Im Test: Surreale Rätselreise
Der Standpunkt
Mein Verhältnis zu Franz Kafka (1883 - 1924) ist zwiegespalten. Als ich "Das Urteil" in der Schule lesen musste, war das eine Quälerei sondergleichen - die Sprache sowie das Thema waren mir als 14-Jährigem zuwider, während der Lehrer uns ganz fasziniert einen psychoanalytischen Vater-Sohn-Konflikt darin sehen lassen wollte. Also mussten wir uns weitgehend ohne Lesevergnügen auf seine Interpretation und die Bildungsprostitution einlassen. Zuhause konnte ich mich dank Tolkien wieder mit der Literatur im Allgemeinen versöhnen.
Die Analyse
Wieviel Kafka steckt nun in diesem Adventure? Auf den ersten Blick so wenig, dass man sich auch ohne Kenntnisse oder Sympathie für Kafka damit beschäftigen kann, wenn man z.B. Logikabenteuer à la Professor Layton mag. Denn es geht hier nicht um literarische Texte oder aktive Erkundungen in seinen obskuren Welten, sondern schlicht und ergreifend um nur leidlich animierte Standbilder, in denen man per Point
Das ist auch mal kinderleicht, aber meist angenehm anspruchsvoll und dabei immer logisch sowie erfrischend kreativ, weil man auf subtile Art auch kleine Hinweise deuten, mit Licht und Dunkel sowie etwas Physik und Text- sowie Zahlencodes experimentieren kann. Trotzdem gibt es auch langweilige bis frustrierende Rätsel, wenn man etwa schnöde Schiebetafeln oder Weichen so lange korrekt einstellen muss, bis es passt. In diesen Situationen kann man auf eine mehrteilige Hilfe zurückgreifen, die einem zunächst subtil und dann etwas konkreter unter die Arme greift.
Das Kafkaeske
Auf den zweiten Blick zeigt sich, dass diese Folge von Rätseln einer hintersinnigen roten Nadel folgt, die immer wieder Symbole und Motive aus Kafkas Werken wie z.B. seine Vorliebe für namentliche Abkürzungen à la "K." einfädelt. Dazu gehört auch die allgemeine Stimmung: Als "kafkaesk" gilt bekanntlich etwas, das auf "rätselhafte Weise bedrohlich" ist. Und der lockige Protagonist wird gleich zu Beginn hypnotisiert, nach Amerika entführt, muss sich auf dem Weg ebenso bizarren wie traumartigen Herausforderungen stellen. Das Surreale wird ebenso spürbar wie biografische Fakten zu erkennen sind, denn der auch als "Junggeselle der Weltliteratur" bezeichnete Kafka braucht
Freunde von Kafka werden also genug Anspielungen finden, die das Werk zitieren. Allerdings sorgt der etwas zu heitere Grafikstil mit seinem Kinderbuchflair nicht unbedingt dafür, dass das Bedrohliche wirklich spürbar wird - das Ganze wirkt teilweise wie von einem hintersinnigen Pädagogen illustriert, der zwar mit Farben und Formen umgehen, der auch mit Geometrie und Perspektive zu überraschen weiß, aber nicht wirklich künstlerisch faszinieren kann. Freunde von Knobel-Adventures werden auch einiges vermissen, denn im Gegensatz zum oben genannten Layton geht es streng linear und ohne dramaturgische Auflockerungen um ein Bildrätsel nach dem anderen - eine auf Dauer recht spartanische Reise für genügsame Tüftler.
Fazit
The Franz Kafka Videogame klingt vielversprechender als es ist. Bei allem Respekt vor der kreativen Leistung von Denis Galanin, der nach Hamlet sein zweites Spiel mit literarischen Einflüssen ganz alleine stemmt, löst man hier in weitgehend statischer Kulisse nur ein Bildrätsel nach dem anderen. Die sind zwar meist kreativ konzipiert und für Freunde der subtilen logischen Tüftelei durchaus unterhaltsam, aber es gibt auch einige langweilige Lückenfüller. Obwohl dieses kleine Spiel für eineinhalb Stunden gekonnt einige biografische sowie symbolische Motive aus Kafkas Werken einflechtet, hat mich die Statik des immer Gleichen selbst in der Kürze der Zeit irgendwann gelangweilt, zumal das "Kafkaeske", also das auf rätselhafte Weise Bedrohliche, in diesen bunten Kinderbuchkulissen kaum spürbar wird.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Die Rätsel sind kreativ, etwas Kafka wird spürbar, aber irgendwann langweilt die Statik des immer Gleichen. Außerdem kann der naive Kinderbuchstil das "Kafkaeske" nicht einfangen.
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