Wii U
12.01.2014 22:22, Julian Dasgupta

"Die Situation für Dritthersteller ist düster"

Unter dem Deckmantel der Anonymität blickt ein Entwickler bei den Kollegen von Digital Foundry  zurück auf die Produktion ein Spiels für die Wii U (ab 689,99€ bei kaufen).  Bei seinem Arbeitgeber dürfte es sich um einen größeren Dritthersteller handeln, wurde dieser doch frühzeitig über die Konsole informiert und erhielt geraume Zeit vor dem Start Entwickler-Kits.

Schon bei der internen Vorstellung der Konsole habe man Bedenken gehabt - der Umstand, dass die Wii U ungefähr so groß wie ihr Vorgänger sein sollte und deswegen gut kühlbar sein musste, hatte schon nahegelegt, dass der Hauptprozessor langsamer als der der Xbox 360 sein würde. Die niedrige Leistungsaufnahme habe laut Nintendo eine höhere Priorität gehabt. Unoptimierter Code, der auf PS3 oder Xbox 360 gut läuft, würde dem Hauptprozessor zu schaffen machen. Der Chip biete aber einige Tricks, um den Takt-Nachteil teilweise auszugleichen.

Der Grafikchip sei hingegen besser als das, was bei Sony und Microsoft verbaut wurde - aber wiederum "Welten entfernt" von der Grafikhardware von PS4 und Xbox One. Das Studio habe darüber nachgedacht, die GPU auch für allgemeine Berechnungen (general purpose GPU bzw. GPGPU) zu verwenden, jene Idee aber verworfen, da die Produktionszeit sehr begrenzt gewesen war und von Nintendo keinerlei Beispiele oder Hilfestellung für einen solchen Ansatz vorlagen.

GPGPU werde auf PS4 und Xbox One recht wichtig, denn auch dort gebe es die Kombination aus eher schwacher CPU und potentem Grafikchip - von jenem Know-how würde Wii-U-Software aber vermutlich nicht profitieren, da der Grafikchip die aktuellen Shader-Modelle nicht unterstützt.

Unfertige Entwicklerwerkzeuge

Nachdem die Entwickler die ersten Geräte  zugeschickt bekamen, hätten sie versucht ein simples Testspiel zu implementieren, eine Art "hello world" - und schon das habe sich als schwieriger erwiesen als vermutet. Vielleicht sei man verwöhnt gewesen von der Reife der Entwicklungsumgebungen für die anderen Konsolen; im Falle der Wii U sei es jedenfalls knifflig gewesen, Code zu kompilieren und laufen zu lassen. Die Integration der Nintendo-Entwicklungsumgebung in Visual Studio habe im Prinzip nicht funktioniert. Nintendo habe irgendwann eine Lösung des Problems weitergeleitet, die von einem anderen Dritthersteller stammte.

Die Produktivität habe zudem unter langen Kompilierungszeiten gelitten. Selbst bei kleinen Änderungen hätte man vier Minuten oder länger warten müssen für Dinge, die bei den anderen Umgebungen vielleicht eine knappe Minute benötigen würden. So habe man im Laufe eines normalen Arbeitstages viel Zeit mit Warten verschwendet.

Als Debugger kam ein über Nintendo von Green Hills Software lizenziertes Tool zum Einsatz. Die Entwickler hätten davor schon einige Erfahrung mit verschiedenen Debug-Werkzeugen gesammelt, seien aber verblüfft gewesen über das schlechte Interface und die schlechte Performance. Wenn man versehentlich in den Code hinein klickte, würde alles pausieren, weil der Debugger einige Minuten benötigte, um die Werte aller markierten Variablen abzurufen.

Das Entwickeln des Spiels für die Wii U sei durch diese Faktoren deutlich schwieriger und zeitaufwändiger gewesen, als es hätte sein müssen. Man habe durch die Wartezeiten mehrere Arbeitstage verloren, die man für die Umsetzung weiterer Spielelemente hätte verwenden können.

Die Dokumentation der Entwicklungsumgebung sei minimalistisch gewesen. Wenn man Nintendo deswegen technische Fragen zukommen ließ, musste das Studio in der Regel eine Woche warten, bis es eine Antwort erhielt. Der Grund: Die Fragen mussten bei Nintendo erst ins Japanische übersetzt werden, die Antworten aus Japan wiederum ins Englische. Da Reibungsverluste durch die verschiedenen Zeitzonen hinzu kamen, habe das eben eine Woche gedauert.

"Niemand aus den Nintendo-Teams nutze Xbox Live oder PSN"

Auch Nintendos Online-Plattform sei mit heißer Nadel gestrickt worden. Viele Bereiche habe der Hersteller erst sehr kurz vor dem Launch fertiggestellt. Der Entwickler merkt an, Nintendo habe den Aufwand für den Aufbau einer mit Xbox Live oder PSN vergleichbaren Plattform wohl falsch eingeschätzt, wie man in einer Telefonkonferenz erfuhr.

"Das hat uns überrascht, da wir eigentlich davon ausgegangen waren, dass sie ausreichend Zeit gehabt hatten, um an all diesen Features zu arbeiten, da sie Monate vorher angekündigt worden waren. Also haben wir nachgehakt und gefragt, wie bestimmte Szenarien aussehen in Bezug auf Mii Friends oder das Verbinden, und uns dabei immer darauf bezogen, wie diese Sachen auf Xbox Live und PSN gehandhabt werden. Irgendwann hat man uns dann darüber informiert, es sei nicht sinnvoll, Vergleiche zu Live oder PSN zu verwenden, da keiner aus den Entwicklungsteams [von Nintendo] diese Systeme verwendete (!) - wir sollten das deswegen bitte ausführlicher erklären."

Nintendo habe versucht, zur Konkurrenz aufzuschließen, nicht aber deren Erfahrungsschatz gehabt.

Im Retail-Modus, der für die Zertifizierung durch Nintendo maßgeblich war, habe man nur sehr eingeschränkt debuggen können. Wenn irgendetwas nicht funktionierte, konnte man deswegen nicht immer gleich sagen, woran es lag. Simple Aufgaben wurden dadurch sehr umständlich.

"Einfache Sachen wie das Senden einer Freundschaftsanfrage an einen anderen Nutzer wurden nicht durch das Betriebssystem unterstützt. Um das zu tun, mussten wir also über das Debug-Menü ein separates Programm laden. Wenn dann aber irgendein Fehler auftrat, konnte man nicht debuggen, um herauszufinden, warum es nicht geklappt hat - es hat einfach nicht geklappt."

Viele Sachen hätten Wochen vor dem Launch nicht funktioniert - ohne einen Patch zum Verkaufsstart wären viele Sachen nicht gelaufen. (Auch Sony und Microsoft ließen ihre jüngsten Systeme nicht ohne umfassende Updates vom Stapel laufen. -Anm. d. Red.)

Das nicht näher benannte Spiel des Herstellers sei gut bewertet worden. Der Absatz sei allerdings "weniger als beeindruckend" gewesen - man könne sich glücklich schätzen, wenn man überhaupt das investierte Geld wieder reinbekommt. Auch wenn der Arbeitgeber öffentlich die Wii U unterstützte, sei es doch sehr unwahrscheinlich, dass man je wieder ein Spiel auf der Konsole herausbringen wird.

Das gehe sicherlich auch anderen Drittherstellern so - von vielen Spielen, die seinerzeit in Trailern gezeigt wurden, habe man nichts mehr gehört. Dabei dürfte der Entwickler u.a. an Battlefield 3 gedacht haben, welches bei EA einst in einem Wii-U-Trailer zusammen mit anderen Spielen gezeigt wurde. Nach dem aktuellen Stand der Dinge wird bekanntermaßen kein Frostbite-basierter Titel auf der Nintendo-Konsole erscheinen.

Der Autor sieht mehrere Faktoren als Ursache dafür, dass sich viele Publisher von der Wii U abwenden. Die Unfertigkeit der Entwicklungsumgebung habe viele Entwickler gestört. Nicht zuletzt sei der Support von Drittherstellern sehr verbesserungswürdig - viele hätten das Gefühl, man werde mehr oder weniger ignoriert, wenn man nicht gerade ein internes Nintendo-Team ist.

Auch sei der initiale Absatz schlecht gewesen. Eines der Probleme: Vielen Kunden sei nicht klar gewesen, dass es sich um eine neue Konsole, nicht um ein Add-on zur Wii handelt. Auch das Timing sei nicht sehr gut gewesen, denn nur Monate nach dem Launch hätten Sony und Microsoft ihre neuen Konsolen enthüllt. Und die größeren Studios hätten natürlich schon viel früher davon gewusst.

Wenn ein Hersteller dann wählen muss, ob er für ein System mit beschränkten Fähigkeiten und geringer Verbreitung entwickeln soll oder schon im Jahr darauf für die "echten" Next-Gen-Konsolen, dann sei die Entscheidung einfach gewesen.

Nintendo selbst habe wohl auch intern Probleme bei der Entwicklung gehabt: Der Umstieg bei der Entwicklung von Spielen in SD- auf HD-Auflösung sei eben nicht so simpel, wie manche denken würden. Die Entwickler von PS3- und Xbox-360-Spielen hätten jene Erfahrungen schon am Anfang des vergangenen Konsolenzyklus gemacht. Das deckt sich mit dem, was Shigeru Miyamoto höchstselbst vor einigen Monaten verlauten ließ  - Nintendo habe die für HD-Anforderungen notwendigen Teamgrößen unterschätzt.

Nintendos eigene Teams würden die Hardware zukünftig zweifelsohne ordentlich ausreizen - bei den Drittherstellern sehe die Situation hingegen eher "düster" aus. Aufgrund der mangelnden Qualität der Entwicklerwerkzeuge und des fehlenden finanziellen Anreizes aufgrund der schlechten Verkaufszahlen, werde kaum jemand für die Wii U optimieren.

Update: Der eine oder andere Entwickler  kann die Kritik in Teilen nicht nachvollziehen. Es heißt, nur das vor dem Start der Konsole veröffentlichte SDK wäre von den beschriebenen Problemen heimgesucht worden - auf die aktuelle Fassung treffe dies nicht zu. Es sei nicht schwieriger, für die Wii U zu entwickeln als für andere Konsolen.

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