live oder Xfire haben gezeigt, wie man derartige Konzepte sinnvoll umsetzen kann. Ein unifizierender Ansatz fördert den Aufbau einer Community, ein spielebezogener, separierender hingegen birgt die Gefahr, sie zu fragmentieren.

Erlauben es Xfire & Co., einen schnellen Überblick darüber zu gewinnen, wer von meinen Freunden gerade online ist, und was sie spielen, dürfte dies bei Nintendos Ansatz in ein gar fröhliches Durcharbeiten der einzelnen Spiele ausarten, falls in ein paar Titeln nicht genügend Spieler vorhanden sind. Koordiniertes Matchmaking sieht anders aus.

Das Argument mancher, dass dies dem Schutz jüngerer Spieler diene, greift ins Leere. Microsoft lässt mehrere Nutzerprofile pro Konsole zu, und diese können mit diversen Sicherheitseinstellungen konfiguriert werden. Außerdem kann man auf Wii schon jetzt nicht einfach von Fremden belästigt werden, denn zwei Nutzer gelten erst dann als verbunden, wenn beide den Systemcode des jeweils anderen in ihr Adressbuch eingetragen haben - was Kommunikation außerhalb des Netzwerks voraussetzt.

Hier zeigt sich auch Microsofts große bzw. Nintendos mangelnde Erfahrung im Bereich der Anwendungssoftware. Die Japaner, oft als Apple der Konsolenwelt tituliert, täten gut daran, sich von eben jener Firma ein paar Experten aus dem Feld der Nutzerergonomie (Usability) auszuborgen, um den Teil, der nicht direkt mit Spielen zu tun hat, mal etwas auf Hochglanz zu bringen.

Dann könnte man vielleicht irgendwann den Wetter- oder Newskanal verwenden, selbst wenn der Standby-Modus von WiiConnect24 ausgeschaltet ist. Im Moment scheint dies unverständlicherweise nicht möglich zu sein, obwohl diese Dienste nicht genutzt werden können, wenn die Konsole nicht in Betrieb ist. Man muss seinen Rechner ja auch nicht rund um die Uhr zum Internet verbunden haben, wenn man mal schnell seine Emails checken will.

Die Wurzel des Übels ist zu einem großen Teil sicherlich in der unterschiedlichen Auffassung von Gewichtung der und Herangehensweise an Multiplayermodi verortet. In Japan bedeutete dies bisher traditionell das Spielen mehrerer Nutzer an einem Gerät. Die wesentlichen Innovationen im Onlinebereich - sowohl bei Spielen als auch im Matchmaking - wurden hingegen auf dem in Nippon als Spieleplattform eher unwichtigen PC etabliert. Federführend waren vor allem amerikanische, europäische aber auch koreanische Entwickler.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass ein westlicher Hersteller, nämlich Microsoft mit Xbox Live, den bisher durchdachtesten Ansatz liefern konnte und früher sowie deutlich mehr Ressourcen in diesen Bereich investierte. Sony mag ebenfalls Nachholbedarf haben - im Gegensatz zu Nintendo gibt es aber bereits zum Launch der PlayStation 3 Titel wie MotorStorm oder Resistance, die Spieler über das Internet gegeneinander antreten lassen. Und mit Home hat man schließlich weitere Besserung gelobt und geht teilweise noch über bisherige Ansätze hinaus. Hier dürfte sich auch die Expertise der US-Tochter Sony Online Entertainment auszahlen.

Ein Luxus, auf den Nintendo nicht zurückgreifen kann. Allerdings hätte man in den vergangenen Jahren Zeit genug gehabt, die Konkurrenten zu analysieren. Beratungsresistenz mag eine Stärke, aber auch eine Schwäche der Firma sein. Würde sich Nintendo nur an anderen orientieren, gäbe es wohl weder Wii, DS noch gewisse Spielkonzepte. Mut zum Risiko hat man zweifelsohne schon öfters bewiesen. Allerdings könnten die Mannen um Iwata und Miyamoto sich in manchen Bereichen durchaus auch mal von anderen Firmen inspirieren lassen und bewährte Konzepte übernehmen.

Julian Dasgupta
4P|News-Redakteur


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